Twenty-Three

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Als Kai einige Zeit später nach Hause kam, hatte ich mich halbwegs beruhigt und musste schlicht und ergreifend hoffen, dass Claudia nicht so schnell meinen Nachnamen herausfand. Kai durfte sie auch auf keinen Fall fragen, denn er kannte meinen Nachnamen natürlich von den Heiratsunterlagen. Leise seufzte ich und begrüßte Kai mit einem kurzen Kuss, bevor er nach oben ging, um seine verschwitzten Sportsachen in die Waschmaschine zu stopfen. Dann kam er wieder nach unten und setzte sich neben mich aufs Sofa. "Und, wie war dein Tag?", erkundigte er sich lächelnd und ich beschloss, ihm nichts vom Besuch seiner Mutter zu erzählen. Also lächelte ich ebenfalls. "Echt schön. Sina hat ein Geschenk für Jonathan zum Jahrestag besorgt und anschließend waren wir shoppen. Ich hab ein paar echt schöne Klamotten und zwei Bücher gekauft, also war's ein voller Erfolg. Und bei dir?" "Das Training lief super, nach dem erfolgreichen Start sind natürlich alle hochmotiviert und mit so einem Sieg im Rücken trainiert es sich einfach am besten." "Das freut mich", entgegnete ich und wollte gerade fragen, ob wir einen Film schauen wollten, als es an der Haustür klingelte. "Erwartest du jemanden?", erkundigte Kai sich überrascht und ich schüttelte nervös den Kopf, denn das erinnerte mich zu sehr an heute Mittag, als Claudia plötzlich vor der Tür gestanden hatte. Kai stand auf und lief zur Haustür und kurzerhand beschloss ich ihm zu folgen. Ich hatte noch nichtmal den Flur erreicht, als mir eine unbekannte Stimme einen Schock verpasste. "Sind Sie Kai Havertz? Kieler mein Name, das ist meine Kollegin Lärch. Wir sind von der Ausländerbehörde." "Ausländerbehörde?", wiederholte Kai überrascht und ich hielt angespannt die Luft an. "Ja, wir haben einen Hinweis bekommen, dass es sich bei Ihrer Ehe um eine Zweckehe handelt, damit Ihre Frau in Deutschland bleiben kann. Dürfen wir reinkommen?" "Natürlich. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir keine Zweckehe führen. Meine Frau hat die deutsche Staatsbürgerschaft und die hatte sie auch schon vor unserer Ehe." "Davon würden wir uns gerne selbst überzeugen, Herr Havertz. Wo ist denn Ihr Frau?" Ich schluckte und tat so, als ob ich gerade aus dem Wohnzimmer kommen würde. "Kai, wer ist unser Besuch?" "Die Ausländerbehörde. Wärst du so lieb und würdest deine sämtlichen Papiere von oben holen? Ich bin sicher, wir können den Herrschaften schnell klar machen, dass wir keine Zweckehe führen." Ich nickte und lief eilig die Treppe hoch, um meine Papiere aus dem Safe zu holen. Kurz überlegte ich wegzurennen. Sie würden meinen alten Nachnamen herausfinden und ihn überprüfen und dann würde alles auffliegen. Ich war kurz davor, wieder nach unten zu gehen, als mir ein Geistesblitz kam. Schnell schnappte ich mir mein Handy vom Nachttisch und rief Julian an. Er hob fast sofort ab. "Hey Lilli, was gibt's?" "Bitte stell keine Fragen, sondern tu mir einfach nur einen riesigen Gefallen", flehte ich ihn an. "Natürlich, was soll ich tun?" "Du musst bitte sofort Kai auf seinem Handy anrufen und ihn dazu bringen, mich mit den Beamten von der Ausländerbehörde allein zu lassen, die gerade bei uns ist. Und das so lange wie möglich." "Alles klar, das krieg ich hin." Erleichtert atmete ich auf. "Oh Gott sei Dank, du bist mein Retter Julian." Ich legte auf und lief langsam die Treppe nach unten. Als ich hörte, dass Kais Handy klingelte und er sich bei den Beamten entschuldigte, um telefonieren zu gehen, wurde ich schneller und beeilte mich, nach unten zu kommen. "Hier sind meine Papiere. Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft nie aufgegeben, deshalb kann es sich bei Kai und mir gar nicht um eine Zweckehe handeln." Ich überreichte dem Mann sämtliche Papiere und er sah sie durch, dann reichte er einen davon an seine Kollegin weiter. "Überprüf' das mal gerade." Sie nickte und zückte ihr Telefon, während ich angespannt versuchte, meine Nervosität zu unterdrücken. "Hallo Martin, ich bin's. Jag' doch mal bitte eine gewisse Lilli Josephine Meinhardt durchs System." Eine gefühlte Ewigkeit war es still, dann nickte die Frau und bedankte sich bei ihrem Kollegen am Telefon. Anschließend sah sie mich an und ich wusste, dass sie mich jetzt mit anderen Augen betrachtete. So war es immer, wenn die Leute erfuhren, dass man mal im Gefängnis gesessen hatte. "Sie hat vor knapp drei Jahren eine mehrmonatige Freiheitsstrafe abgesessen und auch die Bewährung ohne Auffälligkeiten hinter sich gebracht. Ansonsten ist sie ein unbeschriebenes Blatt. Und sie sagt auch die Wahrheit bezüglich der Staatsbürgerschaft, der Tipp war also falsch. Diese Ehe hat keine steuerlichen oder sonstige wirtschaftliche Vorteile, also ist es keine Zweckehe." Jetzt spitzte ich die Ohren. War Kais und meine Ehe vielleicht wirklich nicht illegal? Ich war bis jetzt davon ausgegangen, dass sie es war, weil sie den Zweck hatte, Kais Image zu bewahren, aber anscheinend war eine Ehe nur dann juristisch betrachtet eine Zweckehe, wenn sich daraus ein finanzieller bzw. wirtschaftlicher Vorteil ergab. Ein kleines Lächeln Schlich sich auf meine Lippen und ich hatte das Gefühl, mir würde eine gigantische Last von den Schultern genommen werden. Der männliche Beamte reichte mir jetzt wieder meine Papiere und die beiden entschuldigten sich nochmal für die Unannehmlichkeiten, dann brachte ich sie zur Haustür und schloss diese erst, als das Auto mit den beiden nicht mehr zu sehen war. Erst jetzt erlaubte ich mir, wirklich aufzuatmen. Ich hatte es überstanden und das ohne, dass Kai etwas über meine Vergangenheit erfahren hatte. Beinahe hätte ich vor Erleichterung laut aufgelacht, verkniff es mir jedoch und lief in die Küche, wo Kai leicht genervt am Tisch saß und offensichtlich noch immer Julian zuhörte. Als er mich sah, wirkte er erleichtert und wimmelte Julian ab, indem er ihm sagte, dass ich jetzt da war und er dringend mit mir reden wollte. Dann legte er auf und verzog das Gesicht. "Wow, wer hätte gedacht, dass Jule so schnell und viel reden kann?" "Was wollte er denn?", erkundigte ich mich scheinheilig und Kai begann zu grinsen. "Er möchte Lena einen Heiratsantrag machen und hat tausende Ideen, von denen er eine auswählen muss. Wie bist du die Ausländerbehörde losgeworden?" "Ich hab Ihnen die Papiere gezeigt und sie haben das mit der Staatsbürgerschaft überprüft. Dann kamen sie zu dem Schluss, dass wir keine Zweckehe führen und das war's. Wir sollten das übrigens mal googeln. So wie es bei den Beamten klang, ist unsere Ehe wirklich keine Zweckehe, weil sie keinen direkten finanziellen Vorteil für einen oder beide von uns hat. Aber na ja, wir sind sie auf jeden Fall los. Hast du eine Idee, wer ihnen den Tipp gegeben haben könnte?" Angespannt wartete ich auf Kais Antwort, denn mir persönlich schwebte da schon jemand vor. Die Miene meines Mannes verdunkelte sich und er nickte. "Ich befürchte, dass es meine Mutter war. Dass sie aber auch nie Ruhe geben kann!", entfuhr es ihm frustriert und ich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. "Sie war vorhin hier. Das ist gerade mal eine Stunde oder so her." "Echt? Was wollte sie denn?" Ich seufzte leise und erzählte ihm dann von meinem Gespräch mit Claudia. Am Ende war er wütend und fassungslos und beschloss, seine Mutter sofort anzurufen, um ihr seine Meinung zu sagen. Ich ließ.ihn das machen und verkrümelte mich ins Schlafzimmer, wo ich mich aufs Bett legte und meinen Gedanken nachhing. Kai hatte die Wahrheit verdient, das wusste ich. Er gab sich so eine Mühe mit dieser Ehe und er war mir innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig wichtig geworden und ans Herz gewachsen. Aber eine kleine Stimme in meinem Kopf sagte mir immer wieder, dass wir uns kaum kannten und das alles hier nur auf Zeit war. Schon morgen könnte alles vorbei sein und dann wären wir Fremde und er würde meine Vergangenheit kennen, die ich in den letzten Jahren wie einen Schatz gehütet hatte, damit niemand etwas herausfand. War ich bereit, meine Sicherheit Vertrauen weichen zu lassen und Kai alles zu erzählen? Der verliebte Teil in mir sagte ja, aber der rationale Teil ließ mich kein Wort herausbringen. Und an diesem Abend entschied ich, dass es vorerst so okay war, wie es gerade war.

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt