Kapitel 25

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Die Stille, die sich im Raum ausbreitet, als ich mit Erzählen fertig bin, ist so drückend, dass ich das Gefühl habe, jemand presse mir seine Faust auf die Brust, um mich am Atmen zu hindern. Ich schweige, Alex schweigt, doch ich weiß, dass sich in seinem Kopf grade ganz andere Dinge abspielen, als in meinem.

Während er über meine Worte nachdenkt, muss ich nahezu alles darauf verwenden, mich wieder zu beruhigen und mich geistig wieder von dem zu distanzieren, was passiert ist. Ich bin immer noch wütend auf Alex, auch wenn ich es mittlerweile schaffe, einigermaßen normal mit ihm zu reden. Es bringt nichts, mir etwas anderes weiszumachen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit holt Alex endlich Luft und das Geräusch klingt in meinen Ohren so laut, das ich leicht zusammenzucke.

„Okay.", meint er und seine Stimme klingt rau, als wäre sie während der Zeit, in der ich geredet habe, eingerostet. Er räuspert sich. „Wegen der Nachhilfe - ich wollte nie, dass du dich von mir vernachlässigt fühlst, Mirjam." Er spricht langsam und bedächtig, als müsse er erst die richtigen Worte finden.

„Dass ich mich mehr darum gekümmert habe, als um dich, war aber nicht richtig, das stimmt.", fährt er fort. „Rebekka ist mir wichtig und ich wollte ihr einfach helfen, aber ich weiß im Nachhinein, dass ich mit dir einfach von vorn herein offen darüber hätte reden sollen. Aber das habe ich nicht gemacht und das tut mir leid. Mir ist jetzt klar, dass das auf dich missverständlich gewirkt haben muss."

Bei diesen Worten schnellen meine Augenbrauen überrascht hoch. Eine Entschuldigung hätte ich echt nicht von ihm erwartet - eher, dass er es dementiert, so wie damals. Stattdessen sitzt er hier, sieht mich mit offenem Blick an und gesteht sich selbst die Schuld an dem ein, was geschehen ist. Oder zumindest einen Teil davon. Der andere, weitaus größere Teil interessiert mich jedoch am meisten und das weiß scheinbar auch er.

„Aber nun zu dem Rest: Du sagst, du hast mich an diesem Abend mit Rebekka gesehen. Im Kino."

Es ist eine Feststellung, keine Frage. Er nimmt es hin, wie ich es gesagt habe, streitet es nicht ab. Aber der nächste Hammer lässt zu meinem Leidwesen nicht lange auf sich warten, denn schon stellt er die nächste Frage:

„Bist du dir wirklich sicher, dass ich es war, den du gesehen zu haben glaubst?"

Nun schaut er mich direkt an und die Abwesenheit in seinem Blick ist verschwunden. Er erwartet eine Antwort von mir. Mit blitzenden Augen schaue ich zurück und als ich ihm antworte schwingt wieder die altbekannte Aggression in meiner Stimme.

„Ja, natürlich. Ich hab dich genau erkannt. Und ich bin mir mehr als sicher, dass ich mich nicht getäuscht habe."

Alex nickt und seine Miene erhärtet sich. „Ich kann es aber nicht gewesen sein, weil ich zuhause war und für eine Klausur lernen musste. Das habe ich dir ja damals schon gesagt."

Bitte? Was soll das jetzt? Ich hole schon empört Luft, doch er hebt die Hand und redet weiter.

„Es gibt aber noch etwas, das du wissen solltest, bevor du dich jetzt wieder aufregst." Er wartet und sein Blick ist so eindringlich, dass ich nicht anders kann, als den Mund zu halten. „An dem gleichen Abend, als du im Kino warst, war Rebekka mit meinem Bruder unterwegs. Die beiden waren zu dem Zeitpunkt noch zusammen - insgesamt ungefähr drei, vier Monate - aber egal."

Für einen Moment bin ich verwirrt. Was zum Henker hat sein Bruder jetzt damit zu tun? Er soll gefälligst aufhören, von sich selber abzulenken!

Doch dann wird sein Blick mit einem Mal weich und ich glaube, darin die Wahrheit zu erkennen, obwohl ich mir langsam nicht mehr sicher bin, was noch zur Wahrheit gehört und was nicht.

WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt