Kapitel 45

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Im Flur hörte man Schritte, die in Richtung unseres Schlafsaales geeilt kamen. Den riesigen schlafenden Welpen hatte ich mittlerweile schützend an mich gezogen. Adina hatte sich neben mich gesetzt. Sie strich mir vorsichtig über die Schulter. Die Schritte wurden immer lauter, dann kamen Blaise und Professor McGongall in den Schlafsaal geeilt.
„Dürfte ich erfahren, was hier los ist?" Die strenge Lehrerin sah uns etwas entnervt der Reihe nach an. Wahrscheinlich konnte sie sich etwas Besseres vorstellen, als die halbe Nacht nach Sirius zu suchen und dann auch noch von einem ziemlich ahnungslosen Blaise Zabini dabei unterbrochen zu werden.
„Smith dreht jetzt vollkommen durch!", kam es sofort von Parkinson. Ich schüttelte bestimmt den Kopf.
„Nein, hier war jemand im Schlafsaal. Und dieser jemand hat Antiope vergiftet. Sie wacht nicht auf!", klagte ich. Blaise löste vorsichtig meine Arme um den Hund, damit sich Professor McGonagall diesen ansehen konnte. Der Junge zog mich etwas von dem Hund weg.
„Die Kleine wird schon wieder." Mir wurde vorsichtig über die Haare gestrichen. Die Lehrerin untersuchte vorsichtig den Hund.
„Es war sehr wahrscheinlich ein Schlaftrank. Antiope wird wieder. Zur Sicherheit bringen wir sie in den Krankenflügel." Die Lehrerin schwor eine Trage herauf. Ich löste mich von Blaise, um den Hund vorsichtig drauf zu legen.
„Der Welpe wird wieder. Du musst dir keine Sorgen machen", versuchte mein Klassenkamerad mich zu beruhigen.
„Das hätte gar nicht passieren dürfen. Ich habe versprochen, auf sie zu achten. Ansonsten hätte man mir die Kleine doch nie anvertraut." Ich strich dem Hund durch das flauschige Fell. Kiras Familie würde es mit Sicherheit nicht gefallen, dass Antiope unter meiner Aufsicht einen Schlaftrank verabreicht bekommen hat.
„Du hast dich doch sehr gut um sie gekümmert. Sie wird geknuddelt, gefüttert und sehr lieb gehabt. Du kannst nicht vierundzwanzig Stunden neben ihr bleiben."
„Ich hätte es früher merken müssen, dass eine Gefahr im Schlafsaal ist. Ich hätte es merken müssen."
„Nein, hättest du nicht. Du hast nichts falsch gemacht. Mache dir keine Vorwürfe."

Ich sah zu Professor McGonagall herüber, welche gerade noch mit Madame Pomfrey redete. So leise, dass wir nichts verstanden, doch die Körpersprache der beiden sprach für sich. Sie waren furchtbar angespannt. Zwei Einbrüche in zwei Gemeinschaftsräume an einem Abend hielten alle auf Trab.
Schließlich drehte sich die Verwandlungslehrerin wieder zu uns um. Der ganze Schlafsaal hatte sich hier im Krankenflügel verteilt. Parkinson, Greengras und Pucey hatten sich etwas abseits hingesetzt, allerdings noch in Hörweite. Adina saß neben mir und Blaise. Sie hatte es allerdings aufgegeben mich Beruhigen zu wollen.
„Ich muss mit ihnen allen reden", verkündete Professor McGonagall.
„Bis auf Smith hat niemand etwas gesehen. Können wir nicht einfach wieder ins Bett?", kam es von Parkinson.
„Sie werden heute Nacht hier schlafen. Und auch wenn sie nichts gesehen haben, möchte ich mit ihnen reden. Danach können sie ins Bett. Miss Malfoy, würden sie bitte als Erstes mitkommen?" Die Blondine sah mich fragend an. Ich nickte leicht. Sie konnte ruhig mit der Lehrerin mitgehen und die Fragen beantworten.

Ich war die Letzte, die Professor McGonagall zu sich ins Büro holte. Nur sehr widerwillig verließ ich meinen schlafenden Hund. Erst nachdem Adina und Blaise mir mehrmals versprochen haben, dass sie auf das Tier wirklich aufpassten, folgte ich der Lehrerin zu ihrem Büro. Dort setzte ich mich brav auf einen der Stühle, zog meine Füße an mich heran und wartete. Die Lehrerin betrachtete mich kurz, dann wurde mir eine Keksdose hingeschoben.
„Nehmen sie sich erstmal einen Keks, Miss Smith." Zögerlich angelte ich mir einen aus der Dose. Etwas lustlos knabberte ich an dem Gebäck. Am liebsten würde ich einfach wieder zu meinem Hund gehen.
„Wollen sie eine Tasse Tee?" Bevor ich die Chance hatte zu antworten, wurde mir das Getränk schon vor die Nase gestellt. Ein unangenehmes Schweigen entstand, welches schließlich von der Lehrerin unterbrochen wurde.
„War es Black, der in ihren Schlafsaal eingebrochen ist?" Ich schüttelte bestimmt den Kopf.
„Nein, der Mann war zu klein. Und er war pummelig."
„Aber sie sind sich sicher, dass es ein Mann war?"
„Die Silhouette gehörte eindeutig zu einem Mann."
„Nun gut, Miss Smith. Was ist passiert, nachdem sie den Raum betreten haben?"
„Ich habe den Mann neben Adinas Bett stehen sehen. Also habe ich ein Messer nach ihm geworfen. Aber er ist einfach verschwunden. In einer Sekunde stand er noch da und in der nächsten war er weg. Deshalb habe ich die Vorhänge von Parkinson getroffen. Aber nicht sie. Ich habe aber den Mann getroffen." Mein Messer wurde vorsichtig auf den Tisch gelegt. Die strenge Lehrerin betrachtete es mit gerunzelter Stirn. Noch immer sah man das Blut an diesem kleben.
„Und ihnen ist nichts Auffälliges aufgefallen?" Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, der Mann war weg, also habe ich nach Adina gesehen. Dann ist mir aufgefallen, dass Antiope gar nicht aufgewacht ist." Ich merkte, wie sich wieder mein Hals zuschnürte.
Meine kleine, arme Antiope. Dieses süße, tollpatschige Fellknäuel lag schlafend in der Ecke und konnte nicht mehr über ihre viel zu großen Ohren stolpern. Dabei war es doch immer so lustig ihr dabei zuzusehen. Ihr danach aufzuhelfen, nur damit sie kurz darauf wieder hinfiel. Jedes Mal, wenn man dachte, sie wäre endlich aus dem Alter herausgewachsen, indem sie alle paar Minuten hinfiel, bewies sie einen, sie war es noch lange nicht.
„Ihr Hund wird wieder aufwachen. Es war keine gefährliche Dosis an Schlafmittel. Wer auch immer im Schlafsaal war, wollte den Hund nicht töten, sondern nur verhindern, dass er womöglich Alarm schlägt. Morgen ist er schon wieder wach. Vielleicht noch nicht aufgedreht wie vorher, doch auf jeden Fall wieder auf eigenen Beinen unterwegs. Nehmen sie sich noch einen Keks", riss mich die Lehrerin wieder aus meinen Gedanken. Mir wurde auffordernd die Keksdose unter die Nase gehalten. Brav zog ich einen Zweiten heraus und begann auch an diesem zu knabbern.
„Hat man Black geschnappt, Professor?"
„Bisher noch nicht. Er ist vermutlich erneut entkommen." Erleichterung machte sich in mir breit. Das war doch wenigstens eine gute Nachricht heute.
„Und die Person bei uns im Schlafsaal?"
„Keine Spur von ihr."
„Glauben sie, der Mann bei uns im Schlafsaal arbeitet mit Black zusammen?"
„Ich weiß es leider nicht. Die Vermutung liegt nahe, aber der ganze Sachverhalt ist ziemlich kompliziert. Sie machen sich viele Gedanken über Sirius Black, nicht wahr?"
„Er ist mein Erzeuger. Alle tun immer so, als würde deshalb klar sein, ich muss ihm helfen."
„Miss Smith, ich sage ihnen jetzt etwas, dass sie sich merken sollten. Sie können nicht bestimmen, wer ihre Vorfahren waren, doch sie können bestimmen, was aus ihnen selbst und ihren Nachfahren wird. Ich weiß nicht, was Sirius dazu gebracht hat, ein weiteres Mal die Seiten zu wechseln. Versuchen sie ihren Vater nicht, als die Person in Erinnerung zu halten, die er heute zu sein scheint, sondern halten sie ihn als die Person in Erinnerung, für die man ihn hielt. Ich bin mir sicher, er hatte sie anfangs sehr gerne."
„Waren sie seine Lehrerin?", fragte ich neugierig. Mir war zwar klar gewesen, dass McGonagall mit Sicherheit schon etwas länger an dieser Schule unterrichtete, doch ich hatte mir bisher noch keine Gedanken darüber gemacht, ob sie wohl Sirius und Remus als Schüler und Freunde gekannt hatte.
„Ja, seine Hauslehrerin. Er saß oft hier und hat Ingwerkekse gegessen. Er war ein kleiner, elfjähriger Junge auf der Suche nach irgendeinem Halt in seinem Leben. Sie müssen wissen, die Familie Black ist für schwarze Magie und Muggelfeindlichkeit bekannt. Nicht nur wegen der Tat von Sirius. Ihr Erzeuger hat sich nicht an diese Dinge gehalten. Er war furchtbar interessiert an der Muggelwelt, las ständig Bücher über sie, hier in Hogwarts. Doch dieses Interesse kostete ihn seine Familie. Er zog mit sechzehn Jahren von zu Hause aus. Kurz darauf lernte er ihre Mutter kennen, die beiden wurden ein Paar und zogen direkt nach ihrem Schulabschluss zusammen. Ein Jahr später hatten sie geheiratet und Carolin war mit ihnen und ihrer Schwester schwanger. Sirius hatte sich furchtbar darüber gefreut. Halten sie ihn lieber so in Erinnerung."
„Das werde ich." Jemand klopfte an der Tür. Neugierig drehte ich mich um. Remus stand im Türrahmen. Er wirkte etwas verwirrt, als er mich auf dem Stuhl saß.
„Patricia, du bist noch wach?"
„Ja." Ich sah beschämt auf meine Hände. Der Lehrer kam zu mir herüber. Er musterte mich kurz, bevor er erleichtert seufzte.
„Mit dir ist alles in Ordnung, nicht wahr?"
„Ja."
„Aber du willst wieder nicht mit mir reden."
„Bist du wütend?"
„Nein, warum sollte ich?"
„Weil ich nicht auf Antiope aufgepasst habe." Mir wurde liebevoll durch die Haare gestrichen.
„Du hast gut auf sie aufgepasst. Mach dir keine Gedanken. Morgen ist die Kleine wieder auf ihren Beinen. Jetzt sieh zu, dass du noch ein wenig Schlaf kriegst. Morgen ist zwar kein Unterricht, aber du solltest den freien Tag genießen und nicht verschlafen im Gemeinschaftsraum sitzen, weil du Minervas Keksvorrat aufgegessen hast."
„Das ist erst mein dritter Keks."
„Sie sollten jetzt trotzdem ins Bett gehen und sich ein wenig ausruhen, Miss Smith. Ich muss auch noch einmal zu den Gryffindors." Sie sah fragend zu Remus, welcher leise seufzend mit den Schultern zuckte.
„Keine Spur. Weder von Sirius, noch von der Person, die im Schlafsaal der Mädchen war." Die Lehrerin nickte müde. Der Schlafentzug setzte den beiden Erwachsenen definitiv mehr zu, als es bei mir der Fall war.
„Ich bringe dich noch zum Krankenflügel zurück", teilte mir Remus mit.

Hexagramm - SchlangenbrutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt