Two

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„Danke", brüllte ich beinahe gegen den im Club herrschenden Lärm, als meine neue Bekanntschaft einen Drink vor mir abstellte. Unter normalen Umständen hätte ich ihm nicht getraut und mir mein Getränk selbst bestellt und geholt, aber jetzt gerade war mir alles scheiß egal und ich wollte mich nur noch betrinken und eventuell mit dem Dunkelhaarigen schlafen. Bei diesen Gedanken erkannte ich mich selbst kaum wieder, aber das machte die Frustration wohl mit mir. Grinsend stieß ich mit dem Fremden an und wir nahmen beide einen Schluck unseres Getränks. KO-Tropfen schienen nicht drin zu sein, denn ich spürte nichts seltsames. Also beschloss ich, ein wenig auf Tuchfühlung zu gehen. „Wie heißt denn der Deutsche in Amerika, der dafür gesorgt hat, dass ich in diesen Club reinkomme?" „Kai. Und wie heißt die hübsche Dame, der ich gerade einen Drink ausgeben darf?" „Lilli." „Ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen." „Mädchen? War ich nicht eben noch eine Dame?", entgegnete ich scherzhaft und Kai stieg in mein Lachen mit ein. „Ich bin ja selbst erst 20 und viel älter bist du definitiv nicht." „Stimmt, ich bin nämlich auch 20." "Und was macht eine 20-Jährige hier in Las Vegas so ganz allein?" "Ich lebe seit einiger Zeit hier. In Deutschland ist mir sozuagen- na ja, die Decke auf den Kopf gefallen. Also hab ich einen Tapetenwechsel gemacht." "Klingt cool. Was machst du denn jetzt hier? Also was arbeitest du?" "Mal dies, mal das. Ich hab noch nicht so ganz das richtige für mich gefunden. Und was arbeitest du?" "Ich bin Fußballer." Ich konnte nicht verhindern, dass meine Augenbrauen in die Höhe schossen. "Du verdienst Geld damit, dass du Fußball spielst?" "Jap. Und das nicht gerade wenig." Ich war mir nicht sicher, ob da ein wenig Arroganz in seiner Stimme mitklang, ignorierte das aber und gab mich interessiert. Immerhin sah er gut aus und hatte mir einen Drink spendiert. "Ich wünschte ich hätte auch einen Job, der mir Spaß macht und bei dem ich Millionen verdiene. Aber na ja, man kann nicht alles haben." "Kann man nicht?", entgegnete Kai mit einem spitzbübischen Grinsen, bevor er einen großen Schluck aus seinem Glas nahm und es geleert auf die Bar stellte. "Kann ich mit dir tanzen?" Sein kleines Wortspiel brachte mich zum Grinsen und ich leerte ebenfalls schnell mein Glas, dann stand ich auf und biss mir verführerisch auf die Lippe. "Ich weiß nicht, ob du es kannst, aber du darfst es gerne versuchen." Mit diesen Worten lief ich los, bis ich ein wenig in der Masse verschwunden war, schloss die Augen und gab mich der Musik hin. Es dauerte keine Minute, dann spürte ich heißen Atem in meinem Nacken, der mir eine Gänsehaut bescherte. Eine Weile tanzten wir eng aneinander, bevor wir wieder Durst bekamen und zurück zur Bar liefen. Während wir darauf warteten, dass der Barkeeper uns bemerkte, bemerkte ich Kais leeren Blick, als sei er in Gedanken ganz weit weg. Irgendwie sah er traurig aus und das konnte ich nicht ignorieren. „Hey, was ist los?" Überrascht sah der Dunkelhaarige auf und winkte ab. „Ach, gar nichts." „Das glaub ich dir nicht", entgegnete ich sofort und Kai seufzte, wobei er seine Schultern hängen ließ. „Eigentlich wollte ich diesen Urlaub mit meiner Freundin verbringen." „Aber? Hatte sie keine Zeit?" Kai entfuhr ein spöttisches Schnauben. „So kann man es auch nennen. Sie beschäftigt sich mit einem anderen Typen." „Oh. Das ist scheiße." „Kann man so sagen. Aber hey, du bist die Erste, die es so ausdrückt. Die meisten sagen sowas wie, dass es ihnen Leid tut. Total bescheuert." Verwirrt musterte ich den Dunkelhaarigen. „Wieso sollte es mir Leid tun? Ich bin nur eine Frau am anderen Ende der Welt, der du einen Drink spendiert hast." Kai schmunzelte und hob den Arm, um den Barkeeper zu uns zu rufen. „Zwei Drinks."

Lachend lehnte ich mich gegen Kai, der mir so auch gleich half, das Gleichgewicht nicht zu verlieren und rückwärts vom Barhocker zu fallen. Dabei fiel mir auf, wie trainiert seine Schultern und Arme waren. „Woher hast du diese Muskeln?", erkundigte ich mich lallend und als Kai sich in meine Richtung drehte, stellte ich fest, dass auch er wohl schon einiges getrunken hatte. „Ich bin Profisportler, da gehört sich das so." „Die sind heiß", murmelte ich und biss mir leicht auf die Lippe, dann seufzte ich leise und kuschelte mich an Kai. Der Club uns herum schien in den letzten Stunden leiser geworden zu sein und meine volle Aufmerksamkeit lag auf dem hübschen jungen Deutschen, der in diesem Moment ein kleines, samtbezogenes Kästchen hervorzog und aufklappte. Ein wunderschöner silberner Ring mit einem nicht zu großen, aber auch nicht zu kleinen Diamanten in der Mitte, der mir im schummrigen Licht des Clubs entgegenstrahlte wie die Sonne an einem trüben Dezembertag. „Wow, zum Heiraten kennen wir uns aber noch nicht lange genug, Kai", witzelte ich und entlockte dem Dunkelhaarigen damit ein kurzes Schmunzeln. „Den wollte ich Olivia geben. Ich hatte alles geplant, vom romantischen Picknick am Strand bis zum Niederknien, um sie zu fragen, ob sie meine Frau wird." Obwohl er noch immer lallte, spürte ich die Ernsthaftigkeit und die Trauer hinter seinen Worten. Er hatte diese Frau wirklich heiraten wollen und stattdessen hatte sie ihm das Herz gebrochen. Das hatte er nicht verdient. „Ich hätte es so machen sollen, wie die es in den Filmen immer machen. Man sucht sich irgendjemanden und macht einen Deal, dass man heiratet, wenn man mit 30 noch keine Beziehung hat", sagte Kai wenig überzeugt und ich sah ihn von der Seite aus an. „Wieso sollte man bis 30 warten?" In mir stieg eine völlig irrsinnige Idee auf, aber als ich Kais Grinsen sah, wusste ich sofort, dass er dasselbe dachte. Ein hysterisches Kichern entwich mir, als er vor mir auf die Knie ging und mir den Ring entgegenstreckte. „Scheiß drauf, heirate mich!" Erneut musste ich lachen, dann nickte ich und Kai schob mir das Schmuckstück auf den Finger. „Na also, jetzt landet der Ring doch noch am Finger eines wunderschönen Mädchens. Genauso wie ich's geplant hab." „Und jetzt?", erkundigte ich mich, während ich den Diamanten musterte. „Das fragst du noch? Wir sind in fucking Las Vegas, also lass uns heiraten!" Er begann zu lachen und ich stieg mit ein, dann pfefferte er einige Geldscheine auf den Tresen der Bar und erhob sich so schwungvoll, dass er beinahe hinfiel. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, hob er mich hoch und trug mich aus dem Club. Auf der Straße forderte ich ihn schließlich beinahe außer Atem vor Lachen auf, mich wieder abzusetzen. Als wir schließlich voreinander standen, konnte ich den Blick nicht von seinen euphorisch glitzernden Augen abwenden. „Also, wo ist die nächste Kapelle?"





Info: Morgen Abend (Samstag, 2.Mai) wird es eine Lesenacht geben. Sie beginnt um 19 Uhr und endet um 23 Uhr. Stündlich wird ein neues Kapitel kommen und ich hoffe ihr werdet alle fleißig lesen und mir euer Feedback da lassen :)

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt