Nein. Nein. Das war eine Lüge. Bucky hatte sich nicht aufgelöst. Das durfte er nicht. Er war irgendwo anders. Es ging ihm gut. Steve log mich an. Er wusste nicht, von was er da sprach. Alles eine Lüge. Ich fühlte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Meine Atmung wurde schneller. Ich hatte in meiner Panik nicht einmal mitbekommen, dass Steve vor mir stand.
"Lilly." Er legte seine Hand auf meine Schulter, aber ich schlug sie weg.
"Fass mich nicht an!", schrie ich. Meine Emotionen übermannten mich jetzt komplett. Eine Mischung aus Wut, Trauer und Verrat kochte in mir. Alle Hemmungen waren vergessen.
"Diese ganze Scheiße ist deine Schuld! Hättest du ihn damals nicht zurück gelassen wäre das alles anders geworden! Nur weil DU der Meinung warst, dass DEIN 'bester Freund' auch allein zurecht kommt! Kein einziges Mal hast du dich gemeldet und jetzt ist er weg!" Die Worte sprudelten einfach so aus mir heraus. Der ganze Frust, der sich über die letzten Jahre hinweg angestaut hatte. Alles kam auf einmal heraus. Tränen vernebelten mir die Sicht. Mein ganzer Körper brannte förmlich.
"Ich wollte doch nur eine Zukunft haben!" Schluchzend sank ich auf meine Knie und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich zitterte stark. Alle anderen waren ruhig. Es waren nur die trauernden Rufe der verbleibenden Kämpfer in der Ferne zu hören. Warum hatte es nicht mich auch erwischen können? Dann wäre alles einfacher gewesen. Ich hatte keine Lust mehr. Zwei Jahre lang hatte ich alles, für das ich je gearbeitet hatte, aufgegeben. Und für was? Es war alles umsonst gewesen. Ich hatte meine Familie verlassen, jegliche Kontakte abgebrochen, nur um für jemanden da zu sein, der jetzt nicht mehr unter uns war. Ich hatte nichts mehr. Gar nichts. Ich würde auf keinen Fall zurück auf die Farm gehen. Zu viele Erinnerungen. Und mit den anderen mitkommen? Nein. Das würde ich auf Dauer nicht aushalten. Und so wie ich mein Glück kannte war der Rest meiner Familie genauso verschwunden. Ich war allein. Und zwar komplett.Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich halbwegs beruhigt hatte. Nat machte mir das Angebot, dass ich mit ihnen zurück zur Basis fliegen konnte, aber sie mich ab dort nicht mehr von ihnen aus kontaktieren würden. Ich nahm das Angebot an. Dadurch sollte ich eine Chance auf einen Neuanfang haben. Dafür war ich mehr als dankbar. Okoye versprach mir noch, dass sich jemand um unsere Ziegen kümmern würde. Dann machten wir uns auch schon auf den Weg. Keiner wollte einen Moment länger auf dem Schlachtfeld bleiben, als nötig war. Im Jet war die Stimmung angespannt. Thor schien sich selbst die Schuld zu geben, Rocket, der Waschbär, saß allein in einer Ecke. Nat saß mit Bruce beisammen, Rhodey hatte sich zu ihnen gesellt. Steve war allein vorne im Cockpit. Der Flug dauerte lang. Ich fühlte mich einfach nur ausgelaugt. Meine Augen waren immer noch geschwollen und ich fühlte mich einfach elend.
Irgendwann musste ich dann eingeschlafen sein, denn das nächste, an das ich mich erinnerte war, dass wir irgendwo landeten. Ich hatte wohl den ganzen Flug verschlafen. Sollte mir auch recht sein. Ich rappelte mich auf und strich mir meine Haare zurück. Ich brauchte jetzt dringend eine Dusche. Und was Neues zum Anziehen. Und ein Bett. Am Besten auch noch Ruhe. Aber nichts davon würde die Leere in mir füllen können. Nichts.
Es stiegen alle aus dem Jet aus. Thor als Erstes. Er wirkte immer noch wütend. Das hatte sich wohl nicht gebessert. Was solls. Ich folgte den anderen. Plötzlich überkam mich ein Schwall aus extremer Übelkeit. Ohne Rücksicht auf die anderen rannte ich zur nächsten Toilette, die sich zum Glück in der Nähe befand. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es dorthin, bevor ich mich übergab. Woher kam diese Übelkeit? War es der ganze Stress? Aber der war vorhin doch noch schlimmer. Am Essen konnte es auch nicht liegen, ich hatte nichts Verdorbenes gegessen. Was sollte das? Ich hörte, wie sich die Tür zur Toilette öffnete.
"Lilly? Alles in Ordnung?" Es war Natasha. Sie kniete sich neben mich und rieb sanft meinen Rücken. Ich schüttelte den Kopf.
"Nichts ist okay. Ich hab keinen Ort, wo ich hinkann, wir haben verloren und jetzt kotz ich auch noch." Da kamen wieder die Tränen. Ich war echt ein emotionales Wrack. Und langsam aber sicher wurde mir klar, woher die Übelkeit gekommen war. Und das machte nichts besser. Ich sagte aber nichts diesbezüglich zu Nat. Das ging die anderen vorerst nichts an.
"Wir finden einen Ort, an dem du bleiben kannst, versprochen. Und bis wir etwas haben kannst du in einer der Wohnungen hier bleiben", versprach sie mir. Ich nickte, sagte jedoch nichts mehr.
Nachdem ich mir den Mund ausgespült hatte bekam ich direkt eine der Wohnungen zugeteilt. Immerhin musste ich mir dadurch nicht die Küche und das Bad mit den anderen teilen, so wie zuvor. Tony hatte wohl an alles gedacht.Drei Wochen verbrachte ich dort, bevor ich ein Haus fand. Tony war in der Zwischenzeit immer noch nicht zurückgekommen. Das Haus war in Pennsylvania und lag etwas abseits in der Nähe eines kleinen Sees. Dort lebte ich von da an. Irgendwann hatte ich in den Nachrichten mitbekommen, dass Tony wieder zu Hause war. Die anderen hielten auch ihr Versprechen ein und kontaktierten mich nicht. Ich fand einen neuen Job als Verkäuferin in einem der lokalen Läden, integrierte mich in die Gemeinde und lebte ein relativ normales Leben. Nur versuchte ich es nicht, eine neue Beziehung zu finden. Ich brachte es einfach nicht übers Herz und ehrlich gesagt hatte ich auch kein Interesse daran. Dafür waren die Erinnerungen an Bucky zu schmerzhaft.
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A Story of Winter and Water (Bucky FF)
Fanfiction{Abgeschlossen} Lilly ist Ärztin. Nach außen hin wirkt sie ganz normal, vielleicht etwas schüchtern, aber das stimmt nicht. Sie birgt ein Geheimnis, an dem sie nur ihre engsten Freunde teilhaben lässt. Doch nachdem sie zur Einsatzärztin der Avengers...