Stegis Weg

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"Du wirst Tim nicht suchen gehen Stegi!" meinte Aaron aufgebracht.
"Es ist nicht deine Entscheidung! Du kannst mich nicht dazu zwingen hier zu bleiben!" schrie ich zurück. Paul hatte vorgeschlagen, dass ich Tim und Anni suchen sollte und etwas Abstand zu der Situation gewinnen sollte, doch vor allem Aaron war davon nicht begeistert.
"Wir brauchen dich hier! Willst du, dass noch mehr Leute sterben?!"
"Hast du den Grundriss vom Schloss im Kopf?! Kennst du alle Geheimgänge, die rein und raus führen?! Weißt du, wie der König tickt?! Kennst du seine Schwächen?! Anni schon, wir brauchen sie!" Aaron wusste genau, dass ich Recht habe.
"Die wird uns verraten und wegrennen!"
"Wird sie nicht! Sie ist loyal-"
"Loyal dem König gegenüber!"
"Anni ist keine Lügnerin! Wenn sie sagt, dass sie uns hilft, dann tut sie das auch!"
"Du weißt aber nicht, ob sie uns helfen will!"
"Das wird sie, wenn sie erfährt, was passiert ist."
"Stegi-"
"Beruhigt euch!" drang Venis Stimme in unsere Ohren. Er und Tobi standen in der Tür.
"Man hört euch kilometerweit!" Tobi klang ernst, sehr ernst. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
"Was ist los Tobi?" fragte ich besorgt, so kannte ich ihn gar nicht.
"Wir haben was im Wald gefunden, was du dir ansehen solltest." Ich nickte, Tobi und Veni gingen voraus, Aaron und ich folgten ihnen.
"Was habt ihr denn gefunden?" fragte Aaron neugierig.
"Wie gut bist du im Wittern von Fährten?" fragte Henry mich, ich zuckte mit den Schultern.
"Geht so, warum?" Henry hielt mir eine Karte unter die Nase.
"Schnüffel mal." Ein bekannter Geruch stieg mir in die Nase, ich konnte ihn aber nicht zuordnen. Henry zog eine Augenbraue hoch.
"Kommt mir bekannt vor, ich weiß aber nicht, woher." Aaron schaute mich verwirrt an.
"Ich rieche da gar nichts." flüsterte er verstört.
"Dein Tagebuch." meinte Henry bestimmt, ich zog dieses aus meiner Hosentasche und gab es Henry, er hielt es mir aber wieder unter die Nase, es roch genauso wie die Karte.
"Heißt das, das ist Annis Karte?" fragte ich besorgt. Henry nickte.
"Ich glaube schon."

Henry und ich saßen unter einem Baum, die Karte vor uns ausgebreitet.
"Du glaubst da wollten sie hin?" fragte ich und schaute ihn mit großen Augen an. Auf der Karte war eine Hütte eingekreist, doch Henry ging davon aus, dass Anni genau da nicht war.
"Ich gehe davon aus, dass sie niemals so offensichtlich einkreisen würde, wo sie hin will." Ich nickte. "Du hast gesagt, dass Anni ein Formwandler ist?" Ich nickte erneut.
"Ja genau, warum?"
"Es gibt eine Siedlung von Formwandlern in den Bergen. Anni wollte bestimmt zu ihnen, da sind sie und Tim sicher, schließlich weiß keiner, außer uns selbst, dass es diese Siedlung gibt." erklärte er
"Warst du dort?" fragte ich neugierig. Henry nickte.
"Ja, es ist eigentlich Tradition, dass jedes Kind eines Formwandlers von dem fünften bis zum sechsten Lebensjahr in die Siedlung geht, um seine Kräfte zu kontrollieren."
"Heißt das, dass jedes Kind eines Formwandlers auch automatisch ein Formwandler ist?"
"Ja."
"Aber Maddy?"
"Maddy war nicht meine Tochter Stegi." Ich nickte. "Jeder Formwandler soll dort ein Zuhause und eine Zuflucht haben, wenn die Welt sich gegen einen stellt."
"Warum war ich nie dort?" fragte ich.
"Weil nur Formwandler selbst ihre Kinder in die Siedlung bringen dürfen. Außenstehende dürfen nur sie nur betreten, wenn jemand, der seinen Platz verdient hat, für ihn bürgt. Sie sind sehr vorsichtig und haben strenge Regeln, aber dafür sind sie sicher und versteckt. Du musst immer weiter nach Norden in die Berge, es wird kalt werden und es wird keine leichte Reise, aber du kannst das schaffen Stegi, das weiß ich."

Ich hatte meine Mutter noch nie so unsicher erlebt.
"Pass bloß auf dich auf mein Engel." Sie zog mich in eine Umarmung.
"Ja Mama, ich bin vorsichtig." Sie ließ mich wieder los, sofort danach fiel Tobi mir um den Hals.
"Versprich mir, dass du zurückkommst, ja?" nuschelte er, ich nickte und drückte ihn einmal kurz fest.
"Versprochen Tobi." ich ließ ihn wieder los und wuschelte ihm durch die Haare. Veni streckte mir seine Hand entgegen, ich schlug ein und nickte ihm zu.
"Bring Tim und Anni mit ja?" ich nickte, er ließ meine Hand wieder los.
Aaron hielt sich von uns fern, er war immer noch nicht begeistert, dass ich Anni und Tim suchen wollte, auch wenn wir ziemlich sicher wussten, wo die beiden waren.
Paul begleitete mich noch bis zum Waldrand. Ich hatte nicht sonderlich viel Gepäck dabei, nur meinen Kletterhaken, ein bisschen Wechselkleidung, das Tagebuch und ein Kompass, um zu wissen, wo Norden ist. Als wir am Waldrand angekommen waren, blieben wir stehen.
"Bis hierhin." sagte er und vergrub beide Hände in seinen Hosentaschen.
"Ja, bis hierhin. Pass auf meine Familie auf, ja?" sagte ich leise.
"Natürlich." Paul legte einen Arm um mich und versuchte, mich ein bisschen zu beruhigen.
"Ich hab Angst Paul." gab ich zu
"Du schaffst das Stegi, du wirst uns alle retten." versuchte er mich aufzuheitern. Ich drehte mich zu ihm und schaute ihm in die Augen. Er schaute zu mir nach unten und lächelte mich sanft an. Er gab mir einen Kuss auf den Haaransatz und ließ mich dann los. Ich verwandelte mich und ging los.
Mittlerweile war ich mehrere Stunden unterwegs, ich hatte immer wieder auf den Kompass geschaut, um sicher zu sein, dass ich noch nach Norden ging. Laut meinem Vater dauerte die Reise circa 4 Tage, ich konnte es aber auch in weniger Zeit schaffen, wenn ich dauerhaft als Wolf trabe und keine Zwischenfälle passieren. Einmal in meinem Leben hatte ich Glück und es passierte tatsächlich die ersten drei Tage nichts.
Mittlerweile wurde es dunkel, ich war in den Bergen schon relativ weit oben, es schneite und war eiskalt. Ich hatte mich zurückverwandelt und saß vor einem Lagerfeuer, welches leise knisterte. Ich schaute mir das Bild an, welches Anni in das Tagebuch gelegt hatte. Ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen und mir fiel zum ersten Mal auf, dass Anni und Tim sich irgendwie ähnlich sahen. Ich hörte Schritte, die sich mir näherten. Schnell wollte ich das Bild in meine Hosentasche stecken und wollte meinen Kletterhaken ziehen, doch ich spürte etwas an meinem Hinterkopf.
"Das lässt du schön bleiben." sagte eine männliche Stimme hinter mir. "Hände hoch." Ich hob meine Hände und schaute auf den Boden. "So ist richtig. Was willst du hier?!" fragte er, deutlich aggressiver.
"Nichts...ich bin nur auf der Durchreise." versuchte ich mich rauszureden, leider ohne Erfolg.
"Wer sind die zwei auf dem Foto? Ich will die Wahrheit!" 
"Das geht dich einen Scheiß an!" Langsam reichte es mir, ich griff nach hinten, entwaffnete ihn und warf ihn über meine Schulter nach vorne auf den Boden. Ich zog meinen Kletterhaken und hielt ihn ihm drohend ins Gesicht.
"Ganz ruhig Großer." lachte er und stand wieder auf, er wirkte unfassbar unbeeindruckt von mir, nahm sich seinen Bogen und packte ihn weg. "Ich bin Jace." sagte er locker. Er hatte Kriegsbemalung im Gesicht und trug einen Mantel in dem er sich aber gut bewegen konnte.
"Stegi." meinte ich leicht verwirrt
"Pack das Ding weg Alter, ich tue dir nichts." Genau in diesem Moment stülpte mir jemand einen Sack über den Kopf und band ihn fest.
"Was soll der Scheiß?!" brüllte ich wütend, ich versuchte mich zu wehren, doch es funktionierte nicht, ich spürte, wie mir etwas in den Hals gesteckt wurde und meine Hände und Füße gefesselt wurden bevor alles um mich herum schwarz wurde...

[TO BE CONTINUED]

Dystopia [Stexpert] [BEENDET]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt