Adina sah missbilligend zu mir herüber.
„Wie hast du es soweit kommen lassen können? Alles was du hättest tun sollen, wären ein paar Hausaufgaben, so wie wir sie alle machen." Ich zuckte leicht mit den Schultern. Was sollte man auch dazu sagen? Für sie war es nun einmal so einfach. Es waren nur ein paar Hausaufgaben, die sie mal eben herunterschreiben konnte, und damit ging sie davon aus, dass ich es ebenfalls konnte. Doch anders als die Wassernymphe schrieb ich nicht mal eben einen Aufsatz herunter.
„Geh du mir jetzt nicht auch noch damit auf den Geist. Ich muss jetzt meine Nachmittage beim Nachsitzen verbringen und Lupin wird mich beaufsichtigen. Das ist schon Strafe genug." Ich sah genervt zu der Wassernymphe herüber. Sie sollte jetzt nicht auch noch mit meinen nicht gemachten Hausaufgaben ankommen. Es reichte schon, wenn Parkinson mir immer damit in den Ohren lag, sobald sie mich mal zu Gesicht bekam. Natürlich erinnerte sie mich bei dieser Gelegenheit auch gleich darüber, warum ich ihrer Meinung nicht nach Hogwarts und schon gar nicht in das Hause Slytherin passte.
„Würdest du deine Hausaufgaben –" Ich schnaubte genervt. Musste ich mir jetzt wirklich den ganzen restlichen Abend anhören, meine Hausaufgaben seien wichtig und ich sollte sie machen? Wohl er nicht.
Ohne noch weiter auf die Blondine zu achten, stand ich von dem Sofa auf, welches wir zu zweit in beschlag genommen hatten. Ich würde mit Sicherheit einen anderen Platz finden, wo ich meine Ruhe haben konnte.
„Rona? Wo willst du denn jetzt hin?" Ich zuckte mit den Schultern.
„Zu einem Ort, wo mir niemand mit den bescheuerten Hausaufgaben auf die Nerven geht!"Zufrieden lauschte ich den Regen, welcher gegen die Fenster prasselte. Noch ein Vorzug davon, den unterirdischen Gemeinschaftsraum der Slytherins verlassen zu haben. Man bekam die aktuelle Wetterlage mit.
Ich hatte es mir in einer Nische in einem eigentlich menschenleeren Gang gemütlich gemacht. Von meinem Platz aus konnte ich das Schlossgelände beobachten, welches eigentlich im Dunkeln lag. Hin und wieder wurde es allerdings von einem Blitz erhellt und fast zeitgleich war der dazugehörige Donner zu hören. Die Macht meiner jüngeren Schwester fegte mal wieder über das Schloss hinweg und brachte wahrscheinlich Gryffindors und Ravenclaws um ihren Schlaf. Noch nicht viele, dafür war es noch ein wenig früh, doch in einigen Stunde wäre es wahrscheinlich ziemlich anders. Doch mich beruhigte wie immer das Unwetter draußen. Die Bestätigung, Natasha muss noch irgendwo da draußen sein, würde mich mit Sicherheit diese Nacht gut schlafen lassen.
Ich streckte vorsichtig meine Hand zum Fenster. Das kühle Glas schmiegte sich an meine Hand. Doch natürlich hielt es mich davon ab, die Tropfen, welche vom Himmel fielen zu berühren. Jeden Einzelnen auf meiner Haut zu spüren.
Genießerisch streckte ich meine Nase in Richtung Himmel, während der Regen mich komplett durchnässte. Meine Schuhe waren schon lange durch Matsche ganz braun geworden. Meine Haare waren so sehr mit Wasser durchtränkt, dass sie keines mehr aufnehmen konnten. Doch das alles störte mich nicht. Stattdessen sah ich weiterhin hoch zum Himmel, wo man sah, wie sich die Gewitterwolken immer wieder entluden.
Das Gewitter schien das Gefühlschaos in meinem Inneren wiederzugeben, welches sich langsam wieder beruhigte. Jeder neue Regentropfen auf meiner Haut schien die schlechten Gefühle ein Stück wegzuspülen und jeder neue Blitz, schien das Chaos in mir ein wenig zu lösen, bis schließlich nur noch die Gefühle für Natasha über blieben. Die Sehnsucht, die Liebe und die Hoffnung, sie eines Tages wieder zu sehen. Alles andere war verschwunden.
Ich hörte hinter mir leise Schritte von zwei Personen, die näher kamen. Offensichtlich gaben sie sich alle Mühe, möglichst leise zu sein. Zugegeben man hörte das leise Knirschen des Kies nur sehr schwer, eigentlich kaum. Der Regen machte es fast unmöglich. Hätte ich nicht meine Instinkte, die mich auf dieses minimale Geräusch aufmerksam machen würde, ich hätte sie nicht gehört. Doch dank meiner Sinne bemerkte ich sie. Zwei Personen, ungefähr gleich groß und gleich schwer, ein ziemlich ähnlicher Gang.
Ich machte mir nicht die Mühe, mich jetzt schon umzudrehen. Es würde vollkommen reichen, wenn ich es tat, wenn sie bei mir waren. Sie hatten bisher nicht versucht, mich umzubringen, also hatten sie keine Ahnung, dass sie im Dreikampf eigentlich keine Chance hatten. Oder sie hatte nicht ganz so böse Absichten, wie ich ihn gerade unterstellte. Doch sie waren böse genug, um bei meinen Nymphengenen eine Reaktion auszulösen.
Geduldig wartete ich darauf, dass sich die beiden genährt hatten. Erst als ich spürte, wie der eine seine Hand hob, um sie mir auf die Schulter zu legen, reagierte ich. Die Hand wurde abgefangen und dessen Besitzer mit einem Wurf zu Boden gebracht. Bevor mein Angreifer richtig gelandet war, hatte ich schon mein Messer herausgeholt. Mit diesem in der Hand ließ ich mich auf die Knie fallen und hielt es der Person an die Kehle. Neugierig musste ich die Person, welche komplett verschreckt zwischen dem Messer und mir hin und her sah.
Sie hat ein breites, energisches Gesicht voller Sommersprossen. Seine roten Haare waren nun durch den Schlamm, in dem er lag, weitestgehend braun geworden. Sein Umhang wirkte mindestens genauso alt und abgetragen, wie meine normale Kleidung war.
Automatisch schoss mir Dracos Worte in den Kopf: „Rote Haare und ein abgetragener Umhang, das muss ein Weasley sein." Zwar bezweifelte ich, dass diese zwei Dinge wirklich zur eindeutigen Bestimmung von Mitgliedern der Weasley-Familie bestand, doch die Ähnlichkeit zu Ron Weasley und seiner kleinen Schwester war nicht zu übersehen.
„Du bist wohl nicht Kira." Der am Boden liegende Weasley grinste mich frech an. Ich schnaubte wütend. Dieses Ständige verwechselt werden, ging mir wirklich auf die Nerven.
Kommentarlos zog ich mein Messer zurück. Währenddessen sprang ich wieder auf die Beine. Mein Blick glitt kurz über den zweiten Jungen. Er sah genauso aus wie der erste Weasley bis hin zu diesem frechen Grinsen. Also mussten die beiden die Unruhestifter Fred und George Weasley sein. Bisher hatte ich ihnen noch keine Beachtung geschenkt. Solange sie nicht mir zu nahe gekommen waren, sind sie mir noch am Arsch vorbeigegangen. Und eigentlich interessierten sie mich immer noch nicht. Sie spielten für mich keine Rolle. Ich setzte mich in Bewegung, um mir ein anderes ruhiges Plätzchen zu suchen.
„Hey, warte doch mal!" Die beiden Zwillingsbrüder rannten mir nach, bis sie auf gleicher höhe mit mir waren. Der eine links, der andere rechts.
„Warum sollte ich warten?"
„Weil wir mit dir reden wollen. Deshalb." Ich schüttelte leicht den Kopf. Das war natürlich ein super Grund. Jetzt würde ich auf jeden Fall stehen bleiben, vor allem weil ich gerade wegging, um meine Ruhe zu haben.
„Wer sagt, dass ich mit euch beiden Reden will?"
„Wer will denn nicht mit uns beiden Reden?" Oh, die beiden waren aber ganz charmant.
„Das Mädchen, an welches ihr euch von hinten angeschlichen habt, um sie zu erschrecken. Und vorgestellt habt ihr beiden Witzfiguren euch auch nicht." „Du hast dich doch auch nicht vorgestellt."
„Ich bin nicht Kira. Damit wisst ihr alles Relevante. Außerdem erkenne ich an eurer Nasenspitze, dass ihr wisst, wer ich bin. Wahrscheinlich weiß ganz Hogwarts, ich bin entweder Kira oder ihr verschollenes Schwesterchen. So schwer ist das nicht."
„Na gut, verschollenes Schwesterchen, ich bin George und der gutaussehende Typ auf der linken Seite ist Fred." Ich biss mir auf die Unterlippe. Der Zwilling hatte mich gerade angelogen. Also hieß er nicht George und sein Bruder nicht Fred, sondern anders herum.
„Also wo wir das mit den Namen nun geklärt haben, verschollenes Schwesterchen, wie bist du denn verloren gegangen?" Ich zuckte mit den Schultern.
„Fragt doch, eure Kira. Die scheint ihr doch öfter zu belästigen." Die beiden schüttelten gleichzeitig den Kopf.
„Dein liebstes Schwesterherz will nicht darüber reden", erklärte der Rothaarige zu meiner Rechten.
„Wir vermuten, sie weiß nicht einmal, was damals genau passiert ist. Also was weißt du?" Ich zuckte mit den Schultern.
„Mehr als Kira. Was auch nicht schwer ist. Das kleine Prinzesschen wird immer von allen verhätschelt und beschützt. Da will man sie nicht mit so doofen Details nerven, wie dem Tod ihrer Erzeugerin und ihrer Zwillingsschwester." Die beiden Jungen sahen mich neugierig an.
„Wenn du so viel weißt, wie bist du dann abhandengekommen? Wir sind neugierig, wie die Lösung dieses Geheimnisses lautet." Ich zuckte mit den Schultern.
„Natürlich weiß ich es. Durch Magie. Jetzt entschuldigt mich Jungs, aber ihr geht mir gerade furchtbar auf die Nerven. Daher werde ich jetzt lieber die Biege machen. Ich hoffe, wir sehen uns nicht sobald wieder, Fred und George." Ich sah nach rechts und dann nach links. Also genau die richtige Reihenfolge.
„Falsch herum", kam der Kommentar von rechts.
„Richtig herum. Aber dass du nicht intelligent genug bist, deinen eigenen Namen zu behalten, sagt einiges über dich aus. Über euch genauer gesagt. Schließlich verbesserst du ihn auch nicht, George. Oder ist das so ein Zwillingsding, dass man über eine längere gemeinsame Zeit seine eigene Identität vergisst und zu einer Person verschmilzt? Sollte das der Fall sein, muss ich noch schneller von dieser Schule weg, als ich dachte."
Mir lief ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, ich könnte irgendwann wie die Weasley-Zwillinge damit anfangen, meine eigene Identität nicht mehr zu haben, sondern nur noch Teil eines Doppelpacks. Nur über meine Leiche.
„Ich glaube, die kleine Rona Smith ist genauso griesgrämig, wie Kira sagt, Georgie."
„Sie ist nur ein wenig einsam. Wir sollten sie ein wenig aufmuntern, Freddie." Ich seufzte leise.
„Einsamkeit ist nur die Belästigung durch einen selbst. Das werde ich nicht. Ich muss nicht aufgemuntert werden. Ich bin nur kein wirklich geselliger Mensch. Also geht endlich!" Die beiden Jungen sahen sich noch einmal kurz an, bevor der Linke mit den Schultern zuckte.
„Na dann, Rona Smith, wir überlassen dich nun wieder deiner Einsamkeit." Sie nickten mir noch einmal kurz zu, dann wurde ich alleine im Regen stehen gelassen.
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Hexagramm - Schlangenbrut
FanfikceDreizehn Nymphen, drei Verschollene und eine Entführte. Dreizehn fast ausgerottete Familien, doch dadurch auch zwölf Jahre Frieden. Rona Smith scheint auf den ersten Blick mit den Ereignissen von vor zwölf Jahren nichts zu tun zu haben. Die Namen Ca...