Samuel (14)

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Der Vormittag zieht sich so lang wie Kaugummi. Mehrfach überlege ich ob ich Julian zurück schreiben soll, aber ich wüsste nicht was. 

'Du machst dich unglücklich wenn du mit mir befreundet bist? Ein Lebewohl ist besser als dass wir beide leiden. Ich würde dich nur täglich ran lassen wollen wenn wir uns sehen.'

Sowas vielleicht? Früher oder später würden wir unsere Freundschaft kappen weil wir es nicht mehr aushalten. Nein. Ich lasse seine Nachricht unbeantwortet. Ist wohl besser so.

"Hey Sam, wollen wir etwas essen gehen? Jetzt ist eh Mittag und dein nächster Termin kommt erst um drei." höre ich Kenny rufen, doch ich schüttel mit dem Kopf. "Nein danke Kenny, ich habe doch heute Nacht nicht geschlafen, ich werde mich ein wenig hinlegen."

"Ok, dann bring ich dir etwas zum Essen mit." entgegnet er mir und verlässt die Praxis. Ich hole mir aus dem Schrank ein großes Behandlungstuch und lege mich auf die Massageliege in meinem Zimmer. Ich bin so müde, dass ich unmittelbar nachdem ich mich hingelegt habe, eingeschlafen bin.

Ein Knall ertönt, gefolgt von einem Brüllen. Ich falle von der Liege und lande etwas unsanft auf dem Boden. 

"Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Wie kannst du es wagen mitten während der Arbeitszeit zu schlafen, du Nichtsnutz."

"Vater." sage ich geschockt von seinem unwirschen Auftreten. Rappel mich auf und stelle mich still hin. "Was führt dich zu mir, Vater?"

"Andrea rief mich an und bat mich, mal ein Wort mit dir zu sprechen." teilt er mir mit.

"Weswegen?" frage ich etwas verwirrt.

"Weswegen? Sie sagte du hättest dich die letzten Tage sehr zum Schlechten verändert. Warum ist das so?" fängt er jetzt an lauter zu werden. "Du kommst spät nach Hause, schläfst auf dem Sofa und mit ihr sprichst du kein Wort."

"Vater. Für mich ist das Ganze nicht so einfach. Die Hochzeit rückt immer näher und ich bin mir unsicher." sage ich ehrlich.

"Unsicher? UNSICHER? Ihr plant das schon so lange und jetzt kommst du damit das du dir unsicher bist? Sag mal gehst du Fremd? Hast du eine Andere? Wo verdammt noch mal ist deine Disziplin wenn man sie mal braucht? Hast du die mit dem Rest in den Gulli gekickt oder was?" schreit er mich jetzt an.

Bei der Frage ob ich Fremd gehe, musste ich erst einmal schlucken. Wenn er wüsste....

"Vater ich habe keine Andere und fremdgehen tu ich auch nicht, ich fühle mich einfach nur noch nicht bereit zu heiraten, das ist alles. Und ich bin kaum Zuhause, weil ich genau dieser Diskussion aus dem Weg gehen möchte. Ich komme wenn sie schläft und gehe bevor sie aufsteht." wütend fährt er herum und schnappt sich meinen Kragen an dem er mich gegen die Wand hinter mir drückt.

"Du undankbares Balg, du weißt schon das Andreas Vater und ich die Hochzeit bezahlen und du stellst dich allen ernstes hier hin und verkündest mir durch die Blume, dass du nicht heiraten willst? Junge, ich sehe genau wenn du lügst und ich weiß das du es in diesem Moment tust, doch bin ich mir nicht sicher bei was du lügst. Jedoch sei dir gesagt sein, ich werde es herausfinden." er sieht mich bedrohlich an, doch lässt er mich wieder los.

Erleichtert atme ich aus und stelle mich wieder anständig hin. Richte meine Kleidung und mein Blick liegt auf meinem Vater. Dieses scheiß Bootcamp. Es hat das aus mir gemacht wie ich jetzt bin.

"Kümmere dich mehr um Andrea. Bald ist die Hochzeit und ich möchte nicht das etwas dazwischen kommt. Wie würde das denn bei ihrem Vater aussehen. Admiral Kane der Versager, der seinen Sohn nicht unter Kontrolle hat." 

"Ja Vater." gebe ich ihm zur Antwort, er dreht sich um und verlässt meinen Raum.

Keine Minute später springt die Türe wieder auf und ich stehe wieder stramm, da ich mich nachdem Vater raus ist, bequem hingestellt hatte.

"Woah woah woah, ganz ruhig Sam, ich bin es nur. Steh bequem. Scheiße man, was hat das Camp und dein Vater nur aus dir gemacht. Das letzte Mal als ich euch zusammen sah war, ein paar Monate später nachdem du ins Camp kamst. Ich habe gehört wie er dich angeschrien hat. Es tut mir leid Sam." meint Kenny ehrlich. 

"Weißt du jetzt, wieso ich mich nicht zu mir bekennen kann? Ich schaff das alles nicht." flüster ich erschöpft und lehne mich gegen Kenny. 

"Nein Sam, so nicht. Ich mache das nicht noch einmal mit." sagt er bestürzt.

"Keiner sagt das du es mitmachen musst. Lass mich einfach gehen." bitte ich ihn. 

"Nein Sam, wir schaffen das. Zusammen. Ich bin immer für dich da. Wirklich."

Gemeinsam stehen wir noch eine Weile so da, bis mein nächster Termin kommt. Ab da bin ich nicht mehr ganz bei mir. Mein Gehirn ist nur noch Not versorgt und macht alles automatisch, wie ich es gelernt habe. Ich rede mit keinem, ich begleite niemanden hinaus und wende mich auch von Kenny ab. 

Nach dem Feierabend nehme ich mein Handy in die Hand und schreibe Andrea.

Danke für die TOLLE Überraschung, als Dank werde ich heute auch später kommen, warte nicht auf mich.

Ich steck mein Handy wieder ein und fahre in das Dark Nights, ich brauche das von gestern heute gleich noch einmal, jedoch hoffe ich das jemand da ist dem seine Hand fester ist als die von dem gestern, denn heute habe ich es richtig nötig.

Never EnoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt