Der Gedanke, der mir gestern vor dem Einschlafen gekommen ist, zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Traum. Er ist das erste, woran ich beim Aufwachen denke und beherrscht mein Denken weiterhin mit eiserner Faust.
Ich frühstücke die letzten beiden Brownies, die gestern über geblieben sind und trinke aus meiner vorletzten Wasserflasche. Für heute habe ich mir vorgenommen Earls und meine Wohnung sauber zu machen und abends zu dem Meeting zu fahren.
Beim Verlassen der Wohnung fällt mein Blick auf das Handy, das seit Tagen unangetastet auf der ungenutzen Küchenzeile liegt. Kurzerhand greife ich es mir, ziehe mein Ladekabel aus meiner Tasche und gehe nach oben.
Nach einer Tasse Kamillentee räume ich zuerst die Küche auf, sauge und wische dann die Wohnung und säubere dann das Badezimmer. Die Ironie darüber, dass ich das ausgerechnet am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages mache, bleibt mir nicht verborgen. Aber es wäre einfach noch trostloser alleine in der Wohnung zu sitzen und absolut nichts zu tun, so mache ich mich wenigstens nützlich.
Nachdem ich bei Earl fertig bin schleppe ich alle Putzsachen runter und wiederhole den Vorgang in meiner Wohnung. Eine Frau mit lila Haaren spottet amüsiert:" Wenn du schon dabei bist, kannst du bei mir gleich weiter machen." Ich lache gekünstelt und schließe schnell meine Tür. Wahrscheinlich.
Es ist nicht einmal zwölf Uhr als ich fertig bin und beschließe für Earl und mich zu kochen. Ich mache eine Spinatlasagne und einen Schokoladenpudding zum Nachtisch. "Ach, Mädchen." Earl seufzt. "Meinst du nicht, dass es an der Zeit ist?" Er deutet auf mein Handy und das Ladekabel, das ich auf seiner Kommode liegen lassen habe. "Ich bin noch nicht bereit", nuschle ich und gebe vor den Mund zu voll zum Reden zu haben.
"Okay, wenn du das sagst. Aber dann geh in kleinen Schritten voran, pass auf, dass du nicht auf der Stelle stehst." Ich nicke mürrisch und esse den letzten Happen Lasagne. Earl grinst amüsiert als ich aufstehe, die Teller wegstelle und den Nachtisch hole. Er hält sich selbst für neunmalklug.
"Übrigens gern geschehen, dass ich heute deine Wohnung aufgeräumt habe", säusle ich spitz und seine Augenbrauen schnellen in rekordverdächtiger Geschwindigkeit in die Höhe. "Mädchen, damit habe ich dir einen Gefallen erwiesen. Du brauchtest Beschäftigung und ich habe sie dir geboten." Verblüfft stemme ich die Hände auf die Hüfte und sehe ihn entgeisert an. "Wie bitte?", platzt es aus mir heraus.
"Wenn sich hier einer bedanken muss, dann du bei mir", stellt Earl mit einem zufriedenen Nicken fest. "WAAAS?" Meine Gesichtszüge entgleisen mir vollends, bis ich sein verschlagenes Grinsen sehe und in schallendes Gelächter ausbreche. Es überkommt mich einfach. Wie eine Welle und sorgt dafür, dass ich wieder frei atmen kann.
"Du hast es faustdick hinter den Ohren, Earl!"
"Ach, das bemerkst du erst jetzt?", erwidert er fast beleidigt und grinst zufrieden in seinen Schokopudding.
*
Beim Meeting am Abend haben wir, bis auf zwei Ausnahmen, in unsere übliche Truppe zurück gefunden. Ich kann meine Erleichterung kaum verbergen als ich Milas braunen Schopf ausmache und muss mich zurück halten um sie nicht erleichtert in den Arm zu schließen.
Susen und Earl unterhalten sich beim Büfett und Mila nimmt neben mir Platz. "Ein bisschen fühle ich mich wieder in meine Schulzeit zurück versetzt, wenn ich hier bin." Ein süßes Halblächeln entseht auf ihren Lippen und die frische Wunde spannt gefährlich. "Wegen dem Stuhlkreis?" Unbeholfen fahre ich mir durch meine Haare und nehme sie zu einem tiefen Dutt zusammen.
"Ja, auch", sie nickt. "Als Teenie war ich manchmal nachmittags hier. Wenn ich nicht wusste, wohin sonst mit mir. Und in der Schule saßen wir auch oft im Stuhlkreis weil unsere Klasse ein Mobbing Problem hatte." Ich nicke und warte, ob sie dem noch etwas hinzufügt.
"Weißt du, Tate, die Leute stempeln dich nicht als Feigling ab, egal ob du sprichst oder nicht. Es ist egal, was du erzählst. Es gibt immer jemanden, der schon etwas Schlimmeres durchlebt hat. Manchmal darf man sein eigenes Schicksal einfach nicht als zu wichtig einstufen."
"Aber auch nicht als zu unwichtig", wiederspreche ich ihr leise, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckt. "Ich habe kein schlechtes Leben. Andere hat es viel schlimmer getroffen als mich." Ich hebe ruckartig den Blick. "Aber das heißt noch lange nicht, dass es okay ist!" Meine Stimme wird lauter. "Das heißt noch lange nicht, dass du das verdient hast. Nein, ganz und gar nicht." Ich schüttle den Kopf und kann einfach nicht aufhören zu reden.
"Wieso lässt du es zu? Wieso lässt du das mit dir machen?" Milas Augen verengen sich zu Schlitzen und ihr Rücken ist so unnatürlich gerade, dass ich unwillkürlich zurück weiche. "Du hast kein Recht mich das zu fragen!" Ihre Stimme zittert und klingt gleichzeitig unbeschreiblich wütend. "Und? Trotzdem tue ich es! Was willst du dagegen tun? Sag es doch einfach. Erklär es mir!"
"Ich habe keine andere Wahl", faucht sie und funkelt mich an. Ich lehne mich zurück und seufze hörbar. "Was?", fragt sie laut. "Das ist die Standard Antwort. Die Antwort, die man immer parat hat. Das, was man sich einredet, weil man einfach nicht wahrhaben will, dass man sehr wohl einen Ausweg hat."
Stille. Unheimliche Stille liegt über dem Raum und ich sehe aus dem Augenwinkel, das uns alle Anwesenden anstarren. "Okay, Tate. Dann lass mal hören, welche Umstände dich hier zum Experten machen." Sie schnaubt verächtlich und hebt abwartend ine ihrer Augenbrauen. "Worauf wartest du?"
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Ein Kapitel hätte ich noch. Wollt ihr es heute noch lesen?❤️
Ich schaue gerade die neue Staffel von Lucifer😍😍😍 wer kennt die Serie?
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Never Falling Deeper | Abgeschlossen
RomanceTate Mitchels weiß genau, was sie will und was nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben geht es ihr gut, wirklich gut. Sie hat Freundinnen, arbeitet, kann sich ihren Lebensunterhalt verdienen und studiert Journalismus. Das ist, was sie will. Ein normale...