Fasziniert beobachtete ich die Frau, welche begeistert in meinem Kleiderschrank herumwühlte. Ich dachte schon immer, Adina hätte viel Spaß daran mich anzukleiden, doch Prudence Cunningham schien in dieser Aufgabe ganz aufzugehen. Als hätte sie ihr lebenslang darauf gewartet, endlich eine Tochter zu haben, die sie jeden Morgen einkleiden konnte. Und diese hier würde sich wahrscheinlich, nicht sobald dagegen wehren. Jedenfalls hatte ich nicht vor mich in meinen üblichen Outfits in der Schule zu zeigen.
Mitten im Schuljahr zu wechseln war schon immer schwer genug. Es war wesentlich einfacher, wenn ich wenigstens vom Aussehen her in der Masse unterging. Charakterlich würde es wohl ziemlich schwer werden.
„Wie wäre es mit der hier?" Eine von meinen Schuluniformen wurde herausgezogen. Es wäre natürlich wesentlich einfacher gewesen, wenn es an dieser Schule eine geben würde. Nein, eine schicke Privatschule brauchte die Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Röcken, drei Paar Schuhen und bei den Kniestrümpfen und Schmuck hatten wir sogar freie Auswahl. Genauso wie bei den Taschen. Eine viel zu große Auswahlmöglichkeit meiner Meinung nach.
Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie ich mich hübsch anziehen konnte. Bisher war ich immer froh gewesen, wenn die Klamotten halbwegs gepasst haben. Ob sie farblich zusammenpassten, styltechnisch oder ähnliches, war mir immer egal gewesen. Bevor ich Adina kennengelernt hatte, haben solche Worte gar nicht zu meinem Wortschatz gehört.
„Warum nicht?" Der dunkelblaue Rock und die weiße Bluse, welche man als einzige nicht austauschen konnte, wurden für morgen rausgelegt. Dazu kam auch gleich noch eine hautfarbene Strumpfhose. Als nächsten Schritt wurde sich den Kniestrümpfen zugewandt.
Bis mein Outfit für den nächsten Tag zusammengestellt war, dauerte es fast eine Stunde. Ich hatte brav auf einen Sessel in meinen begehbaren Kleiderschrank gesessen, mein Notizbuch auf dem Schoss mit dem ich mir die Zeit vertrieb. Immer mal wieder nickte ich oder gab einen Kommentar zu irgendwelchen Kleidungsstücken ab, doch wirklich etwas mit dieser Aktion hier anfangen konnte ich nicht.
Aber das lag sehr wahrscheinlich auch daran, dass ich mich in meiner jetzigen Kleidung komplett verkleidet vorkam. Wie eine Barbiepuppe, die man immer so anzog, wie es einen gerade passte. Mal trug ich das hübsche Designerkleidchen, eine Stunde später die Ballettkleidung und wieder ein paar Stunden später ein Designernachthemd. Hauptsache die Kleidung war teuer.Ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich realisierte, wo ich überhaupt war. Nicht mehr in meinem Himmelbett in Hogwarts, sondern in dem Bett bei den Cunninghams.
Vorsichtig tastete ich nach meinen Wecker auf dem Nachtisch. Sobald ich ihn gefunden hatte, zog ich ihn zu mir. Mit meiner freien Hand beschwor ich wieder eine meiner Lichtkugeln herauf. Ich musste erst in zwei Stunden aufstehen. Doch jetzt war ich wach und ich hatte auch nicht mehr das Gefühl einschlafen zu können. Ich hatte doch ein wenig Panik vor der neuen Schule.
Ich kannte es schon, das Heim und damit auch die Schule zu wechseln, doch es war immer eine ähnliche Situation. Ärmliche Viertel, schlechte Schulen, die entweder nur von Waisenkindern oder auch von Kindern aus ärmlichen Familien besucht wurden. Doch die groben Regeln hatten immer gezählt. Mit einer großen Klappe kam man weiter, notfalls schlug man auch mal zu. Am besten einfach immer mit dem Kopf einmal durch die Wand, dann hatte man in den Pausen seine Ruhe.
Doch diese Taktik ist schon in Hogwarts schiefgegangen. Dabei gingen dort Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten hin. Daher glaubte ich kaum, auf der neuen Schule würde mir der Einstieg wirklich leichter fallen. In dieser komplett fremden Welt.Leise schlich ich mich die Treppe herunter. Schließlich wollte ich niemand anderes in diesem Haus wecken. Obwohl ich wahrscheinlich die Treppe runterfallen konnte, ohne dass es jemand hörte. Alles lag so weit auseinander, da schien es eigentlich unmöglich, dass die Schallwellen soweit getragen wurden.
Ich kam am unteren Treppenabsatz an. Leise lief ich weiter in Richtung Küche. In der letzten Woche hatte ich sie noch nie betreten. Eine ziemlich komische Situation. War es nicht das Normalste der Welt die Küche im eigenen Haus zu betreten? Dort zu kochen, zu backen oder sich auch einfach nur ein Glas Wasser zu holen?
Doch gleich am ersten Tag hatte sich Henry Cunningham um eine Haushälterin gekümmert, die das Betreten des Raums tagsüber überflüssig machte. Sie sorgte dafür, dass immer etwas zu trinken auf dem Esstisch stand, das Essen gekocht wurde und um alles andere, was mit Haushalt zu tun hatte.
Doch jetzt um mittlerweile halb sechs morgens würde sie wohl noch schlafen, weshalb ich meine Lust auf Frühstück wohl doch durch meine eigenen Fähigkeiten stillen musste. Nichts, dass es mich wirklich störte. Ich fand es eher gruselig, immer mit Ms Cunningham angesprochen zu werden und alles zu bekommen, worauf ich jetzt gerade Lust hatte. Wieder ein wenig auf meinen eigenen Beinen zu stehen, war doch die schönere Alternative dazu.
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Hexagramm - Schlangenbrut
FanfictionDreizehn Nymphen, drei Verschollene und eine Entführte. Dreizehn fast ausgerottete Familien, doch dadurch auch zwölf Jahre Frieden. Rona Smith scheint auf den ersten Blick mit den Ereignissen von vor zwölf Jahren nichts zu tun zu haben. Die Namen Ca...