Thirty-Nine

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"Hallo Lea, komm rein." Lächelnd ließ ich Kais Schwester an mir vorbeilaufen und umarmte sie kurz, dann schloss ich die Haustür hinter uns. "Bin ich die Letzte?", erkundigte Lea sich und ich nickte. "Ja, die anderen sind im Wohnzimmer." Gemeinsam liefen wir in besagten Raum und Lea begrüßte ihre Eltern und ihre Brüder, bevor sie sich neben Jan setzte und Kai und mich erwartungsvoll ansah. "Also, was verschafft uns die Ehre dieses Familientreffens?" Kai seufzte leise. "Wir möchten gerne einige Dinge aufklären, die in dieser Familie zu Streit geführt haben. Mama, Papa, bei euch möchten wir uns besonders entschuldigen, weil wir euch angelogen haben. Wir dachten, wir hätten etwas Illegales getan und wollten euch nicht mit reinziehen." Überrascht sah Claudia uns an. "Bedeutet das, dass Jan und Lea Bescheid wussten?" "Ja. Aber jetzt möchten wir auch euch gerne erzählen, wie es zu unserer spontanen Hochzeit gekommen ist. Lilli und ich haben uns erst am Tag unserer Hochzeit kennengelernt. Eigentlich wollte ich mit Olivia in den Urlaub dorthin fliegen, um ihr einen Heiratsantrag zu machen, aber dann hab ich rausgefunden, dass sie mich betrogen hat und bin alleine losgeflogen. Lilli und ich haben uns in einer Bar kennengelernt, wir waren beide gerade sehr frustriert und haben deshalb deutlich zu viel getrunken. Na ja, und irgendwann hab ich ihr den Verlobungsring gezeigt und wir hatten im wahrsten Sinne des Wortes die Schnapsidee zu heiraten. Da wir ja bereits in Las Vegas waren, wo es bekanntermaßen schnell geht mit dem Heiraten, haben wir das direkt getan und erst am nächsten Morgen herausgefunden, dass wir dabei fotografiert wurden und die Bilder längst bei der deutschen Presse gelandet waren. Peter kam dann auf die Idee, dass wir so tun sollten, als ob wir schon länger zusammen wären, damit mein Image keinen Schaden nimmt, weil herauskommt, dass ich im Vollsuff eine Wildfremde geheiratet habe. Wir dachten, das sei eine Zweckehe, aber es ist lediglich eine Scheinehe und die ist nicht illegal." Kai verstummte und ich sah unsicher zu seinen Eltern, die beide total überrascht wirkten. "Ich hab gedacht, sie hätte dich wegen deines Geldes oder sonstwas ausgenutzt", murmelte Claudia und Kai nickte. "Ich weiß und du hast ihr einige Dinge an den Kopf geworfen, die absolut nicht fair waren. Deshalb möchte ich, dass du dich bei Lilli entschuldigst." "Aber sie war im Gefängnis!", feuerte sie sofort dagegen, woraufhin mich alle bis auf Kai schockiert ansahen. "Du warst was?", fragte Lea entsetzt und ich schluckte, bevor ich mich räusperte und nickte. "Es stimmt, ich war vor einigen Jahren für ein paar Monate im Gefängnis. Aber ich hab meine Strafe abgesessen und bin auch in der Bewährungszeit nicht auffällig geworden. Dann ist meine Mutter gestorben und ich bin nach Amerika gegangen." "Aber wieso warst du überhaupt im Gefängnis?", erkundigte Jan sich misstrauisch und ich knetete unsicher meine Hände. Kai bemerkte mein Unbehagen und griff nach meiner Hand, um unsere Finger miteinander zu verschränken und mir so ohne Worte Mut zuzusprechen. "Meine Mutter war drogenabhängig und ich wurde von der Polizei geschnappt, als ich gerade eine ganze Menge Alkohol und Kokain für sie im Rucksack hatte. Ich konnte und wollte sie nicht verraten, also musste ich ins Gefängnis. Aber ich habe niemals selbst etwas davon genommen, das schwöre ich." Für einige Sekunden herrschte Totenstille im Raum, dann räusperte Ralf sich. "Also, das ist schon ein ziemlicher Hammer, dass ihr uns das nicht erzählt habt. Aber ich kann verstehen, dass ihr uns nicht in irgendwas Illegales mit reinziehen wolltet und offensichtlich scheint ihr euch ja sehr gut zu verstehen, also spricht auch nichts dagegen, das Schauspiel weiter aufrechtzuerhalten." Ich war überrascht, wie locker er damit umging und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. "Danke. Claudia, was ist mit dir?", fragte ich vorsichtig und Kais Mutter seufzte, bevor sie leicht nickte und mich verlegen ansah. "Ich muss mich wohl wirklich bei dir entschuldigen. Ich hab ein paar unschöne Dinge zu dir gesagt, die Ausländerbehörde zu euch geschickt und mich nicht wie eine ordentliche Schwiegermutter verhalten. Es tut mir wirklich Leid, Lilli und ich hoffe, wir können nochmal von vorne anfangen." Ich lächelte. "Wir hätten dich früher einweihen können und ich hätte aus meiner Vergangenheit nicht so ein Geheimnis machen müssen. Mir tut es auch Leid und ich würde mich freuen, wenn wir nochmal von vorne anfangen könnten." Jetzt lächelte auch Claudia. "Dann würde ich sagen: Herzlich Willkommen in der Familie Havertz!"

Energisch klopfte ich gegen die Badezimmertür. "Kai, jetzt leg mal einen Zahn zu! Ich muss auch nochmal ins Bad!" "Du kannst reinkommen, ich bin angezogen, versprochen", antwortete Kai durch die Tür hindurch und ich war mir zu 100% sicher, dass er bei diesen Worten breit grinste. Kopfschüttelnd, aber schmunzelnd betrat ich das Badezimmer, in dem mein Ehemann vor dem Spiegel stand und seine Haare richtete. Stumm stellte ich mich neben ihn und trug ein wenig Wimperntusche und Lippenstift auf, dann sah ich ihn fragend an. "Wie seh ich aus?" Kai musterte mich einmal von oben bis unten, dann nickte er anerkennend. "Wunderschön, wie immer." Ich errötete leicht und überspielte die Freude über dieses Kompliment, indem ich den Dunkelhaarigen spielerisch gegen den Arm boxte. "Schleimer!" "Für dich immer", entgegnete er frech und wich gerade noch rechtzeitig aus, um einem weiteren Schlag von mir zu entgehen, woraufhin ich zu lachen begann. "Ey, Gewalt in der Ehe ist ein ernstes Thema!", rief er gespielt empört, dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. "Im Übrigen sollten wir jetzt echt mal dringend los. Jule und Lena haben ihre Verlobungsparty wegen unserem Streit eh schon nach hinten verschoben, dann sollten wir jetzt nicht auch noch zu spät kommen." "Da stimme ich dir ausnahmsweise mal zu", sagte ich grinsend und überprüfte ein letztes Mal meine zu einem Wasserfallzopf geflochtenen Haare, die ich unten gelockt hatte. Als ich mich davon überzeugt hatte, dass ich wirklich gut aussah, verließ ich gemeinsam mit Kai das Badezimmer und wir fuhren zu der Location, die Julian und Lena für heute Abend gebucht hatten. Es war eine alte Scheune, die man vor wenigen Jahren saniert hatte und die heute Abend mit haufenweise Lichterketten geschmückt war. Neben dem Eingang stand auf einem Holzgestell ein großes Foto von den glücklich Verlobten, damit auch wirklich jeder wusste, um wen es heute Abend ging. Da ich nicht wusste, ob man zu einer Verlobungsparty ein Geschenk mitbrachte, hatte ich sicherheitshalber eine schöne Karte geschrieben und eine Flasche wirklich teuren Champagner gekauft, dem ich aus einer weißen Serviette ein Hochzeitskleid gebastelt hatte. Es sah sogar besser aus, als ich befürchtet hatte und Kai meinte, dass das allemal als Geschenk reichen würde. Sobald Kai geparkt hatte, stiegen wir aus und liefen zum Eingang der Scheune, wo wir zwei Personen begegneten, die ich bisher nur aus den Medien kannte. Kai lief auf den dunkelblonden Mann zu und begrüßte ihn mit einer freundschaftlichen Umarmung, dann schüttelte er dessen weiblicher Begleitung höflich die Hand. "Hey Reus, schön dich zu sehen." "Gleichfalls Havertz." Kai griff nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, was mich zum Lächeln brachte. "Das ist meine Frau Lilli." Marco schüttelte mir grinsend die Hand. "Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Marco und das ist Scarlett." Die hübsche Blondine begrüßte mich ebenfalls, dann betraten wir alle gemeinsam die Scheune und mir klappte die Kinnlade nach unten. "Wow. Lena hat sich wirklich selbst übertroffen mit dieser Deko." Es war wunderschön. Überall hingen Lichterketten, es gab ein Buffett an der gegenüberliegenden kurzen Seite, im Hintergrund lief fröhliche Musik und in der Mitte der Scheune waren bereits einige Menschen am Tanzen. Es dauerte einige Zeit, bis ich Julian in der Menge ausfindig machen konnte, dann lief ich lächelnd zu ihm und zog Kai hinter mir her. "Julian! Meine Güte, das ist ja wirklich der Hammer hier!", rief ich begeistert, woraufhin der Blonde nickte. "Oh ja, man merkt wirklich, wie viel Arbeit Lena in jedes kleine Detail gesteckt hat. Übrigens schön, dass ihr da seid." "Wir freuen uns auch. Wo können wir denn unser Geschenk loswerden?" "Da drüben gibt es einen Tisch dafür. Und dann bedient euch einfach am Essen und den Getränken. Irgendwann nachher wollte Lena noch ne kleine Rede halten, aber das kriegt ihr dann schon mit." Mit diesen Worten verschwand der Blonde wieder und nachdem wir unser Geschenk abgelegt und etwas gegessen hatten, beschlossen Kai und ich tanzen zu gehen. Sobald wir die Tanzfläche betreten hatten, wechselte das Lied zu Shallow von Lady Gaga und Bradley Cooper und Kai griff so sanft nach meinen Händen, um mich an sich zu ziehen, dass es mir eine Gänsehaut bescherte. Eng aneinander gelehnt bewegten wir uns zu den sanften Gitarrenklängen und ich legte meinen Kopf in Kais Halsbeuge, wo sein vertrauter Geruch mir sofort ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Ich genoss die Nähe zu Kai und das Geräusch seines pochenden Herzens, das ich in seiner Brust hören konnte. Sobald der Refrain einsetzte, wirbelte Kai mich sanft herum, woraufhin mein Lächeln schnell zu einem stummen Lachen wurde. Kais Gesichtsausdruck spiegelte meinen und ich konnte mir in diesem Moment keinen schöneren Ort auf der Welt vorstellen, als hier an Kais Seite.

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt