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Chloe Prentiss

Es war bereits dunkel draußen, als ich erstmals auf die Uhr schaute. Schon kurz nach zehn. Lediglich die Scheinwerfer der Autos, die vor meinem Haus vorbeifuhren, spendeten etwas Licht, doch wir hatten im Wohnzimmer zusätzlich ein paar kleinere Lampen angemacht und zwei Kerzen flackerten munter vor sich hin.

Zayn und ich hatten es uns zusammen unter einer kuscheligen Wolldecke auf dem Sofa gemütlich gemacht und auf dem Fernseher vor uns flackerte ein alter, romantischer Liebesfilm über den Bildschirm - in schwarz-weiß. Ich wusste nicht genau, worum es in dem Film ging, denn ich hatte ehrlich gesagt nicht wirklich darauf geachtet. Zayn hingegen schien komplett in der Welt des Paares, die immer wieder im Bild erschienen, gefangen zu sein, und hin und wieder schlich sich ein Grinsen auf seine Lippen oder seine Stirn zog sich in Falten, womit er auf die gespielten Szenen einging.

Meine Beine hatten ich zwischen Zayns geklemmt und mein Kopf war gemütlich auf seiner Brust abgelegt, meine rechte Hand lag in seiner. Die Linke hingegen strich immer wieder über den kuscheligen Stoff seines Pullis, während ich lächelnd meine Nase an seiner Brust vergrub.

Der Abend hätte kaum schöner sein können.

"Miles, bitte nicht.", flehte die junge, hübsche Frau aus dem Film, während draußen, in der realen Welt, weit weg von all den süßen Geschenken von Miles an seine Angebetete und all den Liebesgeständnissen, erneut ein Auto geräuschvoll die Straße passierte.

Zayns Augen lagen gebannt auf dem Fernseher, wartend auf Miles' Reaktion, doch es geschah nichts. Das Einzige, was passierte, war, dass ich mich langsam aufsetzte und dabei versuchte, Zayn nicht den Blick zu versperren, während ich nach meiner Teetasse griff. Ich nippte leicht an dem heißen Getränk, verbrannte mir allerdings die Zunge, weshalb ich sie schnell wieder zurück auf den Wohnzimmertisch stellte. Ich wollte mich wieder an Zayn kuscheln, doch er hielt mich davon ab, indem er sich ebenfalls gerade hinsetzte, seine Hände an meine Hüfte legte und mich auf seinen Schoß zog.

"Babe", flüsterte er und pustete mir dabei gegen die Haut im Nacken.

Ich lehnte mich etwas weiter zurück gegen seine Brust und schloss meine Augen, während sich erneut unsere Finger ineinander legten.

"Weißt du, was mir gerade eingefallen ist?", fragte er leise und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Ich erwiderte nichts, da ich mir auch so sicher war, dass er von alleine weiterschreiben würde. "Wenn wir zusammen nach Paris fliegen, brauche ich noch einen Pass."

"Du hast keinen Pass?"

Er schüttelte leicht den Kopf, ehe er antwortete:

"Ich habe nie einen gebraucht, schließlich hatte ich auch nie vor, England in ehster Zeit zu verlassen."

"Du brauchst trotzdem einen Pass."

Ein raues Lachen seinerseits ertönte und ich spürte wie er mit den Schultern zuckte, jedoch nichts mehr erwiderte.

"Okay, wir können morgen Passfotos von dir machen lassen und alles Weitere abklären, wenn das in Ordnung ist."

"Perfekt.", stimmte er mir zu, "Wie viel Uhr ist es?"

"Viertel nach zehn."

"Oh. Wolltest du nicht, dass wir mal wieder eine Nacht getrennt voneinander verbringen?"

Ich hörte durchaus den neckenden Unterton in seiner Stimme heraus, doch ich ignorierte ihn. Und genau in diesem Moment bemerkte ich, wie sehr sich doch alles verändert hatte, wie sehr Zayn mich verändert hatte. Noch vor ein paar Monaten hätte ich jetzt wahrscheinlich panisch darüber nachgedacht, ob er mich nun lächerlich finden würde oder ob er mich die ganze Zeit nur ausgenutzt hatte, doch mittlerweile wusste ich, wie Zayn seine Worte wirklich meinte. Oder besser gesagt wusste ich, wie ich seine Worte aufnehmen musste. Von ihm wurde ich nicht mehr eingeschüchtert - höchstens von seinem atmeberaubenden Auftreten - und ich wusste, dass er mich so nahm, wie ich nun mal war. Sonst würde er nicht, nachdem er so viele meiner Macken kennengelernt hatte, noch zusammen mit mir auf dem Sofa kuschelnd Liebesfilme aus dem letzten Jahr gucken und mich seine Freundin nennen. Zayn gab mir die Sicherheit, die mir zuvor andauernd genommen wurde. Neben ihm lief ich mit erhobenem Kopf und einem Lächeln auf den Lippen durch die Straßen, genoss den Moment. Ich hatte keine Ahnung, wie es zu all dem gekommen war, und noch weniger wusste ich, wie ich das Gefühl, das ich für den wundervollen Mann neben mir hegte, definieren würde, doch irgendwie war es mir schon bewusst. Wahrscheinlich war ich lediglich zu feige, es auch nur mir selbst zu gestehen.

The Girl On The CanvasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt