Teil 25

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Ich wurde mitten in der Nacht durch ein seltsames Geräusch geweckt. Zu Beginn war ich mir absolut nicht sicher, was es war, doch als meine anfängliche Schlaftrunkenheit verflogen war und ich mich im Zimmer umsah verstand ich, was mich aufgeweckt hatte: Bucky warf sich auf seinem Bett hin und her und murmelte irgendwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Er hatte wohl einen Albtraum. Mit so etwas hatten wir auch schon gerechnet. Bei seiner Vergangenheit war das nichts Verwunderliches.

Müde setzte ich mich auf, schwang meine Beine aus dem Bett und tappe leise zu Bucky hinüber. Ich wollte ihn nicht unbedingt sofort aufwecken. Vorsichtig kniete ich mich neben sein Bett. Ich konnte zwar nur seine Umrisse sehen, aber ich konnte sehr wohl wahrnehmen, dass ihm der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Jetzt musste ich nur noch einen Weg finden, wie ich ihm am Besten half, ohne ihn oder auch mich in unnötige Gefahr zu bringen. Ich berührte eine der Kimoyo-Perlen an meinem Armband. Der Raum wurde augenblicklich mit einem sanften Licht erhellt, gerade soweit, dass man alles sah, aber nicht so hell, dass es einen unsanft aus dem Schlaf reißen würde. Das allein schien noch nicht zu helfen, aber immerhin würde er nicht in totaler Finsternis aufwachen. Also dann zum nächsten Schritt.
Ich begann leise die Melodie von “Halleluja” zu summen, etwas, das meinem Bruder früher immer gut beim Einschlafen geholfen hatte. Ich konnte zwar nicht wirklich singen, aber für so etwas reichten meine Fähigkeiten vollkommen aus. Bucky hörte zwar nach einer Weile damit auf, sich hin und her zu wälzen, aber seine schnelle Atmung und das Gemurmel hielten weiter an. Er war immer noch in seinem Albtraum gefangen und ich hatte ganz ehrlich etwas Angst davor, ihn zu berühren. Man konnte nie wissen, was ein Mensch träumt und wie er auf Berührung reagieren würde. Aber ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl. Ich hörte mit dem Summen auf, redete aber stattdessen leise auf ihn ein, während ich mich etwas aufrichtete. Vorsichtig berührte ich seine Schulter. Im nächsten Moment schreckte Bucky hoch, schwer atmend, in Schweiß gebadet und deutlich verwirrt.
Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm. Sein Blick schoss direkt zu mir. Seine Augen waren weit aufgerissen, Panik spiegelte sich in ihnen. Er glich einem verwundeten und in die Enge getriebenem Tier. “Es ist alles in Ordnung. Das war nur ein Albtraum. Du bist hier sicher, es kann dir niemand etwas antun.” Meine Stimme war sanft, fast schon zärtlich.
Eine ganze Weile lang sagte er nichts, nur seine Körpersprache veränderte sich. Seine Muskeln entspannten sich langsam, seine Atmung beruhigte sich wieder und der gehetzte Blick in seinen Augen verschwand. “Ich… Es tut mir leid. Ich hab dich aufgeweckt”, war das Erste, was er sagte.
Ich schüttelte nur meinen Kopf. “Ich bin genau wegen sowas mitgekommen. Ich bin dafür da, um dir so gut es geht zu helfen. Das heißt auch, dass ich dich aufwecke, wenn du Albträume hast, ok? Ich hab Steve versprochen, dass ich für dich da sein werde, und dieses Versprechen halte ich auch ein”, versicherte ich ihm.
“Danke”, war alles, was er herausbrachte. Es war klar, dass er sich schuldig fühlte. Schuldig und hilflos. Gefühle, die ich nur zu gut selbst kannte. Ich hielt ihm ein Handtuch hin, damit er sich den Schweiß wegwischen konnte. Er nahm es dankend an. Während er sich ab trocknete holte ich ihm noch einen Becher Wasser und setzte mich erneut neben ihn. “Trink etwas und versuch dann wieder zu schlafen. Ich bleibe noch etwas wach und pass auf. Das Licht lass ich auch noch an.”
Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, aber er schien nicht wirklich überzeugt von der Idee zu sein. Trotzdem trank er den Becher in einem Zug aus, gab ihn mir zurück und legte sich wieder hin. Wahrscheinlich merkte er, dass mein Vorschlag kein Vorschlag war, sondern mehr schon ein Befehl. Auch mit Diskussion würde sich an meiner Meinung nichts ändern,  und das verstand er anscheinend. Darüber war ich wirklich froh. Auch, wenn ich es mir zu seinen Gunsten nicht anmerken ließ, ich war extrem müde, aber sein Wohlbefinden war mir in dem Moment wichtiger, als mein Schlaf. Ausruhen konnte ich mich tagsüber genauso, besonders in der Mittagshitze konnte man ohnehin nichts machen, außer drinnen sitzen, es sei denn, man hält sich im Schatten auf. Irgendwie würde ich also die verlorenen Stunde schon wieder einholen können.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Bucky endlich eingeschlafen war. Ich nutzte die restliche Nacht dazu, die jüngsten Ereignisse zu dokumentieren. Die Erfahrungen dieser Nacht konnten in Zukunft hilfreich sein, besonders was die Albträume anging. Aber mit etwas Glück fanden die Ärzte zusammen mit der Prinzessin bald eine Lösung. Aber bis dahin würde ich wohl nicht viel Schlaf bekommen. Ein Opfer, das ich gewillt war, zu geben. Also verbrachte ich den Rest der Zeit damit, über Bucky zu wachen, mir Gedanken über die Zukunft zu machen, und hin und wieder ein Lied zu summen, wenn Bucky wieder unruhig wurde. Und ehe ich mich versah strömte das Licht der Morgensonne durch die kleinen Fenster unserer Hütte.

Ich hatte das Frühstück schon fertig zubereitet, als Bucky wach wurde. Ich musste aber zugeben, dass ich in dem Moment nur eins im Kopf hatte: Was ich nur für eine heiße Tasse Kaffee geben würde, um die Müdigkeit zu vertreiben. Aber man kannt ja nicht alles haben. Ich war so auf meinen Wunsch konzentriert, dass ich nicht einmal mitbekam, dass Bucky direkt neben mir stand, bis er meinen Arm anstupste. Ich zuckte vor Schreck zusammen und richtete instinktiv den Holzlöffel, den ich in der Hand hielt, auf meinen “Angreifer”. Dieser hob beschwichtigend seine Hand. “Lilly, ich bins nur. Alles in Ordnung? Du hast mich komplett ignoriert, wie ich dir einen guten Morgen gewunschen hab”, Bucky klang etwas besorgt. Zurecht.
Ich ließ meinen Löffel sinken. “Entschuldige, ich bin etwas übermüdet. Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du mich angesprochen hast”, gestand ich, während die Schamesröte mein Gesicht hoch kroch. Wie peinlich war das denn bitte?
Bucky nahm sich eine Schüssel von dem Müsli-ähnlichen Gemisch, dass ich angerührt hatte und sah mich dann an. “Iss was und leg dich dann hin, ich wecke dich zum Mittagessen, in Ordnung? Du hast die Nacht ja fast nichts geschlafen.” Jetzt war ich wohl an der Reihe, auf die Bitte des anderen zu hören.
Ich aß mein Frühstück schnell auf und kroch dann in mein weiches Bett. Ehe ich mich versah hatte mich auch schon der Schlaf übermannt.

A Story of Winter and Water (Bucky FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt