Thirty-Three

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Hallo Lilli,
ich möchte Sie wirklich zu nichts drängen, aber ihr Vater ist jetzt seit mehreren Tagen im Hospiz und ich habe mitbekommen, dass es ihm wohl mit jedem Tag schlechter geht und seine Zeit zu Ende geht. Ich weiß nicht, was er Ihnen angetan hat, aber ich habe ihn als einen sehr freundlichen und liebenswürdigen Mann kennengelernt und ich sehe es in meinem Job sehr oft, dass Angehörige später bereuen, nicht friedlich auseinander gegangen zu sein.
Wie gesagt, ich möchte Sie zu nichts drängen, aber ich bitte Sie inständig, Ihren Vater nochmal zu besuchen, bevor er stirbt.
Freundliche Grüße aus Frankfurt
Karla

Müde las ich mir die Nachricht von der ehemaligen Krankenschwester meines Vaters durch, dann schloss ich Instagram und sperrte mein Handy, um mich auf die Vorlesung zu konzentrieren. Es fiel mir wirklich schwer beim Thema zu bleiben und ich war erleichtert, als ich wenige Stunden später das Unigelände verließ und in die Straßenbahn stieg, um zu Julian und Lena zu fahren, bei denen ich immer noch wohnte. Zwar hatte ich mich schon nach einer eigenen Bleibe umgesehen, aber da ich keine Einnahmequelle hatte und Geld nicht vom Himmel fiel, hatte ich keine Möglichkeit, mir irgendwas zu kaufen oder zu mieten. Von Kai hatte ich mittlerweile seit über einer Woche nichts gehört und ich machte mir nicht mehr wirklich Hoffnungen, dass er sich noch melden würde. Seufzend ließ ich mich auf einen Platz in der Bahn fallen und zog mein Handy aus der Hosentasche. Zu meiner Überraschung hatte Sina mir geschrieben und ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich mich so lange nicht bei ihr gemeldet hatte. Schnell öffnete ich den Chat und las mir ihre Einladung zu einem gemeinsamen Kaffee morgen Nachmittag durch. Kurz rang ich mit mir, aber dann sagte ich zu und sie antwortete sofort, dass sie sich freute, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Dann packte ich mein Handy wieder weg und sah aus dem Fenster, wo ich in genau diesem Moment auf einer Leuchttafel Kai entdeckte. Es war Werbung für Leverkusens Spiel am kommenden Wochenende und ich seufzte leise. Sollte ich vielleicht hingehen? Allein schon, damit die Fans nicht skeptisch wurden? Unsicher biss ich mir auf die Lippe, dann zog ich mein Handy wieder hervor und öffnete den Chat mit Kai.

L: Hi, ich hoffe dir gehts gut. Soll ich am Wochenende zum Spiel kommen? Auf Instagram fragen schon die ersten Leute nach, wieso wir seit über zwei Wochen kein Pärchenbild mehr gepostet haben...

Angespannt sendete ich die Nachricht und wollte mein WhatsApp schon wieder schließen, als unter Kais Namen das Wort online erschien und mein Herz augenblicklich zu rasen begann. Einige Sekunden lang passierte gar nichts, dann wurde aus dem online ein schreibt... und ich hielt unbewusst den Atem an, bis die Antwort meines Noch-Ehemanns aufploppte.

K: Es wäre vermutlich gut, wenn du kommst. Hast du dein Havertz-Trikot eingepackt oder musst du es dir bei mir abholen?

L: Ich hab es nicht eingepackt. Bist du zu Hause? Dann würde ich es so in zwanzig Minuten abholen.

K: Okay, bis gleich

Unsicher, ob das jetzt eine gute oder schlechte Idee war, zu ihm zu fahren, steckte ich mein Handy ein und stieg bei der nächsten Haltestelle aus, um die Bahn zu wechseln und zu Kai zu fahren. Je näher ich ihm kam, umso nervöser wurde ich und um mich abzulenken, scrollte ich ein wenig durch Instagram, bis ich meine Zielhaltestelle erreichte und ausstieg. Zu Fuß waren es nur noch etwa fünf Minuten bis zu dem Haus, in dem ich bis vor einer guten Woche gelebt hatte und als ich schließlich klingelte, hatte ich das Bedürfnis mich zu übergeben. Schritte erklangen, dann wurde die Tür geöffnet und ich stand Kai gegenüber. Er sah schlecht aus, aber ich wusste, dass ich auch nicht unbedingt besser aussah. "Hi", murmelte ich unsicher. "Hey. Komm rein." Er trat einen Schritt zur Seite und ich betrat das Haus, dann lief Kai voran in Richtung Schlafzimmer und ich folgte ihm. Das Schlafzimmer sah noch genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Beide Seiten des Bettes waren ordentlich gemacht, auf der Kommode standen die Bilderrahmen mit den gemeinsamen Fotos von uns. Kai folgte meinem Blick zu den Bildern. "Du hast eins mitgenommen, oder?" Ich nickte. "Ja, mein Lieblingsbild. Tut mir Leid, ich wollte dich nicht beklauen oder so. Wenn du den Bilderrahmen zurückhaben willst-" "Nein, schon gut." Wir verfielen wieder in ein unangenehmes Schweigen und ich lief zum Kleiderschrank und öffnete ihn. Auch hier drin sah es genauso aus, wie ich es zurückgelassen hatte und ich ging innerlich seufzend in die Hocke, um das Trikot unten herauszuziehen. Dabei fiel mir mein Handy aus der hinteren Hosentasche und Kai, der direkt hinter mir stand, bückte sich und hob es auf. "Wer ist Karla?", fragte er verwirrt und ich drehte ruckartig meinen Kopf in seine Richtung. "Was?" "Sorry, ich wollte nicht- mein Fingerabdruck ist noch gespeichert und ich hab das Handy aus Versehen entsperrt. Hier ist eine Direktnachricht von irgendeiner Karla." Sofort riss ich ihm mein Telefon aus der Hand und sperrte es. "Das geht dich nichts an." Erschrocken starrte Kai mich an, denn mit einer so heftigen Reaktion hatte er ganz offensichtlich nicht gerechnet. "Sorry, ich wollte nicht in deinen Sachen rumschnüffeln oder so. Aber da stand was von Krankenschwester. Bist du krank?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, aber jemand, den ich kenne." "Jemand von früher?", fragte Kai leise und ich atmete tief durch, bevor ich nickte. "Mein Vater." "Dein Vater? Aber ich dachte, du hättest keinen Kontakt mehr zu ihm. Obwohl, du hast ja auch in anderer Hinsicht schon gelogen." Sein Ton wurde von besorgt zu abfällig und das machte mich wütend. Mit einem heftigen Ruck zog ich das Trikot aus dem Stapel, dann stand ich auf und schloss den Kleiderschrank, bevor ich mich wieder zu Kai umdrehte. "Spar dir deinen Spott, Havertz. Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, daran musst du mich nicht erinnern." "Ich bin nicht sauer, ich bin stockwütend", entgegnete der Dunkelhaarige und ich senkte beschämt den Kopf. "Es tut mir Leid, okay? Es ist nur so, dass ich diesen Teil meines Lebens am liebsten vergessen würde und ich hasse es, wie man sofort von den Menschen verurteilt wird, wenn sie rausfinden, dass man im Gefängnis war. Und nur, damit du es weißt: Ich habe nichts gewalttätiges verbrochen. Ich war nur dumm und wollte jemandem einen Gefallen tun." Für einen kurzen Moment schwieg Kai und sah mich einfach nur an, dann atmete er tief durch. "Ich verstehe, dass du den Vorurteilen entgehen wolltest, aber du hättest es mir trotzdem sagen müssen. Allein schon, weil jemand das rausfinden und der Presse stecken könnte und dann hätte ich ein ziemliches Image-Problem." "Schlimmer als eine betrunkene Hochzeit ins Las Vegas?", entgegnete ich mit einem schwachen Lächeln und zu meiner Überraschung erwiderte Kai es und nickte. "Ja, schlimmer als eine betrunkene Hochzeit in Las Vegas." Ich schluckte hart. "Es tut mir Leid, Kai. Ich wollte dich wirklich nicht in Schwierigkeiten bringen." "Ich weiß. Am Anfang wusste ich es nicht, aber mittlerweile weiß ich es. Ich kann mich nur irgendwie noch nicht dazu überwinden, dir zu verzeihen." Seine ehrlichen Worte erleichterten mich. "Das kann ich verstehen. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Aber ich würde mich freuen, wenn du mir irgendwann vergeben und wieder vertrauen könntest. Ich fand nämlich, dass wir ein ziemlich gutes Team waren so als Fake-Ehepaar." Ich bemühte mich zu grinsen und Kai erwiderte es schwach. "Ja, das waren wir wirklich. Wollen wir vielleicht noch besprechen, wie genau es am Samstag im Stadion ablaufen soll?" Ich nickte und eine Viertelstunde später hatten wir einen genauen Plan für meinen Stadionbesuch. Kai brachte mich nach unten zur Haustür und öffnete sie für mich. "Danke", murmelte ich und verließ das Haus, blieb davor jedoch nochmal stehen. "Danke, dass du mir zugehört hast und ich mich dir erklären durfte." Kai nickte leicht, dann schien ihm etwas einzufallen. "Wo wohnst du eigentlich?" Kurz überlegte ich, seine Frage nicht zu beantworten, aber ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn nicht mehr anlügen würde. "Bei Julian." "Wirklich? Er hat dich mit keiner Silbe erwähnt, dieser Schlumpf." "Sei ihm nicht böse. Ich hab ihn gebeten es dir nur zu sagen, wenn du von selbst fragst." Meine Worte schienen Kai zu überraschen. "Wieso?" "Weil ich ein Zeichen wollte, ob du bereit bist, unseren Streit zu klären. Wenn du gefragt hättest, hätte ich gewusst, dass ich dir nicht egal bin." "Ich hab nicht gefragt", stellte Kai fest. "Nein, du hast nicht gefragt", erwiderte ich leise. "Aber das heißt nicht, dass du mir egal bist. Ich musste mich nur erstmal wieder sortieren." "Okay. Bis Samstag, Kai." "Bis Samstag, Lilli."

Im letzten Kapitel habe ich euch nach eurem Wunschtag für die Lesenacht gefragt und Friday It Is🎉
Wir starten um 18 Uhr und enden um 23 Uhr, also freut euch auf sechs mitreißende Kapitel voller Emotionen (so viel kann ich jetzt schon verraten🙊)!
See y'all there😉

_C_

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt