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"Ich habe hiervon  geträumt", gebe ich nach einer Weile zu. Ein interessiertes Funkeln in  seinen Augen mustert mich und bevor er die Röte auf meinen Wangen  ausmachen kann, lege ich meinen Kopf wieder auf seiner Schulter ab.  Seine Hände streichen über meinen Rücken und ich komme nicht umhin mich  zu fragen, ob seine zögerlichen Bewegungen meinem Gewichtsverlust  zuzuschreiben sind.

"Ich habe nicht mit ihr  geschlafen." Ich nicke, die Augen aufgerissen, weil er es nicht sehen  kann und dankbar dafür, dass ich ihn nicht danach fragen musste.

"Wieso bist du nicht  früher wiedergekommen?" Eine ungenaue Frage mit viel Spielraum. Es liegt  bei mir, wie detailliert ich sie beantworte. Wie viel ich bereit bin  preiszugeben.

"Ich hatte Angst. Ich  war nicht bereit, weiß nicht ob ich es jetzt bin", antworte ich leise.  "Das mit Miles. Es hat mich so aus der Bahn geworfen, weil es mich an  etwas erinnert hat, worüber ich dachte, ich hätte damit abgeschlossen.  Aber, Überraschung, dem war nicht so." Ich schlucke und seine Hände  streichen weiter über meinen Rücken. Kontinuierlich. Beständig.

"Ich musste allein sein.  Musste alles nochmal durchleben, um damit klar kommen zu können. Ich  hatte das Bedürfnis mich selbst zu bestrafen. Für mein Verhalten,  für meine Fehler. Damals, wie heute. Ich habe mir eingeredet, nichts  anderes zu verdienen." Coles Atem geht schneller, ich kann die Wut  spüren, die durch seinen Körper pulsiert.

"Es wird lange dauern,  bis ich einsehen werde, dass es nicht so ist. Aber das Grundgerüst  steht. Damals war ich ein Kind, hatte keine Kontrolle und war in der  Abwärtsspirale gelandet, lange bevor ich mir auch nur ein einziges der  Probleme eingestehen wollte. Mit dem Neuanfang hier habe ich alles  hinter mir gelassen. Ich habe es nicht abgeschlossen, ich habe es  einfach abgehackt und nicht als Teil meiner Vergangenheit akzeptiert.

Es war also kein Wunder,  dass mein Hang zu Pillen und Alkohol, zum Vergessen, immer weiter  bestehen blieb. Der Wunsch, die Kontrolle zu verlieren, weil ich  das bestimmen konnte, war fast alltäglich. Genau wie die erzwungene  Zwanglosigkeit in Bezug auf Männer wie Miles. Auf Kleidung, wie ich sie  oft getragen habe. Auf Partys, auf Alkohol."

Er schweigt. Verdaut.  Ich beschäftige meine Gedanken damit sich auf seine Umarmung zu  konzentrieren. Obwohl die Möglichkeit, dass er mich gleich wegschickt,  definitiv realistisch ist und ich mir noch keine Sekunde erlaubt habe,  darüber nachzudenken, genieße ich jeden Augenblick in seiner Nähe mit  einem bittersüßen Schmerz in meinem Herzen.

"Und geht es dir jetzt besser?"

Ich nicke. Ja, definitv.  "Ich gehe zu Treffen. Fast täglich. Das hilft mir sehr, weil ich mich  dann nicht mehr so alleine fühle. Weil ich dann weiß, wie viele andere  Menschen es gibt, die ebenfalls so etwas schreckliches durchgemacht  haben." Ein Zittern durchläuft Coles Körper und sein Griff um mich wird  unweigerlicher fester. Er schüttelt den Kopf. "Wenn du nur wüsstest..." Er bricht ab und beginnt neu.

"Es tut mir unendlich  leid. Wegen diesem Abend. Es war meine Schuld. Ich habe nicht richtig  nachgedacht. Ich habe gehandelt, ohne über die Konsequenzen  nachzudenken. Ich wollte dich reizen, dich wütend machen, dich zu  einer Reaktion zwingen." An meinem Rücken ballen sich seine Hände zu  Fäusten. "Es war meine Schuld", wiederholt er sich, woraufhin ich  vehement den Kopf schüttle.

"Oh nein!" Ich rücke ein  Stück zurück um einen Blick in seine gequälten Augen zu erhaschen. "Du  hast am wenigsten Schuld von Allen. Viel viel weniger als ich selbst. Du  hast mich gefunden. Ohne dich..." Die Worte hängen in der Luft, auch  wenn ich sie nicht aussprechen kann.

"Ich möchte, dass du  etwas weißt." Ich nehme sein Gesicht in meine Hände, streiche mit dem  Finger über seine verkrampfen Muskeln. "Auch wenn du nicht da gewesen  wärst, auch wenn an diesem Abend alles gut gegangen wäre, es war eine  Folge, die sich unausweichlich aus meinem Verhalten und Miles Art  ergeben hätte. Es war keine Frage, ob es passiert, sondern wann. Ich  wusste das. Jedenfalls ein Teil von mir, war sich dieser Gefahr überaus  bewusst."

Der Sturm in seinen  Augen lichtet sich. Nur ein wenig. Aber doch genug, so dass ich  einen Blick auf das dunkle Blau dahinter werfen konnte. Eine noch  erdrückendere, noch tiefere Last zeichnete sich in seinen Augen ab. Sitzt  tief in seinem Herzen und lässt nicht zu die Schuld vollständig von sich  zu schieben.

Er akzeptiert, was ich  gesagt habe, auch wenn er es nicht vollkommen glaubt. Sein Blick  erforscht mein Gesicht, meine Haare, mein weites Shirt und die dunkle  Leggins. Seine Hände wandern tastend über meine Seiten, meine Rippen,  meine Taille, meine Hüften. Er schluckt, sichtlich darum bemüht, seine  Sorge zu verbergen.

"Bleibst du?", fragt er  schließlich mit einem Griff um meine Taille, der mich am Gehen hindern will, es aber nicht tun würde. Mit einem ersten, vorsichtigen Lächeln auf  den Lippen, nicke ich. Seine Schultern sacken erleichtert nach unten,  wie meine vorhin, als er Annie weggeschickt hat.

"Und deine Freundin?"

"Ich hatte gehofft sie kann erstmal auf der Couch schlafen. Vorübergehend?"

"Nein." Er schüttelt unbekümmert den Kopf. "Es gibt ein freies Zimmer", fügt er hinzu.

"Was? Unsere immer  präsente Mitbewohnerin hat sich von uns verabschiedet?" Ich stemme die  Hände auf die Hüfte. Seine Mundwinkel wandern nach oben, langsam aber  stetig. Bis er wahrhaftig lächelt. Mein Herz flattert, so immens war die  Sorge, dass mir dieses besondere Lächeln nicht mehr zu Teil wird.

"Es gefällt mir, wie du das gesagt hast."

"Was? Du meinst die Ironie? Noch nicht gemerkt, dass ich Profi darin bin?", scherze ich und zwinkere übertrieben.

Er gluckst leise. "Nein, der Teil mit dem Uns."

Ich habe mich immer  gefragt, wann und ob ich bereit bin zu ihm zurück zu kommen. Habe mich gefragt, wann ich es schaffen werde ihm wieder gegenüber zu treten und ihm zu erzählen, was passiert ist und warum ich gegangen bin. Warum ich gehen musste. Dabei war es so einfach. Es hat nur einen Blick, eine Berührung, einen Augenblick in seiner Nähe benötigt, damit ich den Mut finde, den ich brauchte.

Die Antwort lautet  Alles. Auf die Frage, wie viel ich bereit bin preizugeben, lautet die  Antwort schlicht und einfach absolut alles.

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Wer hat Lust auf eine Lesenacht? Hände doch ❤️ 🙋🏼‍♀️

Never Falling Deeper | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt