Unruhig kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Jetzt am nächsten Morgen fragte ich mich doch, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, zu verraten, wer mein leiblicher Vater war. Im großen und ganzen hatte ich ein gutes Leben in Hogwarts. Einen warmen Platz zum Schlafen, Essen und mit Adina, Jamie und Antiope konnte ich mir gut meine Freizeit vertreiben.
Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Brief war geschrieben und abgeschickt. Wahrscheinlich lag er schon auf dem richtigen Schreibtisch und würde in den nächsten paar Stunden geöffnet werden, weshalb schon sehr bald ein weiterer bei Dumbledore auf dem Tisch liegen würde. Mit der Aufforderung mich unverzüglich zurück in die Muggelwelt zu bringen. Jetzt blieb nichts anderes mehr über, als abzuwarten. Eine Sache, in der ich wirklich schlecht war.
Ich sah mal wieder auf die Uhr an der Wand. Verteidigung gegen die dunklen Künste würde in zwei Minuten zu Ende sein. Wenigstens vor dem drohenden Gespräch mit Lupin durfte der Brief der Muggel hier eintreffen. Ich hatte doch nur um dieses zu verhindern die Bombe platzen lassen. Jetzt konnte ich doch nicht ernsthaft nach dem Gespräch erst von Hogwarts genommen werden.
Mein Blick glitt wieder zur Uhr. Noch eine Minute. Ich versuchte mich wieder auf die Worte des Lehrers zu konzentrieren, doch mein Herz schlug immer schneller. Ich hatte wirklich Angst vor diesem Gespräch.
Die Glocke läutete und beendete damit die Stunde. Der Lehrer erklärte nur noch kurz, welche Hausaufgaben wir erledigen sollten, dann ging das übliche Räumen los.Der Klassenraum hatte sich geleert. Professor Lupin saß vorne am Lehrerpult und sah zu mir herüber. Er schien ein wenig auf meine Reaktion zu warten. Doch ich würde ihm nicht den Gefallen tun und das Gespräch anfangen. Wenn er unbedingt über den gestrigen Patronusunterricht reden wollte, würde er das Gespräch anfangen müssen. Schließlich stand der Lehrer auf, kam zu mir herüber und setzte sich mit einem Stuhl mir gegenüber.
„Alles in Ordnung bei dir?" Ich schluckte schwer. Nein, das war es nicht, aber ich würde dem Lehrer mit Sicherheit nicht auf die Nase binden, was ich getan hatte. Zum einen wollte ich vor ihm nicht meinen Fehler zugeben, zum anderen hatte ich wirklich keine Lust, mich mit ihm schon wieder zu streiten. Also blieb ich still sitzen, starrte meine Finger an und wartete darauf, irgendwie aus dieser Situation erlöst zu werden. Der Lehrer mir gegenüber seufzte leise.
„Willst du jetzt den ganzen Nachmittag lang schweigen?" Ich zuckte mit den Schultern. Das würde sich wohl noch herauskristallisieren. Je nachdem wie lange der Lehrer mir noch Fragen stellte, die ich nicht beantworten wollte.
Es entstand wieder ein Schweigen zwischen uns, welches immer mal wieder von Antiope unterbrochen wurde, welche schwanzwedelnd und bellend zwischen mir und dem Lehrer hin und her lief. Der Welpe war wie immer am Ende der Stunde in den Raum gekommen. Lupin sah zu dem Welpen herab, welcher noch immer schwanzwedelnd zwischen uns stand.
„Wir sollten eine Runde mit ihr rausgehen." Er stand von seinem Platz auf, während Antiope glücklich bellend zur Tür stolperte. Ich allerdings blieb sitzen. Mir war klar, dass er nicht mit dem Hund und mir rausgehen wollte, weil er gerne eine Runde an die frische Luft wollte. Er wollte nur einen neutraleren Ort für das weitere Gespräch aufsuchen. Ein einfacher psychologischer Trick, welchen er dort gerade anwandte.
„Rona?" Ich schüttelte leicht den Kopf. Ich wollte nicht noch einmal mit dem kleinen Welpen herausgehen. Dabei zusehen, wie Antiope ausrutschte, während sie durch den Schnee tollte. Ich wollte einfach alleine sein. Mich in einer Ecke zusammenrollen und auf das Zusammenbrechen meiner kleinen Welt warten, welches ich selbst herbeigeführt hatte.
Warum hatte Ares mir nur den Brief geschrieben? Er spürte es doch normalerweise immer, wenn ich auf Grund von einer Kurzschlussreaktion eine dumme Entscheidung traf, warnte mich, auch wenn ich es bisher meistens ignoriert hatte. Dieses Mal hätte er es verhindern können, dass ich erneut ging, doch stattdessen hatte er mich nicht einmal gewarnt.
„Rona? Was bedrückt dich? Und jetzt schweige mich nicht wieder an. Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst."
„Ich will einfach allein sein." Ich wurde überrascht angesehen. Anscheinend hatte Lupin damit gerechnet, dass ich ihn erneut anschwieg. Oder das ich schrie. Doch er hatte mit Sicherheit nicht damit gerechnet, dass ich ihm so ruhig und vor allem mit so gequälter Stimme antworte.
„Dann geh alleine mit Antiope –"
„Ich will sie nicht bei mir haben." Momentan verspürte ich nicht einmal das Bedürfnis, Black die Frage zu stellen, die mir die letzten Tage so sehr auf der Seele gebrannt hatte.
„Dann werden Antiope und ich eine halbe Stunde spazieren gehen. Dann hast du ein wenig Zeit für dich. Ist das in Ordnung für dich?" Ich nickte langsam. Eine halbe Stunde war doch wesentlich besser als gar keine Zeit, um mich einfach alleine irgendwo zusammenzurollen. Ich sah dabei zu, wie der Lehrer langsam in Richtung Tür ging.
„Du musst hier nicht sitzen bleiben, Rona. Wenn du gehen willst, würde ich es allerdings vorziehen, die Tür abzuschließen." Ich stand auf. Mit zittrigen Fingern versuchte ich, meine Sachen zusammenzupacken.
„Lass sie ruhig liegen. Wir holen sie später. Außer du möchtest sie mitnehmen." Ich ließ meine Tasche los, weshalb sie umkippte. Die Bücher darin verteilten sich auf den Boden. Auch mein aktuelles Zeichenbuch, dessen Umschlag schon halb zerfledert war. Mein kleines Heiligtum. Automatisch begann ich alles wieder einzusammeln.
„Lass sie liegen, Rona. Die können wir auch noch später einsammeln." Der Lehrer zog mich auf die Beine. Vorsichtig schob er mich in Richtung Tür. Sobald wir draußen waren, schloss er sie ab.
„Jetzt verschwinde schon, Rona. Und wenn du doch darüber reden willst, hören Antiope und ich dir gerne zu. Du musst uns nur sagen, wie wir dir helfen können, dann werden wir es." Ich nickte erneut, auch wenn ich nicht vorhatte, darüber zu reden Was würde es auch schon bringen? Der Lehrer konnte nicht mehr aufhalten, was ich in Gang gebracht hatte. Dafür war es zu spät.
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Hexagramm - Schlangenbrut
FanfictionDreizehn Nymphen, drei Verschollene und eine Entführte. Dreizehn fast ausgerottete Familien, doch dadurch auch zwölf Jahre Frieden. Rona Smith scheint auf den ersten Blick mit den Ereignissen von vor zwölf Jahren nichts zu tun zu haben. Die Namen Ca...