Am nächsten Morgen war ich früh wach. Das Notizbuch lag offen auf meinem Nachttisch. Ich hatte mich am Abend noch dazu entschlossen, es als eine Art Tagebuch zu verwenden, aber es war auch eine Gedankenstütze, damit ich die Bräuche und Regeln nicht vergaß, und zur Dokumentation von Buckys Heilungsprozess. So gesehen war es ein Buch für alles. Ein paar Gedanken standen schon drinnen, aber sie zeigten nur meine momentane Gefühlswelt. Bucky würde heute aufgetaut werden. Ich war wirklich aufgeregt. Es war so ähnlich wie bei meinem Bewerbungsgespräch, aber nicht ganz. Jetzt war es positiver. Ich freute mich mehr, als dass ich mir große Sorgen machte. Meine Bedenken hatte ich trotzdem noch. Wahrscheinlich würde aber auch sie mit der Zeit verschwinden, wenn sie sich nicht als wahr herausstellten.
Ich machte mich für den Tag fertig, klappte das kleine Buch zu und steckte es zu meinen anderen Lernutensilien in meine Tasche. Ich wollte vor dem Unterricht nochmal einen kleinen Abstecher zu dem Labor machen, wo Bucky war und etwas mit den Ärzten sprechen.
Die Gänge waren noch ziemlich leer, als ich mein Zimmer verließ. Kein Wunder, die Sonne war noch nicht einmal richtig aufgegangen. Es war schon fast gruselig, so allein zum Labor zu laufen, gleichzeitig hatte es aber auch etwas beruhigendes. Vielleicht war es das sanfte Licht der Sonne, das durch die großen Fenster herein strömte. Im Labor sah es ganz anders aus. Alles lief auf Hochtouren, Ärzte liefen in ihren weißen Anzügen herum und überprüften alle Geräte und Hilfsmittel. Aber es war nicht unorganisiert. Man konnte das Treiben schon fast als hypnotisch bezeichnen, zumindest für mich. Aber anstatt mit den Leuten dort zu sprechen beobachtete ich sie noch ein wenig, bevor ich zurück ging. Ich wollte den Fluss wirklich nicht stören.
Mittlerweile war es schon etwas reger im Palast geworden. Bedienstete gingen ihren Arbeiten nach, genauso die Wachen, die zur Sicherheit an einigen Stellen positioniert waren. Am Anfang war das noch wirklich eigenartig gewesen, aber über diese kurze Zeit hinweg hatte ich mich daran gewöhnt, überall Soldaten zu sehen, manchmal auch die Dora Milaje, die königliche Leibwache. Ich hatte zwar nicht viel mit ihnen zu tun, aber es waren wirklich beeindruckende Frauen. Aviwe hatte sie einmal kurz erwähnt, aber wie gesagt, recht viel wusste ich über sie nicht.
Der Unterricht bestand wieder darin, mich mit den wichtigsten Bräuchen und Sitten vertraut zu machen. Die Notizen schrieb ich direkt in mein neues Tagebuch, damit ich alles Wichtige beisammen hatte. Soweit klang auch alles ganz simpel. Natürlich gab es so einige Dinge zu beachten, aber Erstens würden sie ohnehin nicht so streng mit uns sein, da wir ja neu waren und Zweitens war der Großteil wirklich nicht kompliziert. Endlich hatte ich mal ein gutes Gefühl bei etwas. Oft kam das ja nicht vor. Shuris drastische Maßnahmen zeigten jetzt schon ihr Ergebnis, was so gesehen ja nichts Schlechtes war. Wie sie es gemacht hatte fand ich trotzdem noch immer echt nicht nett. Aber was solls, es spielte nun wirklich keine Rolle mehr.
Der Vormittag verging schnell und genauso schnell stieg auch meine Aufregung an. Der Moment der Wahrheit kam immer näher, ein Zurück gab es nicht mehr. Nach dem Mittagessen wurde ich von einem Arzt abgeholt, der die Impfungen durchführen würde. Ich war echt froh, dass das eine Voraussetzung war. Ohne wäre mir nicht ganz so gut bei der Sache. Bei Steve wäre das was anderes gewesen, das Super Serum verhinderte grundsätzlich, dass er krank wurde, ich war aber (abgesehen vom X-/Mutanten-Gen) ein normaler Mensch, also konnte sehr wohl irgendetwas passieren, und das Risiko wollte ich nun wirklich nicht eingehen. Die Impfungen gingen ziemlich rasch, etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Jetzt hieß es nur noch abwarten und darauf hoffen, dass alles nach Plan funktionierte. Sollte etwas schief gehen könnte ich mir das selbst nicht verzeihen, nicht nach dem Versprechen, das ich gegeben hatte.
Ich begab mich zu den anderen Ärzten ins Labor, sie gaben mir direkt handschuhe und einen frischen Kittel. Hygienemaßnahmen, natürlich. Niemand konnte so genau sagen, wie geschwächt Bucky sein würde, deshalb war es zumindest für den Anfang wichtig, alles steril zu halten. Ich atmete tief durch. Bald würde es losgehen. Innerlich betete ich, dass alles glatt lief. Das musste es einfach.
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A Story of Winter and Water (Bucky FF)
Fanfiction{Abgeschlossen} Lilly ist Ärztin. Nach außen hin wirkt sie ganz normal, vielleicht etwas schüchtern, aber das stimmt nicht. Sie birgt ein Geheimnis, an dem sie nur ihre engsten Freunde teilhaben lässt. Doch nachdem sie zur Einsatzärztin der Avengers...