5. Frieling

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Sunday-Funday!

Im letzten Kapitel fanden wohl einige, dass Bonez zu viel und Marten zu wenig Redeanteil hatte - jetzt also ein Kapitel, das sich mehr um ihn dreht. Und er spricht sogar!

Ist er bisher denn interessant? Oder einfach nur komisch? Was meint ihr, weshalb spricht er kaum?

<3

P.S.: Dieses Kapitel widme ich mal jemanden: @mohnfleur, sie war mein Motivator :D

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„Blue on black - Tears on a river - Push on a shove - It don't mean much - Joker on jack - Match on a fire - Cold on ice - A dead man's touch"

Five Finger Death Punch – Blue on Black


Marten von Frieling. Er hatte mich also bemerkt – genug, um mich sicher wissen zu wollen. Oder waren ihm alle seine Angestellten so wichtig? Ich saß vor meinem MacBook, die Dateien mit allen vorhandenen Informationen der Männer in unterschiedlichen Fenstern geöffnet, und biss auf meiner Unterlippe herum. Der erste Eindruck war der wichtigste, und den hatte ich scheinbar nicht komplett vermasselt – das war definitiv etwas wert. Gedankenverloren sah ich aus dem Fenster, das von einem dünnen Vorhang eingerahmt wurde. Hätte ich es nicht besser gewusst – ich hätte immerhin Bonez auf den ersten Blick sympathisch gefunden. Ich wusste es allerdings besser. Ich zog ein Knie an und wackelte mit den Fußzehen. Über kurz oder lang musste ich den Männern noch näher kommen. Sie alle paar Wochen nachts im überfüllten Club zu treffen, war nicht ausreichend. Polizeirat Schmitter hatte mir die möglichen Optionen genannt, und eine nicht unbeachtliche war, dass ich in irgendeine Form von Beziehung zu einem der Männer geraten konnte. Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken daran, körperlichen Kontakt zu diesen Kriminellen zu haben. Aber der Job ging vor. Ich war bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Jedenfalls redete ich mir das ein.

Mein Dienstplan war simpel – Dienstag bis Samstag von 20:00 bis 05:00 Uhr, inklusive Pause. Mit Nachtdiensten kam ich zurecht, diese war ich als Polizistin gewohnt – allerdings würde die Arbeit eine andere sein, das war mir die Nacht davor bewusst geworden. Zusätzlich zu dem eigentlichen Job eine zweite Identität aufrecht zu halten, war kein Kinderspiel.

Ich klappte das Notebook zu und zog den USB-Stick ab. Dann kniete ich mich vor die Küchenzeile, entfernte den Fußtritt, packte den Stick in ein Kästchen, welches unter den Boden eines der Schränke geklebt war, und schob das lange Holzbrett wieder davor. Halb zehn morgens. Es wurde Zeit fürs Bett.


Acht Stunden später wachte ich wieder auf, fühlte mich irgendwie gerädert, aber quälte mich trotzdem aus den Laken. Ein Blick auf mein Handy verriet mir keine Anrufe oder Nachrichten in Abwesenheit – ich war es gewohnt. Nachdem meine Eltern so plötzlich aus meinem Leben gerissen worden waren, hatte ich mich stark zurückgezogen, aus Trauer, aus Wut. Ich beneidete meine Freunde, die jeden Tag zurück in ihre glückliche Familie zurückkehren konnten, ich hasste mich selbst dafür, dass ich mich von allen abwandte, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Auf einmal stand ich praktisch alleine da. Versicherungen, Testamente, Behörden – das lernte man in der Schule nicht. Ich hatte einige Verwandte in Süddeutschland, die mich in der Anfangszeit unterstützten, aber ich musste schnell lernen, alleine klar zu kommen. Das Mitleid meiner Mitmenschen hatte mich angestachelt, ich wollte ihnen beweisen, dass ich keinen von ihnen brauchte. Und das klappte auch, ich bestand mein Abi als Jahrgangsbeste, schloss den Polizeieignungstest als beste Anwärterin Nordrhein-Westfalens ab und übertrumpfte auch alle Kommilitonen bei der Abschlussprüfung. Viele waren der Meinung gewesen, diese Leistungen kämen mir zugeflogen, oder ich wäre einfach überdurchschnittlich intelligent, aber keine der beiden Annahmen traf zu. Ich war verbissen. Ich wollte die beste sein, komme, was wolle. Dieser Umstand war nicht halb so angenehm, wie er klang. Er bedeutete nämlich vor allen Dingen eines: Einsamkeit.

Heaven and Hell (Marten) | Gewinner Wattys 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt