Ich schlief bis mittags durch. Bucky weckte mich wie versprochen rechtzeitig zum Mittagessen auf, das zu meinem Erstaunen sogar schon fertig war. Wie er das hinbekommen hatte, wusste ich nicht, aber ich wollte ihm auch nicht das Gefühl geben, dass ich ihm nichts zutraute, also sprach ich ihn nicht darauf an.
Nachdem ich mich frisch gemacht hatte und wir Bucky’s Eintopf gegessen hatten machte ich mich an die Hausarbeit. Neben dem Geschirr vom Mittagessen standen immer noch die Schüsseln vom Frühstück in der Spühle und warteten darauf, sauber gemacht zu werden. Zum Glück war die Arbeit schnell gemacht. Bucky saß bereits draußen vor der Hütte und beobachtete die Vögel, die am Himmel vorbei flogen. Es war ruhig draußen. Die Stimmen der Dorfbewohner waren nur schwach zu hören. Aber das war irgendwie beruhigend, einfach diese Bestätigung, dass jemand kommen könnte, sollte irgendetwas passieren, aber doch dieser Abstand und Privatsphäre, die man in unserer Gesellschaft nur noch sehr selten hatte.
Ich verräumte noch schnell das ganze Geschirr und entschloss mich dann dazu, Bucky etwas Gesellschaft zu leisten. Also setze ich mich neben meinen Mitbewohner in den Schatten, um nicht sofort zu verglühen. Sonnenbrand musste ich jetzt nicht wirklich bekommen, zumindest nicht so bald. Der Boden war angenehm warm und die trockene Erde wirbelte leicht unter meinen Fingern auf. Es war sogar weicher als erwartet, was mich angenehm überraschte. Mein Blick fiel auf Bucky, der entspannt an der Mauer der Hütte lehnte. Seine Augen waren nun halb geschlossen und er wirkte irgendwie nachdenklich. An was er wohl dachte? Ich wollte ihn aber auch nicht fragen, das wäre viel zu persönlich. Vermutlich. Wissen konnte ich es ja eigentlich nicht, aber genauso wollte ich es nicht riskieren, zu aufdringlich oder kontrollierend zu wirken. Somit saßen wir einfach nur schweigend nebeneinander und beobachteten die Natur um uns herum. Es war eigentlich richtig angenehm, nur ungewohnt. Vor Allem neben einem Mann.“Wie hast du gewusst, wie du mich wach bekommst, ohne dass ich dich verletze?”, fragte Bucky plötzlich, sein Blick war immer noch auf den Himmel gerichtet. Seine Frage kam irgendwie überraschend.
“Naja, ich habe schon etwas Erfahrung damit. Mein kleiner Bruder hatte früher öfters Albträume, er war zwar nie gewalttätig, wenn er von einem aufgewacht ist, aber ihm haben Licht, sanftes Zureden und vorsichtiges Rütteln immer dabei geholfen, sanfter wach zu werden, wie wenn ich ihn einfach so aufgeweckt hätte. Hat ihm auch dabei geholfen, danach schneller einzuschlafen”, erklärte ich ihm. Ein Lächeln stahl sich bei dem Gedanken daran, auf meine Lippen.
“Achso. Ich wusste nicht, dass du noch Familie hast.” Er dachte einen Moment nach. “Vermisst du deine Familie? Ich meine, du hast das alles aufgegeben, um Steve zu helfen. Und mir. Bereust du es?”
Einen Moment lang sagte ich nichts. Seine Frage war berechtigt. Ich vermisste meine Familie, aber irgendwie? “Nein, ich bereue nichts”, antwortete ich ihm schließlich, “Ich vermisse zwar meine Familie, aber ich weiß, dass es ihnen gut geht, wo sie jetzt sind. Und ich glaube nicht, dass ich mich mit reinem Gewissen aus der ganzen Sache zwischen Steve und Tony heraushalten hätte können. Ich würde es wieder tun, wenn ich noch einmal vor die Entscheidung gestellt werden würde.” Ich war mir ziemlich sicher, dass das der Wahrheit entsprach. Zumindest Großteils.
Diese Erklärung schien Bucky zu genügen, denn er fragte nicht weiter nach.Es dauerte eine ganze Weile, bis einer von uns beiden wieder das Wort ergriff. An stille Momente musste ich mich wohl gewöhnen, nachdem er selbst nicht sehr gesprächig zu sein schien und ich von Haus aus nicht oft das Wort ergriff, aber in diesem Moment raffte ich mich dazu auf. “Möchtest du mit zum See kommen? Die Mittagshitze ist endlich vorüber und ich würde echt gern wieder mal richtig schwimmen gehen.”
Anstatt etwas zu antworten stand Bucky direkt auf. “Wollten wir gleich los?”
Ich nickte, rappelte mich selbst auf und putzte mir den Staub vom Hintern. “Ich brauch aber vorher noch meine Badesachen”, meinte ich noch kurz, schlüpfte ins Haus, zog mir schnell meinen Badeanzug an und begab mich dann zu Bucky zurück, der geduldig vor der Hütte wartete.
Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum See, dessen kühles Nass mich förmlich zu rufen schien. Ich freute mich schon darauf, hinein zu tauchen und neben den Fischen zu schwimmen. Das hatte ich viel zu lange nicht mehr gemacht.Als wir am Ufer des Sees angekommen waren legte ich direkt meine Sachen ab und watete bis zur Hüfte ins Wasser. Das Wasser war im Gegensatz zu der brennenden Hitze der Luft eiskalt, aber die Kälte war mehr als willkommen. Ich grub meine Zehen in den sandigen Untergrund und genoss das Kribbeln, das meine Beine empor kletterte. Ich warf einen Blick über meine Schulter auf Bucky, der sich ans Ufer auf ein Tuch gesetzt hatte und mich etwas beobachtete. Ob er wohl auf etwas wartete? Aber das war mir in dem Moment eigentlich egal. Wichtig war nur, dass ich mich nicht mehr zurück halten musste. Ein wirklich befreiendes Gefühl. Also nutzte ich die Gelegenheit und tauchte unter. Durch die Kälte hatte ich kurz das Bedürfnis, nach Luft zu schnappen, unterdrückte diesen Drang jedoch und schwamm weiter auf den See hinaus. Das Wasser war klar und ich konnte die Fische sehen, die mehrere Meter weit weg schwammen. Herrlich. Ich tauchte aber kurz darauf wieder auf, um Luft zu holen. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich Bucky noch keine Sorgen bereiten, sollte ich länger als normal unterwasser bleiben, was ich sehr wohl konnte, aber von anderen, besonders jenen, die noch nicht viel oder gar nichts von meinen Fähigkeiten gesehen hatten, nicht wirklich gut aufgenommen wurde und meistens in einer unnötigen “Rettungsaktion” endete, was nun echt nicht sein musste. Aber ich passte nur bei der Sache auf. Alles andere war mir egal. Es zählte für mich nur das Gewissen, dass ich mich und meine Liebe zum Wasser nicht vor ihm verstecken musste.
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A Story of Winter and Water (Bucky FF)
Fanfiction{Abgeschlossen} Lilly ist Ärztin. Nach außen hin wirkt sie ganz normal, vielleicht etwas schüchtern, aber das stimmt nicht. Sie birgt ein Geheimnis, an dem sie nur ihre engsten Freunde teilhaben lässt. Doch nachdem sie zur Einsatzärztin der Avengers...