Der Maskenball

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Anni und ich gingen zusammen nach unten, so belebt hatte ich das Schloss noch nie erlebt aber bis jetzt kannte ich auch nur Tims Zimmer und den Kerker, da war nie wirklich eine Party. Als wir gerade die Treppe nach unten gingen, sah ich Tim und konnte es mir nicht verkneifen zu grinsen.
"Nein, du stehst gar nicht auf Tim." flüsterte Anni und kicherte. Ich verdrehte die Augen und freute mich jetzt schon auf den Abend, auch wenn ich aussah wie ein Mädchen konnte ich einmal einfach Spaß haben und die Zeit genießen. Dass Tim da war, machte das ganze einfach nur noch viel besser und ich hatte keine Ahnung warum, aber ich gestand mir endlich ein, dass ich Tim toll fand.
Tim drehte sich zur Treppe und lächelte uns zu. Das galt zwar eher Anni als mir aber die Schmetterlinge in meinem Bauch spielten verrückt. Er winkte uns zu, Anni winkte zurück, ich lächelte nur und starrte dann auf den Boden. 
"Reiß dich zusammen Stegi! Du bist doch kein dämlicher, verknallter Teenager!" dachte ich mir und atmete tief durch.
"Entspann dich Stegi, dich wird keiner erkennen." flüsterte Anni mir zu und wir gingen zusammen in  den Saal, der für den Ball vorbereitet war. Er war unfassbar groß und es funkelten mir tausende Lichter entgegen. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu sollen aber mir fiel nichts ein.
"Beeindruckt?" fragte Anni und nahm für sich und mich ein Glas zu trinken entgegen und drückte mir eins davon in die Hand.
"Im Gegensatz zu dir bin ich sowas nicht gewöhnt. Ich wohne nicht im Schloss, ich sollte nicht mal hier sein." erklärte ich ihr meine Gedanken.
Wir beobachteten, wie immer mehr Menschen in den Saal strömten, auch Tim, der von mehreren Mädchen umzingelt wurde und leicht überfordert aussah. 
"Lass uns tanzen!" meinte Anni plötzlich begeistert und zog mich hinter ihr her auf die Tanzfläche.
Die Zeit verschwamm, wir tanzten, lachten und zum ersten Mal seit wirklich langer Zeit hatte ich einfach Spaß, ohne mir über irgendetwas Sorgen zu machen. Eigentlich wollte ich mich zwar im Schloss umsehen und mit Tim Zeit verbringen, doch das vergaß ich gekonnt.
Als ich mich kurz von der Tanzfläche zurückzog um etwas zu trinken, folgte mir jemand und stellte sich dicht hinter mich.
"Hallo Stegi." drang mir eine wohlbekannte tiefe Stimme ins Ohr. Ich drehte mich vorsichtig um und stand vor jemandem, der ein ordentliches Stück größer war als ich, dunkelblonde Haare hatte und mich durch seine Maske leicht belustigt musterte.
"Paul?" fragte ich ungläubig und starrte ihn an. Mein Ex-Freund stand vor mir und grinste mich an.
"Will ich wissen, warum du das anhast? Heißt du überhaupt noch Stegi?" flüsterte er.
"Das...ist eine ganz lustige Geschichte." meinte ich verlegen und kratzte mich am Kopf.
"Es ist schön dich mal wieder zu sehen." Ich nickte und lächelte ihn an.
"Was hast du vor?" fragte er und musterte mich eindringlich.
"Spaß haben?" ich klang nicht gerade überzeugend.
"Und das soll ich dir glauben? Was heckst du schon wieder aus? Willst du Tim töten?" fragte er mit einem komischen Tonfall und schaute mich mit großen Augen an. Ich kicherte und schüttelte den Kopf.
"Hallo." meinte Paul plötzlich und ich drehte mich um, hinter mir stand Anni und grinste.
"Darf ich sie kurz entführen?" fragte sie übertrieben freundlich.
"Ja, klar." lachte Paul und ließ uns allein.
"Wolltest du nicht eigentlich Tim näher kommen?" fragte sie und nahm sich etwas zu trinken.
"Er ist nur ein alter Bekannter." versuchte ich mich rauszureden, doch Anni kaufte es mir nicht ab.
"Jaja und ich bin die eigentliche Thronfolgerin." lachte sie und boxte mir gegen den Arm.
"Er ist mein Exfreund." gab ich schließlich zu und  Anni starrte mich erstaunt an.
"Nicht dein Ernst?! Ist er ein Psycho oder warum seid ihr nicht mehr zusammen?" fragte sie neugierig.
"Es...lag nicht an ihm...ich-ich hab ziemlich Scheiße gebaut aber er ist einfach ein viel zu netter Mensch um es mir noch immer übel zu nehmen. Er hat ehrlich gesagt danach nochmal versucht mit mir zu reden aber ich wollte ihn nicht nochmal verletzen." erklärte ich ihr, was zwischen Paul und mir passiert war. Anni nickte verständnisvoll und zog mich dann hinter sich her auf die Tanzfläche, direkt auf Tim zu.
"Was hast du denn vor?!" zischte ich ihr zu und stemmte mich gegen sie.
"Du kommst ja nicht in die Gänge!" zischte sie zurück und schubste mich so geschickt, dass ich genau auf Tim zustolperte und er mich auffing.
"Vorsicht." lachte er und schaute mich an. Als ich mein Gleichgewicht wieder hatte, hielt er trotzdem noch weiter meine Hand fest und schaute mir in die Augen. Schnell schaute ich verlegen weg und bedankte mich nuschelnd.
"Ich bin Tim." stellte er sich dann vor. Ich stotterte, so weit hatte ich nicht gedacht. Tim würde mich definitiv an meiner Stimme erkennen und nachdem ich ihn das letzte Mal als wir uns gesehen hatten erst total angemotzt und danach einfach abgehauen war, wäre Tim bestimmt nicht sonderlich begeistert, wenn ich einfach vor ihm stehen würde. Noch dazu in einem Kleid.
"Tim! Wie ich sehe hast du Stella kennengelernt." hörte ich Anni etwas lauter sagen, was mich rettete. Ich lächelte ihn schüchtern an und nahm meine Hand aus seiner. Er lächelte leicht verlegen und kratzte sich dann am Kopf. Anni legte ihre Hand auf meine Schulter und schob mich vorsichtig in Tims Richtung. Die Musik änderte sich und es wurde ein langsames Lied gespielt, das perfekt war um mit einem Partner langsam zu tanzen. 
"Möchtest du tanzen?" fragte Tim mich vorsichtig und ich nickte begeistert. Vorsichtig nahm er meine rechte Hand in seine und legte seine rechte Hand dann an meine Hüfte. 
Eigentlich konnte ich nicht tanzen, doch Tim führte so perfekt, dass das gar nicht auffiel. Irgendwann sah ich im Augenwinkel Paul, der etwas enttäuscht aussah, als er mich mit Tim entdeckte, als ich aber das nächste Mal zu ihm sah, tanzte er mir Anni und sah eigentlich ziemlich glücklich aus. Als das Lied dann fertig war, verbeugte sich Tim vor mir, küsste vorsichtig meinen Handrücken und richtete sich dann auf.
"Redest du jetzt mit mir?" fragte er und grinste mich mit seinem typischen Grinsen an. Ich musste kichern.
"Ja, jetzt schon." lachte ich mit verstellter Stimme. Während der nächsten Lieder tanzten wir wieder, bis wir mich hinter sich herzog, aus dem Ballsaal raus und die Richtung seines Zimmers.

Wir standen auf seinem Balkon und beobachteten die Sterne.
"Ich war schon immer ganz fasziniert von den Sternen. Sie sind so weit weg und dennoch sehen wir sie jeden Abend an der gleichen Stelle." faselte Tim verträumt vor sich hin. Ich hatte beide Hände auf die Balkonbrüstung gelegt und schaute in den Himmel. So entspannt und sicher hatte ich mich in Tims Zimmer noch nie gefühlt. Er beruhigte mich einfach. Wir redeten relativ lange über alles mögliche, wobei er mehr erzählte und ich nur zuhörte. Wir lachten viel und kamen uns dabei immer näher. Er legte seine Hände auf meine Hüfte und ich verschränkte meine Hände hinter seinem Nacken. Vorsichtig nährten sich unsere Gesichter einander an, bis wir nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt waren. Dann passierte es, wir küssten uns und die Zeit schien stehen zu bleiben. Ich schloss meine Augen und genoss den Moment. Noch nie hatte ich mir einen Kuss sehnlicher gewünscht und der Moment war einfach nur perfekt. Für einen Moment vergaß ich, dass Tim dachte, ich wäre ein Mädchen. Für einen Moment vergaß ich, dass ich eigentlich immer weg rannte wenn ich einmal ernsthafte Gefühle für jemanden hatte.
Leider blieb der Moment nicht für immer und wir lösten unsere Lippen voneinander. Wir schauten uns in die Augen und Tim lächelte mich an. Blitzschnell nahm ich meine Hände aus seinem Nacken und spannte mich an, als mir klar wurde, dass ich gerade Tim geküsst hatte.
"Ist alles in Ordnung?" fragte er besorgt.
"Tut mir Leid, aber-aber ich muss jetzt gehen." antwortete ich nur schnell und verschwand nach unten.
Als ich die Treppe nach unten gestürmt kam, sah ich Anni, die an der Tür zum Ballsaal stand und mit Paul redete. Als Paul mich sah, drehte auch Anni sich um und schaute mich verwirrt an. Außer Atem blieb ich vor Anni und Paul stehen und drehte mich zur Treppe um, Tim war nicht zu sehen.
"Ich lasse euch zwei Mal allein." meinte Paul und verschwand wieder in den Ballsaal.
"Was ist denn los Stegi?" fragte Anni vorsichtig und legte beide Hände auf meine Oberarme.
"Ich muss gehen." antwortete ich schnell.
"Warum denn? Wo warst du? Wo ist Tim?" fragte sie verwirrt.
"Wir haben uns geküsst." Anni starrte mich ungläubig an.
"Und dann?"
"Dann bin ich abgehauen. Was, wenn er mich erkannt hat? Was mach ich denn jetzt?" fragte ich sie gestresst und fuhr mir durch die Haare.
"Beruhig dich, wir gehen jetzt in mein Zimmer, da kannst du dich umziehen und dann sehen wir weiter okay?" Ich nickte, Anni nahm meine Hand und wir stiegen die Treppe nach oben.

[TO BE CONTINUED]

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