Epilog

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Als ich mit meiner verhassten Bandage am Bein mithilfe meiner Krücken auf den Schulhof humple, scheint die Sonne hell auf den Platz. Die Wärme, die mich umgibt lässt mich in allen Poren spüren, dass der Sommer da ist und eine leichte Brise weht mir um die Nase.

Mit einem tiefen Atemzug schließe ich die Augen und recke mein Gesicht der Sonne entgegen. Der letzte Schulvormittag vor den Sommerferien neigt sich grade seinem Ende zu und gemeinsam mit Louisa warte ich draußen vor der Tür auf die anderen. Als ich mich erneut auf meine Krücken stütze, seufze ich. Dass ich grade bei dieser Hitze mit solchen Dingern rumlaufen muss, ist natürlich eine undankbare Angelegenheit, aber mit meinem verstauchten Knöchel werde ich die wohl noch für eine unbestimmte Zeit brauchen.

Nach ein paar Minuten geht endlich die Tür zum Hauptgebäude auf und Rebekka kommt heraus. Sie umarmt erst mich, dann Louisa und stellt sich dann neben uns.

„Na, ihr zwei, wie geht's euch? War euer Tag auch so anstrengend wie meiner?"

„Mindestens", antworte ich.

Sie lächelt und mustert meinen bandagierten Fuß.

„Und wie geht es dem? Meinst du, du bist die Krücken bis zu deinem Geburtstag in zwei Wochen los?"

Ich zucke mit den Schultern. „Wäre schön, wenn. Aber ich glaube es eher nicht."

„Du musst dir langsam überlegen, wen du einlädst", erinnert mich Louisa.

„Stimmt."

Wir plaudern eine Weile und erzählen uns grade, wie sehr wir uns auf die Ferien freuen, als es endlich klingelt. Nach und nach kommen alle Schüler aus dem Gebäude und ich sehe einige bekannte Gesichter von der Klassenfahrt.

Nachdem wir wieder in Berlin waren, war es für alle zunächst schwer gewesen, einigermaßen zur Normalität zurückzukehren. Das, was passiert war, war nach wie vor allgegenwärtig und so schnell ließ sich das Ganze nicht vergessen. Doch nach und nach gelang es uns immer besser, das Vergangene vergangen sein zu lassen und nach vorn zu schauen. Dem einen mehr, dem anderen weniger.

Unauffällig mustere ich die anderen. Keiner hat je darüber gesprochen, doch es ist, als wären wir alle stumm übereingekommen, nicht mehr über das zu reden, was auf unserer Stufenfahrt passiert ist. Sowohl untereinander, als auch mit Außenstehenden. Es ist und bleibt unser Geheimnis. Wenn überhaupt, wissen die anderen Klassen nur über Idas Selbstmord Bescheid.

Was das angeht, mussten wir letzten Endes wegen der Polizei und einiger notwendiger Regelungen noch ein paar Tage auf dem Schloss bleiben. Vor ungefähr anderthalb Wochen sind wir dann erst zurückgekommen und vor zwei Tagen war Idas Beerdigung. Fast die ganze Stufe war anwesend. Und ein bisschen war es, als würden wir damit nicht nur Ida gedenken, sondern auch Vivian, Maja und Nathan.

Doch was diese drei betrifft, scheint sich abgesehen davon niemand an sie zu erinnern. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Niemand vermisst sie. Und auch in unserer Stufe verblassen die Erinnerungen an sie allmählich. Als würden ihre Namen und alles, was sie in unserem Leben bewirkt haben, genauso ausgelöscht, wie ihre toten Körper auf der Klassenfahrt, die nie jemand gefunden hat. Auch jetzt sind meine Erinnerungen an sie, ihre Erscheinungen in meinem Kopf nur noch trübe Bilder ohne Details. Bei der Erkenntnis überläuft mich ein Schaudern.

Meine Aufmerksamkeit wird schließlich vom Spiel weggelenkt, als ich eine schlanke Gestalt erblicke, die aus dem Schulgebäude kommt. Es ist Jolina, die sich allein in eine Ecke des Schulhofs zurückzieht und auf ihrem Handy herumtippt. Sie wirkt einsam.

Louisa, die meinem Blick gefolgt ist, seufzt. „Wirst du sie einladen?"

Kurz zucke ich zusammen, bis mir einfällt, dass wir ja grade über meinen Geburtstag reden.

WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt