Zwei Jahre zuvor
Im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt war es voll. Die 400 Sitzplätze des kleinen Konzertsaals waren zum größten Teil besetzt und noch immer kamen Leute dazu. Aufgeregt lugte ich durch das runde Türfenster aus dem Vorbereitungszimmer in den Zuschauerraum und beobachtete mit wachsender Nervosität, wie jeder von den Leuten da unten erwartungsvoll zur Bühne blickte und darauf wartete, dass die Veranstaltung begann.
Ich war als Fünfte an der Reihe, also hatte ich noch ungefähr zwanzig Minuten Zeit, bis mich jemand nach draußen rufen würde.
Im Vorbereitungsraum ging es zu wie im Bienenstock. Fast alle spielten ihre Stücke nochmal durch oder unterhielten sich aufgeregt. Die Unruhe sprang wie ein Lauffeuer von einem zum anderen. Meine Geige hatte ich bereits wieder in ihren Koffer gelegt. Das Üben hatte ich längst aufgegeben, da ich wusste, dass das meiner Aufregung nicht sonderlich dienlich sein würde. Was ich jetzt brauchte, war ein klarer Kopf. Also hatte ich mich auf einen Stuhl nahe der Tür gesetzt und linste nun alle paar Minuten nach draußen.
Der Lautstärkepegel senkte sich allmählich da drinnen und auch im Vorbereitungszimmer kehrte jetzt langsam Ruhe ein. Eine neue Welle von Nervosität jagte mir einen leichten Schauer über den Rücken. Nun würde es nicht mehr lange dauern!
Um mich abzulenken klaubte ich mein Handy aus der Tasche, um nachzusehen, ob ich eine SMS bekommen hatte. Hatte ich natürlich nicht.
Meine Mutter war grade an diesem Nachmittag mit ihren Freundinnen unterwegs und konnte mich deswegen leider nicht begleiten. Aber eigentlich bezweifelte ich auch, dass sie mitgekommen wäre, wenn sie Zeit gehabt hätte. Mamá interessierte sich nicht wirklich für Musik. Für Klassische schon gar nicht. Aber böse war ich ihr deswegen nicht, ich wusste, dass es unter anderem auch mit meinem Vater zu tun hatte.
Nachdem sich meine Eltern vor drei Jahren getrennt hatten, waren sie anfangs zwar beide noch relativ häufig mitgekommen, um zuzuschauen, aber irgendwann war dann nur noch mein Vater dabei gewesen. Und auch er war nach und nach immer seltener gekommen, häufig unter dem Vorwand, dass er Dinge für die Arbeit erledigen musste. In Wirklichkeit hatte es aber meistens etwas mit seiner neuen Frau zu tun, dass er weniger Zeit für mich hatte. Auch heute rechnete ich nicht mit ihm. Ich seufzte. Also musste ich mich hier alleine zurecht finden. Was für eine Folter.
In diesem Moment öffnete sich eine Hintertür und eine kleine Frau mit Headset kam zu uns in den Raum. Sie schickte die erste Teilnehmerin nach draußen. Ungeduldig kaute ich an meinen Fingernägeln, als sie an mir vorbeiging und dabei aufgeregt den Hals ihrer Geige umklammerte.
Durch einen kleinen Lautsprecher über der Tür, konnte ich ihr zuhören. Sie hatte ein Stück von Bach vorbereitet und spielte, soweit ich das beurteilen konnte, alles ohne Fehler.
Mit einem leichten Kribbeln im Bauch warf ich nochmals einen Blick auf meine eigenen Noten – die Nocturne No. 20 von Chopin. Wenn ich dieses Stück auch halbwegs fehlerfrei da vorne vorspielen könnte, wäre mir das unglaublich viel wert. Es war eins meiner Lieblingsstücke und ich hatte wirklich lange daran geübt.
Während das Mädchen die Bühne wieder verließ, beobachtete ich nervös, wie der Nächste hereingerufen wurde und zählte innerlich noch einmal die Minuten. Noch eine Viertelstunde.
Mittlerweile hatte ich mich wieder auf meinem Stuhl niedergelassen und ließ meinen Blick erneut durch den Raum schweifen, um mich nicht allzu sehr von dem beeindrucken zu lassen, was da draußen so vor sich ging. Es waren Musikinstrumente nahezu aller Art vertreten, aber am häufigsten gab es wie immer Streicher und Pianisten. Manche übten immer noch leise an ihren Stücken, gingen die Fingersätze durch oder summten leise die Melodie vor sich hin. Doch die meisten hatten sich nach und nach in eine ruhige Ecke verkrochen, unterhielten sich im Flüsterton oder warteten einfach schweigend, bis sie an der Reihe waren. Wenn ich nur auch so konzentriert und ruhig sein könnte wie die anderen, dachte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück.
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WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1
HorrorBAND 1 der "WOLVES"-Trilogie _________________________________________ Vier Schulklassen. Eine Abschlussfahrt. Ein prunkvolles Schloss im Schwarzwald. Und ein Spiel, das schon bald tödlicher Ernst wird... Ein bekanntes Partyspiel im Großformat - mi...