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Weder Spencer mit seinen braunen, lockigen Haaren, die ihm frech in die Stirn fallen, noch Robin, der einen extrem definierten Körper hat, sind schlecht anzusehen. Doch mein Mitbewohner hat dieses gewisse Etwas, keine Ahnung, ob es an den zerzausten dunkelbraunen Haaren, den strahlend blaugraue Augen oder diesem perfekt ausgeprägten Kiefer liegt.

Ich schüttle mich und wende mich dem Typ vor mir zu, um seine Bestellung aufzunehmen. "Vier Bier und deine Telefonnummer," seine Stimme lässt dabei keinen Hauch Unsicherheit durchsickern und das ist amüsant, nicht so amüsant, dass ich seinem Wunsch nachkomme, aber insofern, dass ich nicht anders kann als zu grinsen und ihm sein Bier zu geben. Nachdem ich abkassiert habe, bleibt er weiter lässig an den Tresen gelehnt und folgt jeder meiner Bewegungen.

"Worauf wartest du?", frage ich, als er keine Anstalten macht sich zu verziehen. "Auf den zweiten Teil meiner Bestellung." Er grinst und entblößt zwei supersüße Grübchen, die ich einen Moment zu lange anstarre. Jetzt wird es schwer, ihm klarzumachen, dass ich nicht interessiert bin.

"Ich habe schon viele von diesen Sprüchen gehört und sie beeindrucken mich nicht im Geringsten," antworte ich nur und nehme eine weitere Bestellung auf. Er geht zurück zu seinem Tisch, stellt das Bier bei seinen Kumpels ab und kommt dann zu mir zurück. Mist, warum beobachte ich ihn?

"Du kannst ja gar nicht mehr aufhören, mich anzugucken!" Er lehnt sich über den Tresen und grinst verführerisch, doch ich verdrehen nur meine Augen. "Das ist mein Job", erwidere ich nur und gehe dann nach hinten, um meine Tasche zu holen.

Ich verabschiede mich von Niko, der das mit einem Kinnnicken zur Kenntnis nimmt und setze mich zu meinen Freunden. "Ein Ex von dir?", witzelt Robin und ich werfe ihm nur einen bösen Blick zu. Er ist gerade in der Liste meiner Freunde auf dem Beliebtheitsgrad nach ganz unten gewandert.

"Können wir jetzt gehen?", frage ich in die Runde woraufhin Liss begeistert nickt. "Die Party war letztes Jahr richtig gut, weißt du das noch?" Sie grinst und deutet in meine Richtung. "Ich weiß gar nichts mehr", sage ich nur und wir lachen. Ich begegne Coles Blick und für einen Moment scheint es so, als würde er mir etwas sagen wollen.

Doch dann ist der Moment vorbei, hinter mir räuspert sich jemand und ich sehe gerade noch wie Cole amüsiert grinst. Nicht gut! Hinter mir steht der Typ vom Tresen. "Da du jetzt Feierabend hast." Er formuliert seine Gedanken nicht weiter aus und meine Geduld erreicht langsam ihr maximales Level. Mich vor meinen Freunden anzusprechen, erfordert zwar einiges an Mut, aber Bock ihn kennen zu lernen, habe ich deswegen trotzdem nicht.

"Ich bin nicht interessiert, und außerdem," einem spontanen Impuls folgend, lege ich meinen Arm um Spenc, "habe ich einen Freund." Robin würde mich wahrscheinlich so bloßstellen und einen auf den 'haha stimmt nicht, du kannst sie haben' machen, deshalb Spenc.

Dieser schaut den Typen grimmig an und legt seinen Arm auf meine Hüfte. Er streichelt sogar zärtlich über meine Haut am Bauch, die entblößt ist, da das Shirt einen Spalt frei lässt. "Also verpiss dich", knurrt er und ich hauche ihm beruhigend einen Kuss auf die Wange.

"Schon gut, Mann!" Der Typ hebt abwehrend seine Hände und marschiert zu seinem Tisch zurück. Na endlich! Ich atme erleichtert auf und flüstere Spenc ein Danke zu. Dann leeren die anderen ihre Getränke, wobei Toni, ganz die gute Freundin, ihres mit mir teilt.

Die meisten Cliquen bilden sich klischeehaft in den ersten Wochen. Bei uns war das anders. Toni und Robin waren zusammen auf der Highschool, hatten aber keinen gemeinsamen Freundeskreis. Ich habe die beiden in Medienrecht bei einer Gruppenarbeit kennengelernt. Wir mussten für das Referat einiges zusammen erarbeiten und haben uns am Ende wirklich gut verstanden.

Robin hat dann Spenc angeschleppt und Toni und ich haben Liss bei einer Party kennen gelernt. Das ist unsere übliche Truppe, warum Cole hier ist, weiß ich nicht, und gefallen tut es mir auch nicht.

Im Bad frische ich meinen dunkelroten Lippenstift auf und tusche mir die Wimpern nach. Liss trägt Concealer auf und Toni sprüht uns alle mit ihrem Bruno Banani Parfum ein. Dann gehen wir zurück zu den Jungs und machen uns gemeinsam auf den Weg zur Party. Wie ich es mir schon gedacht habe, war Widerstand zwecklos und so habe ich mich einfach meinem Schicksal gefügt.

Ich meide Cole, ich lache nicht über seine Witze, was echt anstrengend ist und ich sehe nicht zu ihm herüber. Was auch echt nicht einfach ist. Der Typ ist mir seit anderthalb Jahren ein echtes Rätsel. Er hat nie mehr als einzelne kurze Wörter mit mir gesprochen. Am Anfang habe ich oft versucht ein Gespräch mit ihm in Gang zu kriegen, aber er hat mich immer abgewiesen und hat sich dann in sein Zimmer zurückgezogen.

Ich versuche mich auf alles andere zu konzentrieren und beobachte dann Spence dabei, wie er einen auf großen Bruder und Aufpasser macht. Das tut er ständig, am meisten jedoch bei Liss. Er lässt sie nicht aus den Augen. Auch heute wandert sein Blick immer wieder zu ihr.

Zum Glück haben wir es nicht weit von der Bar bis zu der Party. Nach nur wenigen Minuten hören wir die Musik und vor uns erstreckt sich das klischeehafte Bild einer College Party. Rote Becher, besoffene Leute und Müll. Es ist noch gar nicht so spät, aber die ersten machen sich auf den Heimweg, andere hängen in den Büschen, entweder um zu fummeln oder um sich zu übergeben. Wir machen einen großen Bogen um sie.

Das Haus ist voller Leute, sie sitzen auf den Treppen, tanzen und trinken. Die Musik dröhnt in den Ohren und jemand drückt mir im Vorbei gehen einen Becher in die Hand. Ich stelle ihn ab und folge Liss und Toni in die Küche, wo man sich etwas mixen kann.

"Dann zeig mal, was du kannst, Barkeeperin." Liss grinst mich an und deutet auffordernd auf die Alkoholflaschen, die sich auf dem Tisch stapeln. "Ich glaube nicht, dass du noch einen meiner Drinks überstehst." Toni lacht und Liss zieht eine Schnute. "Dann wenigstens für euch beide! Ihr seid voll nicht gut drauf."

Ich grinse kopfschüttelnd, nur weil wir nicht so betrunken sind wie du, denke ich mir und fülle zwei Becher. Toni und ich prosten uns zu und Liss, mit einem imaginären Becher, tut es uns gleich.

Ich habe keine selbstzerstörerische Ader, aber manchmal zwinge ich mich dazu loszulassen und die Kontrolle abzugeben. Aber heute nicht.

Nach einem weiteren Drink begeben wir uns ins Wohnzimmer, wo getanzt wird. Überall. Auf dem Sofa, auf dem Tisch und, wenn man will, auch auf dem Schoß von einem Typ.

Wir tanzen, bis unsere Füße weh tun, trinken weiter, lachen und machen Selfies und immer, wenn ich mich umschaue, begegne ich früher oder später Coles brennenden Blick. Eigentlich schaue ich dann möglichst schnell weg, aber jetzt halte ich ihm stand und hebe provozierend eine Augenbraue. Was immer er hat, ich will es wissen.

Er kommt quer durch den Raum zu mir, greift meinen Ellenbogen und schiebt mich an den Leuten vorbei nach draußen. Ich glaube, jetzt kann ich mich auf was gefasst machen.

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Ich würde mich sehr über ein paar Votes freuen.

Never Falling Deeper | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt