Kapitel 11

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Nach einem mehr oder weniger erholsamen Schläfchen ist der Nachmittag nach dem ersten Programm unserer Klassenfahrt doch recht schnell vergangen und somit ist es auch schon bald Zeit, sich zur ersten Dorfversammlung in den Gemeinschaftsraum zu begeben. Jolina, Louisa und ich sind bereits einige Minuten vorher nach unten gegangen, um noch einmal die Sache mit Jenny und Viktoria durchzusprechen. Genau, wie meine Freundinnen, blicke ich der Versammlung mit einer gewissen Anspannung entgegen, aber nicht nur weil wir uns ganz genau der Folgen bewusst sind, die unser Versagen nach sich ziehen würde. Keine von uns spricht es aus, doch wir kennen sie alle genau - diese Frage, die überdeutlich um uns herum summt, wie eine hartnäckige Wespe. Wie viel wissen die anderen mittlerweile über die Sache mit Vivian?

Ich seufze. Dass das Ganze kein Geheimnis bleiben wird, ist mir bewusst, doch ich fürchte bereits die Fragen der anderen, die zweifelsohne auftauchen werden.

Um kurz vor acht kommt die erste Gruppe von Schülern in den Gemeinschaftsraum, ein paar Jungs und Mädchen aus der 10b. Nach einem eingehenden Blick stelle ich allerdings fest, dass sie zu unbeschwert unterwegs sind, als dass sie etwas Genaueres wissen könnten und ich nehme erleichtert die nächste Gruppe ins Visier. Nach fünf Minuten ist der Gemeinschaftsraum zur Hälfte gefüllt und in mir macht sich bereits ein etwas ruhigeres Gefühl breit, als jedoch mit einer der letzten Gruppen einige Mädchen aus unserer Klasse eintreten und direkt auf Jolina, Louisa und mich zukommen. Alle fünf Mädchen aus Zimmer 37 rund um Emily und Mila stellen sich zu uns und durchbohren uns mit forschenden, ungläubigen Blicken.

„Hannah hat es uns erzählt", beginnt Mila mit gedämpfter Stimme. „das mit Vivi. Ist das wahr? Stimmt es dass sie..."

Sie bricht abrupt ab, als Jolina nach einem Blickwechsel mit Lou und mir langsam nickt. Entgeistert wechselt sie einen Blick mit den anderen Mädchen.

„Aber...wie? Wie konnte das passieren?" Emily tritt vor, die Augen groß vor Ungläubigkeit.

Beschwichtigend fasst Jolina sie an der Schulter und legt mit einem Seitenblick auf unsere übrigen Mitschüler den Zeigefinger an die Lippen. Dann fixiert sie die Mädels mit festem Blick.

„Wir wissen es auch nicht. Wir haben genau so wenig gesehen, wie Michelle, Hannah und die anderen. Als wir zu ihr wollten, war Vivi nicht mehr da."

„Scheiße", zischt nun Sarah und schüttelt den Kopf. „Das kann doch nicht sein."

„Und...was machen wir jetzt?", fragt Jana mit dünner Stimme. „Michelle hat erzählt, sie hätten zu fünft den Innenhof samt Umgebung abgesucht. Sie ist nicht da!"

Ganz genau, denke ich und schließe die Augen. Und sie wird auch nicht mehr auftauchen. Das Spiel hat sie beseitigt. Hier sind sie nun also, die unerwünschten Fragen. Und der Himmel weiß, was wir jetzt damit anstellen sollen.

Jolina will grade etwas sagen, als nun auch ein paar Jungs aus unserer Klasse dazu stoßen. Unser Klassensprecher bahnt sich einen Weg durch die wartenden Schüler, im Schlepptau Noah und Magnus.

„Leute", meint Nick leise, als er neben uns steht. „Ich weiß ja, dass man nicht jedes Gerücht glauben soll, aber ich muss jetzt einfach wissen, ob es stimmt, was Charlotte uns erzählt hat. Ist Vivian wirklich..."

Als er die ernsten Gesichter der Mädchen und obendrein Emilys Tränen sieht, die ihr nun über die Wangen laufen, verstummt er und seine Gesichtszüge entgleisen ihm augenblicklich. „Oh."

Die Jungs wechseln ebenfalls einen ungläubigen Blick, ehe Magnus sich nach einer kurzen Schweigepause des Entsetzens zu Wort meldet.

„Und jetzt? Wir müssen es einem Lehrer sagen, wir können doch nicht einfach so weitermachen."

WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt