Natürlich hatte ich die Blicke gesehen, die sie mir zugeworfen hatten. Sie störten mich nur inzwischen nicht mehr. Ich hatte eher ein mulmiges Gefühl im Bauch, als ich das Direktorat aufsuchte.
Als ich klopfte klingelte es zur Stunde. „Herein.“ Die tiefe Herrenstimme schüchterne mich ein. „Erster Tag und dann sowas.“ Der muskulösen Mann Mitte 40 stand auf und schüttelte mir lächelnd die Hand. Ich war verwirrt. „Setz dich John.“ Ich tat, was er von mir verlangte und setzte mich auf den Stuhl. „Also… du fragst dich sicher, wie deine Strafe ausfallen wird.“ Schelmisch grinste er mir ins Gesicht. Keinen Ausdruck von Emotionen ließ ich ihn sehen. „Nunja… ehm. Folgendes. Ich habe dich gestern beobachtet. Ich war noch im Schulhaus…“ Ich ließ ihn seinen Satz nicht zu Ende sprechen. „Warum haben Sie dann nichts unternommen!“ Ich schrie ihn beinahe an. Erschrocken fuhr er zurück. „… ich war außer Dienst...“ Wieder fiel ich ihm ins Wort. „Haben sie gesehen, was sie mit Sherlock angestellt haben?!“ „Ich habe nur dich beobachtet… wie dem auch sei. Ich könnte dich von deiner Strafe entbinden, wenn du dich dazu entscheiden würdest, dem Rugby Team beizutreten…“ Ich war fassungslos. „Was soll ich?!“ Er lehnte sich zurück und lächelte erneut. „Ich bin der Coach des Rugby Teams und hätte dich gerne als Mitglied. Ich habe gesehen, wie viel Potential du mitbringst, vielleicht können die ja noch was von dir lernen…. Ich könnte dich zum Captain machen.“ Der war doch wahnsinnig. Schweigend saß ich ihm gegenüber. „Wenn du dich gegen mein Angebot entschieden solltest… kann ich dir gern einen Schulverweis ausstellen mein Junge. Denk drüber nach.“ Damit zeigte er auf die Tür und schickte mich zurück zum Unterricht. Sowas hatte ich noch nicht erlebt. Ein Lehrer, der mich versuchte zu erpressen. Aber wollte ich einen Verweis riskieren? Am besten ich würde mit Sherlock reden.
Im Klassenzimmer angekommen war sogar der Lehrer kurz still, bis ich mich gesetzt hatte. „Und? Erzähl.“ „Entweder ich bekomme einen Verweis, oder ich spiele ab morgen in der Rugbymannschaft als Captain.“ Er sah etwas geschockt aus. „Erpressung… Was wirst du tun?“ Ich sah auf meinen Platz. „Eigentlich wollte ich dich fragen, was ich tun soll.“ Irgendwie sah er geschmeichelt aus, doch sein Blick hatte etwas von Ratlosigkeit. „Wie wärs, wenn du dir das Spiel mal ansiehst und dann entscheidest.“ Ich nickte und lächelte ihm zu.
Sherlock sah abwesend aus. Nicht ganz bei der Sache. Wie als würde er gerade über irgendetwas nachdenken.Nach der letzten Stunde zog er mich am Ärmel zum Rugby Feld. Ich hatte eigentlich keine Lust hier in einen Verein einzutreten, doch den Verweis konnte ich sicher nicht gebrauchen. Gerade fand Training statt. Ich sah also diesen Jungs zu, wie sie um den Ball kämpften und hatte plötzlich keinerlei Verständnis mehr dafür, warum ich mal in einem Verein gespielt hatte. „Und, was denkst du?“ „Naja… ich denke ich nehme das Angebot an. Eine andere Wahl habe ich ja irgendwie nicht oder?“
Wir waren wieder auf dem Weg nach Hause, als ich versuchte ein Gespräch anzufangen. „Also… du… hast du… eine Freundin?“ Er blieb stehen. „Was?“ So verwirrt hatte ich ihn noch nie gesehen. Es war fast ein bisschen süß, wie er so da stand. Total perplex. Ich musste kichern. „Ob du eine Freundin hast… oder einen Freund, was natürlich nicht schlimm wäre…“ Ich hätte mich am liebsten selbst geschlagen für diese Aussage. „Natürlich wäre es ok… aber… Nein, nein ich bin Single.“ War er schwul? Bi? „Ja… ich auch.“ Stille. Dann fingen wir beide an zu schmunzeln. Hätte ich raten müssen, hätte ich gesagt, es war gleichzeitig. An unseren Häusern angekommen verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung. „Bis morgen?“ „Kurz vor halb 8 John.“ Mit den Worten gingen wir auseinander. Wieder getrennt in unsere Häuser.
Am nächsten Tag stand mein Rugby Training an. Ich war ziemlich aufgeregt. Die Motivation fehlte mir allerdings. Ich war ja nicht freiwillig beigetreten. Sherlock versuchte mir auf dem Weg zur Schule Mut zu zusprechen, das heiterte mich etwas auf. Der Direktor war natürlich begeistert, als ich ihm von meiner Entscheidung berichtete und klopfte mir auf die Schulter. Den ganzen Tag machte ich mir Gedanken, ob sie mich überhaupt im Team haben wollten, ob ich gut genug war. Ich hatte Fußball gespielt, aber das hier war Rugby. Eine ganz andere Hausnummer. Hier ging es um Kontaktspiel. Man musste sich mit dem Gegner rangeln, um an den Ball zu kommen. Ich hatte die Regeln recht schnell verstanden. Sherlock sah mir von der Tribüne aus zu, wo die Freundinnen der Spieler aufgeregt jubelten. Ich hatte ihn nicht darum gebeten dort zu sitzen und mir zu zusehen. Er hatte es einfach getan.
Der Coach aka Direktor gab die Anweisung ein Probespiel zu starten, damit ich ‚reinkommen kann‘ sagte er. Meine Teamkollegen waren alle recht kräftig gebaut. Durchtrainiert würde ich es nicht nennen, aber sie waren sicher in meiner Gewichtsklasse.
Als das Spiel begann hatte ich Probleme dem Ball zu folgen. Ich spielte als Stürmer, was hieß, dass ich mich mit den anderen Stürmern um den Ball stritt. Ohne daran zu denken, dass ich den Ball, den ich plötzlich in den Händen hielt, weiter geben musste, wurde ich niedergeteckelt. Kurz sah ich schwarz, doch so schnell gab ich nicht auf. Je länger wir spielten, desto besser konnte ich dem Geschehen folgen. Ich war sogar richtig gut. Mein Team gewann das Spiel und der Coach kam klatschend auf uns zu. „Darf ich vorstellen? Der neue Captain.“ Er sah mich mit breitem Grinsen an und klopfte mir mal wieder auf die Schulter. Die Reaktionen meiner Teammitglieder waren zweigeteilt. Einige feierten mit mir, andere drehten sich weg oder verdrehten die Augen.
Tatsächlich hatte ich mir das alles schlimmer vorgestellt als es war. Vielleicht war ich einfach traumatisiert, von meiner alten Schule. Dort wurde ich von meinen Teammitgliedern nach jedem Spiel blöd angemacht. Irgendwann ging mir die Sache zu weit und ich wurde handgreiflich. Von da an hatte man mich jedes Mal gefault.
Klatschend kam Sherlock auf mich zu. In seinem langen Mantel sah er größer aus, als er eigentlich war. „Gutes Spiel.“ Ich schubbte ihn mit meiner Schulter in Richtung Heimweg, ohne ihm zu antworten. Als wir das Feld verließen wurde es langsam dunkel. Die untergehenden Sonne färbte den Himmel rosarot. In diesem Licht sahen die Straßen viel idyllischer aus, als sonst. „Hast du von der Party gehört?“ Eine Party? Seit wann interessierte sich Sherlock Holmes für Partys? „Welche Party?“ „Einer aus der 12. schmeißt am Wochenende eine Party bei sich zu Hause. Das macht er jedes Jahr einmal. Aber dieses Jahr wird es das letzte Mal sein, dann verlässt er die Stadt. Er sagt zwar immer, er würde studieren, aber er hat einfach nicht die Noten dazu. In Wahrheit hat noch nie jemand sein Zeugnis gesehen… außer mir.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Wie, außer dir?“ Auf diese Frage hatte er vermutlich gewartet. „Ich habe mich einmal in das Lehrerzimmer geschlichen und die Schulakten durchstöbert. Ich wollte einfach sicher sein, dass ich richtig lag… zurück zur Party…“ Ich unterbrach ihn. „Du bist einfach mal so ins Lehrerzimmer eingebrochen?!“ „Ja, sagte ich doch bereits… jedenfalls…“ Ich fing an lauthals zu lachen. Er ist einfach mal so ins Lehrerzimmer eingebrochen, nur weil er wissen wollte, ob er Recht hatte. Dann kicherte er auch mit. „John… jetzt lass mich doch ausreden. Ich wollte dich fragen, ob du zu der Party gehst.“ Ich hatte gerade erst von der Party erfahren, aber wer hätte schon etwas dagegen oder? Es war ewig her, seit ich das letzte Mal feiern war. Keine sehr schöne Erinnerung am Morgen.
„Ja warum nicht. Und du?“ Ich konnte nicht genau sagen, ob es das Licht war, oder ob er wirklich rot wurde. „Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass ich dich fragen wollte, ob wir vielleicht zusammen… hingehen.“ Ich lächelte in mich hinein. „Klar. Gerne.“ Etwas besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein. Ich hätte schwören können, wie er erleichtert ausatmete, doch ich könnte mich auch verhört haben. Ich freute mich darauf. Ich ging mit Sherlock Holmes auf eine House Party, bei einem Jungen, den ich nicht einmal kannte. Aber mit Sherlock würde ich das sogar tun.
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Addicted to love - a Teenlock story
FanficAls John, dessen Vater vor einem Monat im Afghanistan Krieg gefallen war, mit seiner Mutter und Schwester nach London direkt gegenüber der Holmes' einzieht, wird der Junkie und hochfunktionale Soziopath auf ihn aufmerksam...