Samuel (28)

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Mein Weg zum Briefkasten stellt sich heute als extrem schwer raus.
Ich warte auf die Bescheinigung um meine neue Praxis eröffnen zu dürfen.

Während ich das Türchen öffne, fällt mir schon so einiges entgegen.
Das ist aber wirklich viel heute. Ich sehe mir die Briefe durch, aber keiner ist der auf den ich warte.
Dafür habe ich einen anderen in der Hand.
Ich werde ganz blass und muss schlucken. Da ist der Stempel meiner ehemaligen Schule drauf.

Ich gehe in die Wohnung, schmeiße die andere Post auf die Kommode, doch den Brief von der Schule nehme ich mit auf das Sofa.

"Was hast du denn da für ein Brief Herzchen?" fragt mich Kim.

Kim ist meine Frau.

Als ich vor 3 Jahren von Miami wegzog, dachte ich, bald ist es vorbei. Mein Dasein, mein Leben. Ich verkroch mich in meiner neuen Wohnung, im Dunkeln. Ich wollte niemanden sehen, hören oder schreiben. Ich wollte einfach still vor mich hin leiden.
Nach Julian's Nachricht war ich wirklich am Ende. Ich wusste und weiß auch bis heute nicht was genau ich falsch gemacht hatte. Ich habe sie sooft gelesen und analysiert. Ich kam einfach nicht darauf.

Samu,
ich war bei deinem idiotischen Vater.
Er gab mir zu verstehen, dass ich aus deinem Leben verschwinden soll.
Da du es noch nicht mal für nötig gehalten hast, mir irgendwie mitzuteilen,
dass du ausziehst oder sonst irgendein Lebenszeichen von dir gekommen ist, gehe ich
davon aus, dass du das auch willst.

Also werde ich mich zurück ziehe, dann kannst du dein Leben leben und ich stehe dir
nicht mehr im Weg. So kann ich dich auch nicht immer und immer wieder
verletzen.
Ich hab es gestern gesehen, dass ich es getan habe, als wir uns in der Küche trafen.
Wir beide wussten von Anfang an, dass wir keine Freunde sein können, also sollten wir
es hier beenden, bevor es nur noch schlimmer wird.

Julian

Ich wollte niemals dass er sich aus meinem Leben entfernt, nicht nachdem mit Andrea Schluss war. Mit seiner Unterstützung hätte ich mich sicher gegen meinen Vater stellen können.
Wir hätten es nicht beenden müssen, wir hätten Anfangen sollen.
Er hätte sich nicht hinreißen lassen sollen, Hugh in der Küche zu nageln wo ich auch dort wohnte.

Ich hasse ihn nicht, ich liebe ihn immer noch, aber es hat wohl nicht sollen sein.

Als ich irgendwann einmal aus meinem Tief herauskam, wollte ich wieder arbeiten. Ablenkung suchend klapperte ich die Praxen ab, die Physiotherapeuten suchten.

In der Praxis wo Kim arbeitete habe ich dann meinen Platz gefunden.
Wir wurden Freunde, die besten, abgesehen von Kenny und ich. Kenny ist immer noch glücklich mit Jess und das freute mich wahnsinnig.

Vater kam ziemlich schnell aus dem Navykrankenhaus raus und ging mir auf die Nerven, außer da wo ich mich verkrochen hatte.
Egal was ich sagte, egal was ich machte, es gefiel meinem Vater nicht.

Eines Tages fiel Kim auf das es mir elendig ging und bei mehreren Flaschen Bier, erzählte ich ihr mein ganzes Leben.

Nachdem ich fertig war, ihr mein ganzes Leid zu klagen lachte sie auf und meinte, sie hätte die beste Lösung für das Ganze. Als sie sagte sie würde mich heiraten damit ich zumindest mal vor Vater meine Ruhe hatte, dachte ich ich träume. Doch dem war nicht so. Ein paar Wochen später verbrachten wir das Wochenende bei meinen Eltern und erzählten von unseren Hochzeitsplänen.
Vater war begeistert.
Als wir gegen Abend am Strand spazieren waren, sah ich Julian. Schnell zog ich Kim hinter eine Ecke und erzählte ihr, dass dies der Mann sei den ich liebe.
Sie machte sich einen Spaß daraus und schmiss ihm einen Stein gegen den Kopf. Schnell schnappte ich ihr Handgelenk und zog sie mit mir.
Ich hoffe bis heute das er nicht gesehen hat wer es war.

Auf jeden Fall heirateten Kim und ich zwei Wochen später. Auf der Hochzeit platzte ich, gerade Wegs in ihr Zimmer als ich sie suchte, wo sie eine Frau leidenschaftlich küsste.

Ich musste lachen und beschimpfte sie, dass sie doch kurz vor der Hochzeit nicht fremdgehen kann. Ihre Freundin ließ Kim total geschockt los und sah zwischen mir und ihr hin und her.
Ich lachte nur weiter und meinte sie sollen fortsetzen wo sie aufgehört haben, aber das bald die Zeremonie los geht. Kim nickte nur und zwinkerte mir zu.

Am Abend nach der Hochzeit erzählte mir Kim dann, dass sie das selbe Problem hat wie ich. Ihre Eltern.
Wir mussten beide drüber lachen, dass ein Schwuler und eine Lesbe heiraten um sich vor ihren Eltern zu verstecken.
Harper, Kim's Freundin, war damit einverstanden.
Kim hat in unserer Wohnung ihr eigenes Zimmer und ich auch. Harper ist oft da, aber das stört mich nicht. Das einzige was mich stört ist; ich vermisse Julian schrecklich.
Auch wenn wir nicht viel miteinander hatten und das Ganze nun schon drei Jahre her ist, wird es nicht besser.

Ich schaue den Brief an, drehe ihn zwischen den Fingern, bis Kim ihn mir aus der Hand nimmt.

"Wenn du es mir schon nicht sagst, dann lass mich schauen."

Sie reißt ihn auf und zieht ihn heraus.

Sehr geehrter Samuel Kane,
Hiermit laden wir Dich und eine Begleitung zum 10 Jährigen Klassentreffen ein......

"Oh mein Gott ein Klassentreffen, ich liebe Klassentreffen, lass uns hingehen ja?"
Trällert Kim mir euphorisch ins Ohr.

"Mal schauen Süße, ich muss mir das wirklich gut überlegen, denn wie du weißt war Julian auch in dieser Klasse."

"Ja ich weiß, aber vielleicht ist das die Chance noch einmal mit ihm zu sprechen." meint sie dann und ich zucke nur mit den Schultern und lehne mich zurück ins Sofa.

Never EnoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt