NINE

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Ich ließ meine Fensterscheibe herunter und lehnte mich etwas heraus ,,Springt nicht an, hm?'' Meinte Daniel nur und ich rümpfte meine Nase ,,Doch, doch, der braucht nur einen Moment um warm zu werden.'' ,,Um warm zu werden während der Motor nicht an ist?'' Lachte er amüsiert und ich rollte meine Augen ,,Okay, er springt nicht an. Ich weiß nur nicht wieso, er hat mich noch nie im Stich gelassen.'' Ich fuhr mit meiner Hand über das Lenkrad und ließ sie dann in meinen Schoß fallen, im Kopf schon zehn Schritte weiter am überlegen wie ich jetzt nach Hause kommen könnte. Bus fahren war für mich um die Uhrzeit keine Option mehr, normalerweise hätte ich in so einer Situation Summer angerufen, aber ich wusste, sie würde nicht ran gehen.

,,Komm, ich fahr dich.'' Daniel trat einen Schritt zurück um mir Platz zu machen wenn ich aus dem Wagen stieg, aber wie ich eben war, blieb ich sitzen ,,Nein, ich komm schon alleine klar-'' doch bevor ich meinen Satz beenden konnte unterbrach er mich ,,Cassidy, du bist verdammt stur. Und mir ist echt egal aus welchem Grund du jetzt nicht mit mir mitfahren möchtest, ich will dich nur sicher nach Hause bringen, also gib mir doch endlich eine Chance und lass mich dir helfen!'' Ich musste schlucken. Ich konnte nicht antworten weil ich nicht wusste was ich antworten sollte. Als zog ich meinen Schlüssel aus dem Zündschloss und sprang aus meinem Auto. Ich lief Daniel die paar Meter bis zu seinem Wagen hinterher und stieg dann auf der Beifahrerseite ein. Er fuhr los und das Radio spielte leise im Hintergrund. Mir fiel sofort auf, wie geschmeidig sich sein Auto beim fahren anfühlte im Gegensatz zu meinem älteren Wagen. Und dann dachte ich darüber nach, dass man darin sicherlich super einschlafen könnte nach einer langen Partynacht. Und dann wanderten meine Gedanken wieder zurück zu der Gala-Nacht und die Erinnerungssplitter wiederholten sich in meinem Kopf und ließen die Hitze in meine Wangen steigen.

,,Ich weiß, dass du wegen mir heute dort warst.'' Meinte ich plötzlich, ein verzweifelter Versuch meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

,,Ach wirklich?'' Meinte er nur, schenkte mir einen kurzen, lächelnden Blick und sah dann wieder auf die Straße ,,Eigentlich wollte ich nur mit eigenen Augen sehen, ob mein Eintopf schmeckt.'' Ich runzelte die Stirn ,,Du meinst meinen Eintopf.'' Er lachte ,,Ja, von mir aus.''

,,Weißt du was Daniel. Du bist mindestens genauso ein Sturrkopf wie ich. Gib du doch einfach zu, dass du wegen mir heute dort warst.'' Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster ,,Okay, dann gebe ich es jetzt zu.'' Und irgendwie war ich nun doch überrumpelt von diesem Eingeständnis ,,Und wieso?''

Es dauerte einige Sekunden in denen er überlegte ,,Weil ich möchte, dass wir Freunde sind. Nicht nur ferne Bekannte, oder ein dummer One Night Stand.'' Ich sah zu ihm rüber, seine Finger fest um das Lenkrad geschlossen ,,Weißt du Seavey, du hast Glück, dass du mich an meinem absoluten Schwachpunkt getroffen hast. Diese Kinder, dieses Heim bedeuten mir alles. Du bist wirklich gut mit ihnen umgegangen, du hast ihnen eine Freude gemacht.''

,,Ja das habe ich gemerkt, es war wirklich ein gutes Gefühl. Ich kann verstehen wieso du immer hinfährst.'' Erklärte er und ich ließ meine Arme sinken ,,Nein, ich denke das kannst du nicht.'' Mit gerunzelter Stirn sah er kurz zu mir ,,Was meinst du?''

,,Ich geh' dort nicht jede Woche hin weil es ein gutes Gefühl ist.'' Sein fragender Blick verriet mir, dass er nicht verstand was ich meinte ,,Dieses Haus war für neun Jahre auch mein Zuhause, Daniel. Ich war ein Waise...Oder bin es immer noch.''

Daniels Gesichtsausdruck wandelte sich in Schock um, doch er sah weiter auf die Straße ,,Das tut mir leid, das wusste ich nicht.'' ,,Schon okay.'' Meinte ich und nickte um es mich selbst glauben zu lassen ,,Nein ist es nicht...wenn du drüber reden willst...''

Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper und sah weiter aus dem Fenster und beobachtete die an uns vorbei fliegenden Laternen ,,Eigentlich rede ich nicht darüber, aber da du mir auch schon etwas über dich erzählt hast...'' meine Gedanken blitzten zurück zum Abend der Gala, als wir zusammen spazieren gegangen waren und er mir erzählt hatte, wie unwohl und unglücklich er sich in seiner Situation eigentlich fühlte ,,Ich war 11 und ich war mit meinen Eltern auf der Hochzeit von meiner Cousine gewesen. Mein Vater hatte ein paar Bier getrunken, war aber der Meinung noch in der Verfassung zu sein Auto zu fahren.'' Ich erinnerte mich an dieses komische Bauchgefühl, welches ich damals gehabt hatte. Wie wenn man vor der Klasse einen Vortrag halten musste auf den man gar nicht richtig vorbereitet war ,,Auf dem Weg nach Hause mussten wir über eine Hängebrücke auf der uns ein anderer Wagen entgegen kam. Mein Vater wollte ausweichen und ist dabei durch die Leitplanke ins Wasser gefahren.'' Ich wusste noch genau wie es sich anfühlte, das beklemmende Gefühl des freien Falles und die Druckwelle die das Auto überkam als wir im Wasser aufprallten ,,Ich hatte das Glück, dass meine Fensterscheibe eingebrochen war. Ich war durch den Druck sofort bewusstlos geworden, aber es hat mir das Leben gerettet.''

Wieder war es still zwischen uns, ich wusste, dass er nicht wusste was er nun sagen soll ,,Aber mir geht es gut inzwischen.'' Versicherte ich ihm und lächelte ihn mild an ,,Ich hab großen Respekt vor dir. Vor dem was du alleine erreicht hast, ich will nur, dass du das weißt.'' Sagte er dann und ich sah, dass er in meine Straße abbog. Er parkte vor meinem Wohnhaus und bevor ich aussteigen konnte tat er genau das, lief um das Auto herum und öffnete mir die Tür.

Schmunzelnd stieg ich aus und stand dann vor ihm und sah zu ihm hinauf. Selbst in der Dunkelheit konnte ich seine hellen, blauen Augen erkennen. Ich war schon immer neidisch auf Menschen mit blauen Augen gewesen, es war meiner Meinung nach die schönste und fesselndste Augenfarbe. Aber wahrscheinlich war ich nur dieser Meinung, weil ich meine einfachen, braunen Augen langweilig fand.

,,Ich weiß, dass du nicht begeistert warst, dass ich heute da war...Aber ich hoffe ich konnte deine Meinung über mich etwas ändern.'' Ich lächelte ,,Das hast du wohl. Ich fand den Tag wirklich schön.'' Und das was ich sagte meinte ich auch so, der Tag hatte mir wirklich Spaß bereitet. Daniel kratzte sich am Hinterkopf und kurz fühlte mich wie in einem klischeehaften Romantik Film und überlegte, ob er mir nun näher kommen würde um mich zu küssen.

,,Ich muss dir noch was sagen.'' Erklärte er schließlich beklemmt und sofort hätte ich mich für meine zugvorgegangenen Gedanken ohrfeigen können,,Ja, klar, immer raus damit.'' Meinte ich etwas nervös und sah ihn weiter an, ungewiss was er mir sagen können wollte ,,Dein Auto...Das war ich Schuld.'' Ich runzelte meine Stirn. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit wirklich nicht ,,Was?'' Fragte ich verwirrt ,,Naja, ich habe vielleicht deinen Anlasser abgestöpselt damit du mit mir mit fahren musst.'' Murmelte er und meine Augen wurden groß ,,Seavey, du bist echt unmöglich!'' Und dann fing ich an zu lachen und er tat es mir gleich ,,Zumindest weißt du, dass es nicht kaputt ist.'' Ich nickte und lächelte.

,,Es wird morgen früh wieder fertig vor deiner Tür stehen, versprochen.'' Erklärte er mir und ich überlegte kurz, wie er das anstellen wollte. Aber er war nunmal immer noch Daniel Seavey, der Sänger einer sehr erfolgreichen Band mit ausreichend Geld um so etwas zu veranlassen. Ich kramte meinen Autoschlüssel aus meiner Hosentasche und hielt ihn Daniel hin ,,Den wirst du dann ja wohl brauchen.'' Er nahm ihn an ,,Ich sollte dann wohl mal...'' erklärte er und zeigte demonstrativ hinter sich auf sein Auto, ich nickte zustimmend und kurz bevor ich mich umdrehen wollte um rein zu gehen schnappte er mich und schloss mich in eine Umarmung ,,Wir sind jetzt Freunde Cassi.'' Und ich umarmte ihn zurück und atmete seinen Duft von Aftershave und Deo ein, den ich von seinem Hoodie kannte. Und so schnell wie er mich umarmt hatte, ließ er mich auch los und stieg dann wieder in seinen Wagen. Ich lief zu der Haustür des Gebäudes und hörte ihn dann rufen ,,Du hast immer noch meine Nummer, schreib mir mal.'' Ich drehte mich um und sah, dass er seine Fensterscheibe runter gelassen hatte und sich ein Stück weit aus dem Fenster lehnte ,,Da kannst du lange drauf warten, Seavey.'' Und dann fuhr er weg. Und ich stand noch einige Minuten vor der geschlossenen Tür und ließ das geschehene in meinem Kopf noch einmal abspielen um zu verstehen, was gerade passiert war.

This damn green hoodie *Daniel Seavey*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt