Fourty-Five

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"Wie oft denn noch? Ich hab Olivia nicht gesehen. Sie stand plötzlich auf der Straße und ich hab noch gebremst, aber es war zu spät. Man hat die Bremsspuren doch gesehen! Wenn ich sie hätte umbringen wollen, hätte ich ja wohl nicht gebremst", sagte ich verzweifelt zum gefühlt hundertsten Mal, "Wieso sollte ich sie überhaupt umbringen wollen? Wir kennen uns praktisch nicht." "Olivia Franke hat ausgesagt, dass sie die Exfreundin Ihres Mannes ist und Sie eifersüchtig darauf sind, dass Herr Havertz sich immer noch so gut mit seiner Exfreundin versteht." "Das ist Schwachsinn", entgegnete ich sofort, "Erstens gibt es keinen Grund für mich, eifersüchtig zu sein, weil Kai mich geheiratet hat und nicht sie und zweitens verstehen die beiden sich nicht mehr besonders gut, weil Olivia ihn betrogen hat, was überhaupt erst zu ihrer Trennung geführt hat." "Nun ja, wir werden das prüfen, aber momentan sind Sie dringend tatverdächtig." "Und was bedeutet das jetzt?", erkundigte ich mich unsicher, denn mir schwante schlimmes. "Aus unseren Akten geht hervor, dass Sie eine Freiheitsstrafe abgesessen haben und im Anschluss an ihre Bewährungszeit direkt nach Amerika ausgewandert sind. Es besteht also ein begründeter Verdacht auf Fluchtgefahr, weshalb wir sie 24 Stunden in Gewahrsam behalten werden." "Was? Das kann nicht ihr Ernst sein! Meine Bewährung war durch, als ich nach Amerika gegangen bin!" "Bitte beruhigen Sie sich, Frau Havertz. Es ist nur für eine Nacht und zu Frau Frankes Sicherheit." "Nicht zu fassen. Das ist einfach unfassbar", murmelte ich wütend, aber mir war klar, dass es nichts brachte, sich weiter aufzuregen. Ich würde diese Nacht durchstehen und dann wieder nach Hause gehen, denn ich war unschuldig und zu diesem Schluss würden die Beamten mit Sicherheit auch kommen. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, als ich daran dachte, in Gefangenschaft schlafen zu müssen, denn es erinnerte mich unangenehm ans Gefängnis. Aber da musste ich jetzt wohl durch.

Mein Blick glitt unruhig zur Uhr, dann sprang der Minutenzeiger endlich um und ich stand auf. "24 Stunden sind um, also werde ich jetzt gehen und hoffe, dass Sie meine Unschuld aufklären werden." "Natürlich. Soll Sie ein Kollege nach Hause fahren?" "Nein danke, mein Mann holt mich ab", entgegnete ich kühl und verließ erhobenen Hauptes das Polizeirevier. Fünf Sekunden später beugte ich mich über einen Busch, um mich zu übergeben. Zitternd würgte ich die wenige Nahrung, die ich in den letzten 24 Stunden zu mir genommen hatte hoch und spuckte nochmal hinterher, dann richtete ich mich wieder auf und wischte mir über den Mund. Verdammt, ich hatte mir doch vorgenommen, die Nacht in Gefangenschaft nicht so an mich ranzulassen. Seufzend zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und stellte fest, dass Kai mir eine Nachricht geschrieben hatte.

K: Bin bei Olivia im Krankenhaus. Melde dich, wenn du bei der Polizei abgeholt werden musst.

Fassungslos starrte ich auf meinen Handybildschirm und überlegte, ob ich jetzt lachen oder weinen sollte. Er war bei Olivia? War das sein Ernst? Genervt sperrte ich mein Handy wieder und beschloss, ebenfalls ins Krankenhaus zu fahren. Also rief ich mir ein Taxi, das mich dorthin fuhr und während der Fahrt versuchte ich mich zu beruhigen, um gleich vor Kai und seiner Exfreundin keine Szene zu machen. Als wir das Krankenhaus erreichten, musste ich mehrere Male tief durchatmen, denn es erinnerte mich an meinen Vater und unser erstes Treffen. Deprimiert betrat ich das große, graue Gebäude und behauptete bei der Anmeldung, Olivias Cousine zu sein, damit man mir sagte, wo ihr Zimmer war. Gleichzeitig fragte ich mich, was Kai wohl angegeben hatte, um zu ihr zu dürfen. Hatte er behauptet, mit ihr verlobt zu sein? Oder hatte er sich ebenfalls als Verwandter ausgegeben? Völlig in Gedanken versunken, verpasste ich beinahe das Ankommen des Fahrstuhls im dritten Stock und stieg schnell aus, bevor sich die Türen wieder schließen konnten. Olivias Zimmer war direkt am Anfang des Ganges und gerade, als ich meine Hand anhob, um zu klopfen, hörte ich Gelächter aus dem Raum und dieses Lachen würde ich überall wiedererkennen! Das war Kai, der da herzlich lachte und sofort hatte ich das Gefühl, jemand würde mir mit einem Messer in die Brust stechen und es herumdrehen. Für einen kurzen Moment spielte ich mit dem Gedanken, einfach umzudrehen und zu verschwinden, aber der eifersüchtige Teil in mir wollte Kai und Olivia auf keinen Fall allein zusammen sein lassen, also atmete ich tief durch und klopfte an. "Herein!", erklang ihre Stimme und ich betrat den Raum. Olivia saß aufrecht im Bett und Kai auf einem Stuhl daneben, beide schauten mich überrascht an. "Lilli, was machst du denn hier? Ich hatte dir doch angeboten, dich abzuholen", fragte Kai verwirrt und ich setzte ein Lächeln auf. "Ich wollte unbedingt nach Olivia schauen und nachsehen, wie es ihr geht. Und wir können ja dann einfach von hier aus zusammen nach Hause fahren." Langsam nickte Kai und ich wandte mich seiner Exfreundin zu. "Es ist schön zu sehen, dass es dir offensichtlich schon besser geht, Olivia. Wann wirst du denn entlassen?" "Wenn es keine Komplikationen gibt, morgen", antwortete sie mit einer ebenso aufgesetzten Freundlichkeit wie ich. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kai unruhig mit seinen Händen spielte, weil er sich ganz offensichtlich unwohl fühlte, mit uns beiden im Raum zu sein, da die Spannung zwischen uns beinahe greifbar war. "Das freut mich für dich. Vielleicht kann ich dich zur Entschädigung mal bei uns zu Hause zum Essen einladen? Dass Kai hervorragend kocht, hast du ja bestimmt noch nicht vergessen." Mit Genugtuung stellte ich fest, dass Olivia bei diesen Worten um ihre zuckersüße Fassade kämpfte und eigentlich gerne das Gesicht verzogen hätte, als ob sie auf eine Zitrone gebissen hätte. "Danke für die Einladung, aber leider hab ich im Moment sehr viel Stress in der Ausbildung und durch die Tage im Krankenhaus habe ich jetzt natürlich auch noch einiges nachzuholen." "Schade, aber das kann ich natürlich verstehen. Wir möchten dich jetzt natürlich auch nicht weiter vom gesund werden abhalten, oder Kai?" "Ähm, nein, natürlich nicht." Er stand auf und kratzte sich verlegen an der Schläfe, während ich lässig meine Haare über meine Schultern warf und Olivia ein letztes und dieses Mal aufrichtiges Lächeln schenkte. "Mach's gut Olivia. Ich hoffe, die Umstände des Unfalls werden sich noch aufklären und keinen unnötigen Rechtsstreit nach sich ziehen." Die Brünette nickte bloß und streckte die Arme in Kais Richtung aus. Er fühlte sich ganz offensichtlich sehr unwohl dabei, sie in meiner Anwesenheit zu umarmen, tat es dann aber doch und löste sich schnell wieder von Olivia, als sie ansetzte, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Zufrieden drehte ich mich um und öffnete die Zimmertür. Kai war mein Ehemann und Olivia war Vergangenheit. Das musste sie endlich begreifen, sonst würde ich wirklich die Klauen ausfahren.


Na, wie gefällt euch Badass-Lilli, die sich ihren Mann nicht so einfach ausspannen lässt? Ich persönlich feiere sie.

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt