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„Was soll das?" Fauche ich als er mich nicht nur vor die Tür, sondern noch weiter wegzieht. Ich bleibe ruckartig stehen und entreiße ihm meinen Arm, als er keine Anstalten macht, auf meine Frage zu antworten.

„Hör auf zu zicken. Wir gehen nach Hause."
„Wie bitte?" Ich starre ihn entgeistert an. Ich dachte, er will mit mir reden. Wenn ich nach Hause wollen würde, wäre ich schließlich gegangen.
„Wenn du mehr trinkst, wirst du wieder abstürzen und da laufen ein paar zwielichtige Gestalten rum."

Er tut so als würde das, was er sagt, irgendeiner Logik entsprechen. Tut es aber nicht. Nur weil ich mir ab und zu mal erlaube Spaß zu haben, heißt das nicht, dass ich einen Aufpasser brauche. „Cole? Das ist nicht dein Ernst?" Aber sein Blick sagt das Gegenteil. Es ist kein Scherz, er meint das wirklich so.

Ich drehe mich um und stapfe zurück zum Haus. „Wir sehen uns." Ich bin wütend. Was bildet er sich ein? Arroganter Arsch. Ich weiß, wie weit ich gehen kann und ich habe mein Limit noch lange nicht erreicht.

Ich gehe kurz ins Bad, frische meinen Lippenstift auf und checke mein Handy. Liss hat mir geschrieben und gefragt, ob ich mit den Beiden nach Hause gehe. Ich antworte ihr, dass ich noch bleibe. und sie meint daraufhin, dass wir uns morgen in der Bibliothek sehen.

Mal schauen, ob ich dazu in der Lage sein werde, denke ich nur amüsiert.

Dann gehe ich wieder zurück ins Wohnzimmer, es ist deutlich leerer geworden, aber ich entdecke noch ein paar bekannte Gesichter. Miles setzt sich neben mich auf die Couch und legt seinen Arm auf die Lehne hinter mich. Er geht auch auf unsere Uni und auf der letzten Party bin ich mit zu ihm gegangen. Eigentlich habe ich gar nicht gedacht, dass er nochmal mit mir redet. Seine ehemaligen ONS zu ignorieren, ist eigentlich genau sein Ding.

„Tate," er grinst mich an und checkt meinen Ausschnitt. Typisch. „Miles," erwidere ich und lasse meinen Blick über die anderen schweifen. Sie sind am Rummachen, flirten und auf der Treppe trennt sich gerade lautstark ein Pärchen. Und der blonde Grund für die Trennung schleicht sich gerade durch die Hintertür. Oh Mann.

Miles lehnt sich zu mir rüber und sofort steigt mir seine Alkoholfahne in die Nase. Ich trinke schnell ein paar große Schlucke meines Drinks. Liss hatte nämlich doch Recht, ich bin echt zu nüchtern. Also kippe ich den Rest auch runter und bedeute Miles dann, dass ich mir einen neuen Drink hole.

Ich schenke mir Wodka ein und spüre dann wie sich zwei starke Arme um meine Taille legen. Er stützt sein Kinn auf meine Schulter und presst mich gegen den Küchentresen. Ich exe mein Getränk und gehe dann mit Miles zu ihm. Ich möchte heute Nacht nicht allein sein und das werde ich auch nicht.

Am nächsten Abend schlage ich den Weg zu Bibliothek ein, ich war nur kurz zuhause, habe mir eine hellgraue Leggins und einen Oversize Pulli angezogen und war nach zwei Minuten wieder draußen. Keine Ahnung, ob Cole zuhause ist, aber seine stummen Vorwürfe brauche ich jetzt echt nicht.

„Tateee." Liss erntet sofort einige missbilligende Blicke, weil sie die Lautstärke Regeln der Bibliothek missachtet, als sie mich ruft. Ich umarme sie kurz und lasse mich dann auf einen der ungemütlichen Stühle fallen. „Wie war dein Abend noch?", fragt sie neugierig.

„Nichts Besonderes. Aber Eva hat sich von Till getrennt, soweit ich das mitgekriegt habe, hat sie ihn beim Rummachen mit einer anderen erwischt." Normalerweise tratsche ich echt nicht gerne, aber Till hat Liss mal auf einem Date einfach stehen gelassen. Sie musste die Rechnung bezahlen und ihr Selbstbewusstsein war auch ganz schön angeknackst, obwohl er so ein Arsch ist. Deshalb hat sie verdient zu wissen, dass er jetzt keine Freundin mehr hat.

„Ist das so? Wenigstens lässt sie ihm nicht alles einfach so durchgehen. Sie hat etwas viel Besseres verdient", antwortet sie mit einer kleine Spur Schadenfreude. „Ja, da ist dann anscheinend ihre Grenze", stimme ich ihr amüsiert zu. Sie hat ihm vorher zu viel durch gehen lassen, er hat sie schon öfter betrogen, aber sie wollte es nicht wahrhaben.

„Kommt Toni noch?" Liss hat ihre Bücher schon vor sich ausgebreitet und ist bereit, sich in den Lernmodus zu stürzen. Ich zucke nur mit den Schultern und sage, dass ich nichts von ihr gehört habe. Dann vertiefen wir uns in unsere Bücher und bis auf kurze Fragen arbeitet jeder leise vor sich hin.

Erst drei Stunden später entkomme ich der Bibliothek und eile nach Hause. An sich habe ich keinen Grund mich zu beeilen, aber jetzt habe ich endlich Zeit zu lesen und die will ich nicht mit langsamem Gehen verschwenden.

Zuhause angekommen schleiche ich durch die Wohnung, bis ich der Meinung bin, dass weder von Cole noch von Nadine was zu sehen oder zu hören ist. Beruhigt mache ich mir einen Kakao und schalte die Lichterkette über meinem Bett und am Fenster an. Noch zwei Kerzen, eine davon auf meinem Schreibtisch die andere auf dem Regal anzünden und schon könnte ich mich nicht wohler fühlen.

Easton und Hartleys Geschichte zieht mich sofort in ihren Bann, man wird in die Handlung hinein katapultiert und ist sofort darin eingetaucht.

Erst Stunden später, viel zu spät, obwohl es Samstag ist, löse ich mich von dem Buch. Ich habe mehr als die Hälfte geschafft, möchte aber auch noch etwas davon für morgen aufsparen. An Sonntagen brauche ich immer ein gutes Buch.

Ich merke schon beim Einschlafen, wie unruhig ich bin. Eigentlich kann ich, nachdem ich lange gelesen habe, gut einschlafen, aber heute ist das nicht so.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue zeigt mein Wecker an, dass es 05:45 ist. So ein Mist! Gefühlt habe ich noch keine Sekunde geschlafen. Die Lichterketten sind schon aus, es ist stockdunkel und meine Blase meldet sich. Ich tapse leise zum Bad und schalte nur das kleine Licht an, damit ich nicht geblendet werde.

Auf dem Rückweg stoppe ich bei dem Anblick von Coles Tür, die einen Spaltbreit geöffnet ist. Keine Ahnung, ob mir das vorhin entgangen ist, er zwischendurch zuhause war oder vergessen hat, die Tür zu schließen. Ich schaue kurz nach, doch sein Zimmer ist leer.

Als ich wieder in meinem Bett liege, ärgere ich mich, dass ich dem Impuls in sein Zimmer zu schauen überhaupt nachgegeben habe. Und irgendwann gegen sieben Uhr morgens falle ich in einen traumlosen, angespannten Schlaf.

Never Falling Deeper | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt