"Okay, dann ran ans Werk", entschieden drehe ich mich zum Spiegel um und trage eine neue Schicht Concealer auf. Mila lockt meine Haare mithilfe eines Glätteisen und ich finde mit jedem Pinselstrich mehr zu mir zurück. Was an sich komisch, aber auf eine besondere Art wohltuend ist. Es ist nicht nur die Schminke, es sind die Freundinnen, es ist das neue Jahr.
"Es tut mir leid. Es war zu früh." Toni blinzelt hektisch als sie sich zu mir beugt und mich durch den Spiegel anschaut. "Ist okay, es war nicht deine Schuld", versichere ich ihr. "Ich bin nur leider nicht so stark, wie ich es gerne wäre." Meine Worte werden von einem traurigen Lächeln begleitet. "Und doch bist du stark genug, um das durchzustehen", erwidert Toni ohne zu zögern und Liss und Mila stimmen nickend zu.
Womit habe ich euch verdient? Mein Herz wird wieder wärmer, durch die Liebe zu den Menschen, die sich hier befinden, taut es wieder auf.
"Eine Sache fehlt noch." Liss lächelt mich an, bevor sie mir ein kleines Geschenk hinhält. "Du weißt, wie sehr ich Weihnachten liebe. Ich habe dein Geschenk schon vor über zwei Monaten gekauft. Sogar schon bevor die ersten Lichterketten aufgehängt wurden." Sie lacht leise und ich nehme das kleine Päckchen mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Ich bin so überwältigt, umfähig zu sprechen. Atmen ist das höchste der Gefühle.
Behutsam löse ich die goldene Schleife und das dunkelrote Geschenkpapier. Es ist ein MAC Lippenstift. "Die gehören einfach zu dir." Toni grinst und macht ein Foto mit ihrem Handy. Es ist mir egal, wie ich aussehe. "Unfassbar", flüstere ich mit Tränen in den Augen.
Liss hebt abwehrend die Hände, als ich sie mit einer Umarmung überfallen will. "Deine Schminke", erinnert sie mich "und außerdem will ich nicht nochmal weinen." Toni und Liss haben ihr Make-up ebenfalls aufgefrischt, dabei sahen sie voher schon atemberaubend schön aus. "Na gut", seufze ich ergeben.
"Ich danke dir, Liss. Das ist ein wirklich tolles Geschenk." Sie lächelt und beobachtet, wie ich den Lippenstift fein säuberlich auftrage. "Wow, ich habe den Anblick dieser Lippen vermisst." Toni seufzt verträumt und wir lachen. "Wenn Cole das sagt ist das süß, aber bei dir? Ich weiß ja nicht", japst Liss und kassiert von Toni einen Klaps gegen die Schulter. "Pah", erwiedert diese nur grinsend.
Ich sollte mich nicht nur wegen eines Lippenstifts so gut fühlen. Er sollte nicht diese Macht über mich haben. Ich weiß es. Aber es geht nicht um den Lippenstift, nicht nur. Er steht für die ganzen Monate, die ganzen eineinhalb Jahre, die ich hier gekämpft habe und auch wenn ich dachte gescheitert zu sein, habe ich im Endeffekt mehr gewonnen, als ich mir je vorstellen konnte.
Als wir das Zimmer verlassen, dringt Coles Stimme augenblicklich an mein Ohr. Toni runzelt fragend die Stirn, doch ich habe eine Vermutung mit wem er spricht, wenn er sich so anhört. Mila hält die anderen zurück, als ich die Küche betrete und Cole bei einem Facetime Anruf vorfinde.
"Mum, das ist Tate." Er braucht nichts weiter zu sagen. Sie weiß es längst. Ich stelle mich neben Cole und er legt einen Arm um mich. "Es freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Karina." Sie lächelt uns herzlich an und wieder liegt dieser wissende Blick in ihren Augen. "Es freut mich auch", erwidere ich mit einem Lächeln auf den Lippen, für das ich mich nicht im mindesten anstrengen muss.
Coles Mum hat die Fähigkeit zu wirken, als würde man sie schon jahrelang kenne. Sie strahlt eine Herzlichkeit aus, die man einfach mögen muss. Wir verabschieden uns und sobald Cole aufgelegt hat, zieht er mich noch näher an sich.
"Wo hast du sie die ganzen Jahre versteckt, hm?"
Er lacht laut und es dauert bis es abebbt. "Wie hätte ich mein Badboy Image weiter durchziehen können, wenn du weißt, dass ich einmal in der Woche mit meiner überaus fantastischen Mum telefoniere?" Ich schmunzle kopfschüttelnd. "Dein Badboy Image ist Geschichte."
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Never Falling Deeper | Abgeschlossen
RomanceTate Mitchels weiß genau, was sie will und was nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben geht es ihr gut, wirklich gut. Sie hat Freundinnen, arbeitet, kann sich ihren Lebensunterhalt verdienen und studiert Journalismus. Das ist, was sie will. Ein normale...