Kapitel 7 »« »« »«

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Gestern Abend. Ja, warum hatte ich das gemacht. Er sollte nicht denken, ich wäre ein Spießer. Ich wollte nicht seltsam auf ihn wirken. Auch, weil er mich gesehen hatte. Sympathisch wollte ich sein. Ich hatte endlich die Chance auf einen Freund. An der Schule wimmelt es nur so von Idioten, vielleicht könnte er mich akzeptieren, wie ich war.

Als ich heute aufwachte spürte ich die Schmerzen in meinem Unterarm erst. Ich stand auf und griff nach einem Hemd, diesmal ein blaues. Da ich nur schwarze Hosen besaß musste ich gar nicht lang suchen und hatte schnell mein Outfit zusammengestellt. Als ich mit Schlafanzug und den anderen Anziehsachen unterm Arm ins Bad ging kahm mir Mycroft entgegen. „Guten Morgen Mycroft, gut geschlafen?“ Er sah furchtbar aus. Bestimmt hatte er wieder die ganze Nacht mit seinem Freund geschrieben. Er ging gähnend an mir vorbei in die Küche. Anders als ich brauchte er morgens zuerst einen Kaffee. Das hatte durchaus seine Vorteile, so gab es keinen Streit um das Bad.

Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen und sperrte zu. Duschen war tatsächlich eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
Als ich meine Haare trocken rubbelte sah ich, wie rot und entzündet die Einstiche waren. Wenn ich mit dem Finger drüber fuhr spürte ich mit jeder Stelle einen leicht stechenden Schmerz. Wo hatte Vater die Wundheilsalbe hingestellt? Ich wusste, er verstaute sie im Bad, wo sonst. In der Küche wohl eher nicht. Als ich sie endlich fand klopfte es an der Tür, es war Mutter. „Sherlock? Was brauchst du denn heute so lange?“ Ich öffnete die Schachtel und trug die Salbe großzügig auf. „Ich bin sofort fertig!“ Sie ging zum Glück wieder nach unten und ich hatte Zeit mich ungestört fertig zu machen.

Ich hatte noch eine Viertel Stunde Zeit um zu frühstücken. Mycroft hatte seinen Kaffee bereits getrunken und machte sich nun auf den Weg ins Bad. Meine Mutter hatte sich gegenüber von mir hingesetzt und sah mich nun eindringlich an. Ich wurde nicht gern beim Essen beobachtet und das wusste sie. Es machte mich nervös. Hatte ich als kleiner Junge etwas verheimlicht, sah sie mich nur beim Essen die ganze Zeit an und ich spuckte die Informationen aus, die sie haben wollte. Heute aber ist das anders.

Als ich fertig gegessen hatte holte ich meinen Mantel von oben und nahm mir meine Schultasche. Natürlich besaß ich keinen herkömmlichen Ranzen. Wäre zu gewöhnlich. „Bis heute Nachmittag.“ Und damit ging ich aus der Tür.

John. Ich werde heute mit John zur Schule laufen. Fast wäre ich, wie immer, allein losgegangen, doch ich stellte mich vor das kleine Gartentor, das in den Vorgarten führte und wartete auf meinen vermutlich zukünftigen ersten Freund.

Als er zur Tür heraus gestolpert kam musste ich lächeln. „Stress gehabt?“ Erst jetzt sah er mich richtig an. „Ehm… verschlafen.“ Er hatte offenkundig irgendwelche Kleidungsstücke aus dem Schrank gezerrt. Seine Haare waren anders als gestern eher wirr und er strahlte Unruhe aus. „Also, erzähl. Wie ist die Schule so hier? In welcher Klasse bist du eigentlich?“ Ich war erleichtert, das er das Gespräch angefangen hatte, ich bin ziemlich schlecht in sowas. Wenn ich Gespräche beginnen will falle ich meistens mit der Tür ins Haus. „Also wir sind mit ziemlicher Sicherheit in einer Klasse, das kann ich dir sagen. Aus meiner Sicht ist die Schule eher wie ein Haufen Idioten der sich 5 Mal die Woche zusammenfinden muss und sich gegenseitig fertig macht. Was ich sagen will. Ich bin nicht sehr beliebt muss ich zugeben.“ Ich schämte mich dafür das ich so ehrlich zu ihm war, denn sein bemitleidender Blick schien förmlich an mir zu kleben.

„Wir haben Blockunterricht. Die ersten 90 Minuten heute Physik, die nächsten Englisch und dann geht es im 45 Minuten Takt weiter.“ Lief ich zu schnell oder kam es mir nur so vor, als könnte John nicht Schritt halten? Ich lief etwas langsamer und er lächelte mich mit einem dankenden Blick an. Er sah so niedlich aus, wie er neben mir her ging und nach oben schauen musste.

Der Weg zur Schule war zwar recht lang, aber ich hatte das Gefühl mit John hatte es nicht so ewig gedauert wie sonst. Zuerst unterhielten wir uns über die Schule und die Fächer, aber irgendwie, keine Ahnung wie, kam es dazu, dass wir gemeinsam lachten und uns sogar wie echte Freunde unterhielten.

„Als ich dich zum ersten Mal so richtig gesehen habe, als du in unserem Haus standest, da hab ich tatsächlich geglaubt, du wärst so ein ernster Spießer, der jedem den Spaß verdirbt.“ Ich blieb stehen und sah ihn verwirrt an. Was sollte das denn werden? „… aber so bist du gar nicht.“ Nun drehte er sich zu mir um und lächelte mich einfach an. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so ein ehrliches Lächeln gesehen. Ich sollte jetzt zurücklächeln, oder? Jedenfalls tat ich das und lief weiter ohne einen Kommentar darauf abzugeben. Ich wusste auch gar nicht, was ich hätte antworten sollen. Ich war einfach glücklich.

Angekommen an der Schule machte ich eine demonstrierende Geste, die meinen heutigen Begleiter zum schmunzeln brachte.
Die meisten Schüler waren bereits in ihren Räumen. Allerdings wusste man nie, wen man alles so trifft. „John. Am besten du gehst jetzt allein ins Klassenzimmer und setzt dich in die Fensterreihe nach rechts. Ich setzte mich dann neben dich, wenn das OK ist.“ Er sah mich stirnrunzelnd an. „Warum gehen wir nicht einfach zusammen rein?“ „In unserem Klassensystem ist jeder, der mit mir in irgendeiner Weise Kontakt hat, abgestempelt, so wie ich es bin. Wenn wir jetzt zusammen, an deinem ersten Schultag hier reingehen und die dich mit mir sehen, kannst du das mit Freuden in der ganzen Schule vergessen.“ Und so wie ich es sagte, so meinte ich es. Ich war für jeden hier der Freak, der Soziopath, Spinner. Ich wollte John seinen zukünftigen Alltag nicht kaputt machen und ihm wenigstens die Chance geben sich zwischen denen und mir zu entscheiden. „Sherlock… wir gehen da jetzt rein. Zusammen ok?“ Ich nickte, denn er hatte es so gewollt…

Addicted to love - a Teenlock story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt