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Cole

Über zwei Stunden sitzen wir inzwischen schon hier. Bei der Kömödie haben wir uns für Bad Moms entschieden und der Film ist bis jetzt ziemlich gut.

Ich stehe auf um uns noch eine Portion Popcorn zu machen und bringe dabei gleich noch Schokolade und Chips mit. Es ist schon nach sieben, aber das werde ich ihr ganz sicher nicht sagen. Als ich zurückkomme, hat sie sich quer über der Couch ausgebreitet und die Augen geschlossen.

Sie sieht unglaublich schön aus, mit ihrem entspannten Gesichtsausdruck und dem Gesicht, das ausnahmsweise mal komplett ungeschminkt ist. Ich hebe ihr Beine an, setze mich hin und lege ihre Beine dann auf meine.

Sie blinzelt mich unter gesenkten Wimpern an und lächelt dann zurückhaltend. Mein Herz setzt einen Schlag aus und poltert dann nur noch unruhig vor sich hin. Ich streiche mit den Fingern über ihre Beine und den dünnen Stoff ihrer Jogginghose. Der Film und das Popcorn sind vergessen. Meine Aufmerksamkeit gehört ganz allein dem Mädchen vor mir.

Als ich sie heute früh zu mir rüber getragen habe, weil sie wieder im Schlaf geschrien und um sich getreten hat, habe ich ihr Handy und ihre Kopfhörer auf ihrem Bett liegen gelassen. Meins liegt ebenfalls seit Stunden vergessen und unangerührt in meinem Zimmer. Das erste Mal seit Ewigkeiten checke ich mein Handy nicht andauernd und es fühlt sich gut an.

Tate murmelt etwas unverständliches und ich streiche ihr beruhigend über ihr Knie und den unteren Teil ihres Oberschenkels.

Ich stelle vorsichtshalber schon den Wecker für morgen früh, denn verschlafen ist keine Option. Ich habe ein Präsentation um 9 und dann muss ich ganz dringend eine Hausarbeit beenden, deren Abgabetermin um 14 Uhr ist.

Ich räume auf und kuschle mich dann vorsichtig, ohne sie zu wecken neben sie. Als sie sich im Schlaf bewegt und mich vom Sofa schubst, bleibe ich perplex am Boden liegen. Ich schaue zu ihr hoch, weil ich jeden Moment damit rechne, dass sie mich ansieht, lacht und 'haha' sagt.

Aber es passiert nichts. Ich schüttle den Kopf und will mich gerade aufraffen, als ich doch noch ein verdächtiges Zucken in ihrem sonst regungslosen Gesicht erkenne. Mit einem Knurren stürze ich mich auf sie und schon beginnt ihr kreischender Lachanfall. Ich pieckse sie in die Seite und kitzle wie das Zeug hält.

"Ich dachte du schläfst", grolle ich während ich sie wieder zu Atem kommen lasse. Sie zuckt nur mit den Schultern. "Anscheinend nicht", antwortet sie mit einem frechen Grinsen und sieht zu mir hoch.

Ihre Miene wird weicher und ich wundere mich darüber, dass sich nie jemand die Mühe gemacht hat, zu ihr durchzudringen. Obwohl ich es noch lange nicht geschafft habe, ist mir durchaus bewusst, dass es sich lohnen wird. "Das war ein schöner Sonntag", brumme ich und streiche sanft über ihre Wange. Sie nickt zustimmend und ihre Mundwinkel formen sich zu einem kleinen, schüchternen aber echten Lächeln.

Eine Sekunde später hat sie mich von sich weggestoßen, ist aufgesprungen und in ihr Zimmer gestürmt. Ein langgezogenes "Fuuuck", begleitet sie dabei. Ich bleibe auf dem Sofa sitzen. Mein Blick haftet auf der Stelle, wo sie gerade gelegen hat und wandert zu dem Rahmen ihrer Tür hinter dem sie gerade verschwunden ist. Ich warte darauf, dass sie zurückkommt und erklärt, was denn los ist, aber ich höre sie nur unruhig in ihrem Zimmer auf und ab tigern.

"Ich weiß", vernehme ich schließlich ihre gereizte Stimme. "Kann ich vielleicht trotzdem...", sie wird wahrscheinlich unterbrochen und lauscht der anderen Stimme. Ich weiß, es gehört sich nicht die Telefonate von anderen zu belauschen, aber ich will wissen, was los ist, sonst kann ich ihr schließlich auch nicht helfen.

"Bitte, können sie nicht eine Ausnahme machen? Es gab einen Notfall", beschwört sie und seufzt dann hörbar. Tate schließt die Tür und ich blinzle perplex als ich plötzlich nur noch ihre gedämpfte Stimme vernehme.

Ich kann nicht mehr verstehen, was sie sagt, aber höre noch, wie sich ihr Tonfall ändert. Ist sie sonst immer stark, gelassen und fast schon ärgerlich energisch, klingt sie jetzt nahezu unterwürfig. Ihre Stimme ist nur noch als leises Murmeln zu hören und ich ziehe mich mit einem verwirrten Kopfschütteln in mein Zimmer zurück.

Langsam wächst der Gedanke in mir heran, dass ist sie eigentlich jemand ganz anderes ist. Ich werde herausfinden, wer sie ist, wenn sie keine Angst hat. Wenn sie sich nicht verstellt, immer darum bemüht keine Schwäche zu zeigen. Ich will sie so sehen, wie sie wirklich ist.

*

Am nächsten Tag treffe ich Robin und Spencer beim Mittagessen im Blue Bottle.
„Wo sind die Mädels?", frage ich und ernte einen amüsierten Blick von Spencer. „Cole, es ist auch schön dich zu sehen!" Er grinst frech, deutet dann aber zur Theke, wo mir sofort Tates Hinterkopf entgegen springt. Sie trägt ihre aschblonden Haare offen. Ihr nackter Rücken wird lediglich von einem transparenten, schwarzen Stoff bedeckt. Unwillkürlich presse ich meinen Kiefer aufeinander und zwinge meinen Blick wieder zurück zu unseren Tisch.

Die Mädels kommen wenige Minuten später mit jeweils zwei Tellern wieder. Tate stellt einen der Teller vor mir ab, ohne mir dabei einen Blick zu schenken. Ihre Augen sind schwarz umrandet und ihre Lippen dunkelrot. Sie nimmt am anderen Ende des großen Tisches Platz, so weit von mir weg, wie es nur geht.

Sie unterhält sich mit Liss und Toni über ihr Wochenende und erwähnt mich dabei mit keinem Wort. Sie scheint sauer auf mich zu sein, aber dazu hat sich doch überhaupt keinen Grund. Ich esse die Pizza und schaue immer wieder ob ich Tates Blick einfangen kann, aber jedes Mal wenn ich hochschaue, schaut sie entweder zu Liss oder Toni oder auf ihr Essen.

Spencer holt uns eine Runde Kaffee als alle aufgegessen haben und als Tate ihn dankbar anlächelt, bohrt sich ein stechender Schmerz in mein Herz. Wieso ist es zwischen den beiden so leicht und bei uns so schwer?

Frustriert schiebe ich meinen Stuhl zurück, nicke den Jungs knapp zu und stampfe mit wütenden Schritten aus dem Café.

Es benötigt mehr Selbstbehrschung als man sich vorstellen kann, sie in ihren Dessous Oberteil rumlaufen zu lassen. Am liebsten  würde ich ihr ein XXL T-Shirt überstülpen. Und eine Boyfriend Hose. Gereizt presse ich meine Lippen zusammen und trete gegen eine der Laternen. Heißer Schmerz durchzuckt mich und der Ärger über Tate und wie sie meine Gedanken beherrrscht wächst zunehmend.

Ich balle meine Hände zu Fäusten und im hintersten Winkel meines Kopfes lacht jemand, der sich verdächtig nach Tate anhörte. So eine verdammte Scheiße.

Never Falling Deeper | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt