Fourty-Seven

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"Was meinst du?" Fragend sah Lena mich an, während sie sich im Kreis drehte, sodass der lockere Stoff des Kleides um sie herum schwang. "Es ist wunderschön. Du bist wunderschön. Julian wird sich nicht auf sein Ehegelübde konzentrieren können, wenn du vor ihm stehst", antwortete ich mit Tränen der Rührung in den Augen, denn dieses Brautkleid passte wirklich perfekt zu Lena und sie war einfach eine wunderhübsche Braut. "Du hast Recht, es ist unglaublich. Mama?" Fragend sah Lena ihre Mutter an, die bereits in ein Taschentuch schnäuzte und sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. "Du bist die schönste Braut, die ich je gesehen habe, mein Schatz." Jetzt musste auch Lena weinen, dann schaute sie die Verkäuferin an. "Dann ist es entschieden. Ich nehme das Kleid." "Das freut mich. Und Ihre Begleiterinnen haben Recht, Sie sehen fantastisch aus." "Dankeschön." Lächelnd folgte Lena der Verkäuferin in die Umkleide, um sich wieder ihre normalen Sachen anzuziehen, dann verließ ich gemeinsam mit ihr und ihrer Mutter das Brautmodengeschäft. Ihre Freundin, die eigentlich auch dabei sein wollte, war leider krank geworden, aber auch ohne sie hatte Lena ein Kleid gefunden, das perfekt zu ihr passte. "So mein Schatz, ich muss jetzt leider los, damit ich nicht zu spät zu meinem Arzttermin komme", sagte Susanne, wie Lenas Mutter sich mir vorgestellt hatte. Lena nickte verständnisvoll. "Klar, ich weiß. Danke, dass du dabei warst, Mama." Während ich die beiden dabei beobachtete, wie sie sich umarmten, wurde ich wehmütig. Solche Momente hatte ich mit meiner eigenen Mutter nicht wirklich gehabt und die wenigen, die es gegeben hatte, lagen weit in der Vergangenheit. Schnell konzentrierte ich mich wieder auf die Gegenwart, als Susanne sich von mir verabschiedete, dann sah Lena mich fragend an. "Was hältst du davon, wenn wir noch zusammen was trinken gehen? Hier in der Nähe gibt es bestimmt ein schönes Café." Wissend sah ich sie an. "Du möchtest wissen, wieso Kai und ich Streit hatten, oder?" Ertappt sah Lena mich an und nickte. "Okay, erwischt. Aber es kann wirklich helfen, mit jemandem zu reden. Das muss ja nicht ich sein, ich wollte es nur anbieten." Lächelnd nickte ich. "Danke, ich weiß das Angebot zu schätzen. Aber ich erlebe gerade, wie sehr meine Vergangenheit Kai beeinflusst und ich möchte nicht noch jemanden mit meiner Geschichte vergraulen." "Das kann ich verstehen, Lilli, aber es immer nur in sich reinzufressen ist auch nicht gut. Und weißt du, wen du 100%ig nicht vergraulen wirst, wenn du ihm etwas erzählst? Julian. Glaub mir, er ist der unvoreingenommenste Mensch, den ich kenne. Als ich ihn kennengelernt habe, hab ich gerade eine ziemlich schwere Phase durchgemacht, weil meine Eltern sich getrennt haben, mein Studium nicht gut lief und einfach alles um mich herum auf mich einzustürzen schien. Ich hab viel Alkohol getrunken, wurde beinahe exmatrikuliert und hab so manche Freundschaft zerstört, weil ich mich wie das letzte Arschloch benommen habe. Julian hab ich kennengelernt, weil ich ihn für einen Macho gehalten habe, als er mich in einem Club angesprochen hat, ob ich darüber reden möchte, was mich so fertig macht. Er hat es mir einfach angesehen und so geht es ihm bei jedem. Er sieht einen Menschen und hat eine Art Metalldetektor für Probleme. Als er mich in diesem Club angesprochen hat, hab ich gedacht, er sei ein Macho, der glaubt, er hätte sich einen tollen Anmachspruch überlegt. Also hab ich ihn beleidigt und ihm mein Getränk ins Gesicht geschüttet. Er hat einfach nur gelacht und mir seine Handynummer auf einen Zettel geschrieben. Den hat er mir gegeben und gesagt, dass ich anrufen soll, wenn ich begriffen habe, dass er kein Macho, sondern einfach nur hilfsbereit ist. Es hat vier Tage gedauert, dann hab ich ihn angerufen und gefragt, ob sein Angebot zu reden noch steht. Er hat ja gesagt, wir haben uns getroffen und ich habe herausgefunden, was für ein toller Mensch er ist. Es war ihm völlig egal, wie ich mich bei unserem ersten Treffen verhalten habe. Er wollte mir einfach nur ein Ohr zum Zuhören und eine Schulter zum Anlehnen anbieten und das auch in den Jahren danach noch. Vor einem knappen Jahr hat er mich dabei erwischt, wie ich mir Ritalin im Internet besorgt habe, um meine Leistungsfähigkeit zu steigern. Ich bin im Studium einfach untergegangen und das schien mir die einzige Lösung zu sein. Julian hat mich davon überzeugt, mir eine Auszeit zu nehmen, mich neu zu sortieren und mir neu vor Augen zu führen, wieso ich dieses Studium mache. Wir haben gemeinsam die letzten Tabletten, die ich noch hatte, im Klo runtergespült und er hat danach einfach nur gesagt, dass wir das vergessen und in die Zukunft schauen werden. Und genau dafür liebe ich Julian. Er urteilt nie. Er ist einfach nur da und hört zu, gibt Rat und schweigt wie ein Grab, wenn man ihn darum bittet." Lena beendete ihren Monolog und ich seufzte leise, bevor ich schwach nickte. "Okay, ich rede mit Julian." Stolz lächelte Lena mich an. "Das ist eine gute Entscheidung. Komm, lass uns zu mir nach Hause fahren. Soweit ich weiß, hat er gerade keinen Termin und ist da." "Du meinst, ich soll jetzt mit ihm reden?", fragte ich überrascht und Lena nickte. "Ja, auf jeden Fall. Keine Sorge, ich werde in der Zeit spazieren gehen, dann seid ihr ungestört." Bevor ich etwas sagen konnte, hatte sie meine Hand genommen und zog mich hinter sich her zum Parkhaus.


"Hallo Schatz, ich bin zu Hause!", rief Lena fröhlich ins Haus und sofort kam die Antwort. "Ich bin im Wohnzimmer!" Schnell zogen wir unsere Schuhe aus und liefen in besagten Raum, wo wir überrascht von dem blonden Mittelfeldspieler angeschaut wurden. "Du hast Besuch mitgebracht. Hey Lilli, schön dich zu sehen." "Ich freu mich auch", entgegnete ich unsicher. Fragend sah Julian seine Verlobte an. "Und, hast du ein Kleid gefunden?" "Ja und es ist absolut perfekt. Du wirst es auch lieben, versprochen." "Daran hab ich keinen Zweifel", erwiderte Julian schmunzelnd, bevor sich seine Miene wieder zu einer fragenden verzog, "Wolltet ihr jetzt hier irgendwie Tee trinken oder sowas? Ich kann auch hoch gehen, wenn ihr allein sein wollt." Sofort schüttelte Lena den Kopf. "Nein, eigentlich hab ich Lilli mitgebracht, damit sie mit dir redet. Sie braucht jemanden, der ihr zuhört und sie nicht verurteilt und wenn nicht du, wer dann?" "Oh okay, ja, natürlich. Ähm, möchtest du einen Tee, Lilli?" "Ja, gerne", antwortete ich nickend, während Lena zu ihrem Freund ging und ihn kurz, aber sanft küsste. "Ich geh eine Runde spazieren, lasst euch Zeit." "Okay, aber überanstreng dich nicht", entgegnete Julian besorgt, woraufhin seine Verlobte die Augen verdrehte. "Schatz, du weißt doch, was die schwangeren Frauen in den Filmen immer sagen, was ich so nervig finde, oder?" "Dass sie schwanger sind und nicht krank." "Genau. Du weißt, dass ich es ätzend finde, dass dieser Satz in so ziemlich jedem Buch oder Film fällt, aber offensichtlich kapieren es Männer sonst nicht. Also hier nochmal extra für dich: Ich bin schwanger und nicht krank, also hör auf dir Sorgen zu machen. Bis nachher." Erneut küsste sie ihn, dann lächelte sie mir nochmal ermutigend zu und wenige Sekunden später hörte ich das zuschlagen der Haustür. Schmunzelnd schüttelte Julian den Kopf. "Die Frau macht mich fertig. Aber ich liebe sie, also muss ich damit fertig werden. Was für einen Tee möchtest du denn?" Wenige Minuten später saßen wir jeder mit einer Tasse Tee in der Hand auf dem Sofa und ich kaute unsicher auf meiner Lippe herum. Julian musterte mich mit schiefgelegtem Kopf. "Ich bin nicht besonders gut im Raten, also müsstest du von dir aus erzählen, worum es geht", sagte er sanft und ich seufzte leise, bevor ich den Blick von meiner Tasse hob und den Blonden direkt ansah. "Ich war im Gefängnis."


So, jetzt kennen wir auch die Geschichte, wie Julian und Lena sich kennengelernt haben. Hach, ich liebe die beiden😍

Let's get married!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt