Das warme, pastellhelle Sonnenlicht scheint durch die Baumkronen auf unsere Lichtung und wirft seine Strahlen über das satte Grün, sodass man den Tau auf den Spitzen der Grashalme glitzern sieht. Um mich herum höre ich aufgeregtes Geplapper, Schritte rascheln durch das Gras, doch ich interessiere mich nicht für den Tumult um mich herum. Mit vorsichtigen Bewegungen streiche ich Alex durch die schwarzen Haare und lauere auf jede kleine Bewegung, die mir verrät, dass er aufwacht. Sein Gesicht ist blass und er sieht abgekämpft aus, doch die friedliche und tiefe Ruhe, die sein Gesicht nun ausstrahlt, lässt alles, was passiert ist, bedeutungslos erscheinen.
Das Spiel ist vorbei. Endlich.
Kurz schließe ich die Augen und atme durch, als ich an die letzten Minuten denke. Kein Mensch kann beschreiben, wie mich die Erleichterung durchflutet hat, als ich endlich meine Finger um Alex' Handgelenk schließen konnte. Noch dazu, weil ich schon der festen Überzeugen gewesen war, dass ich es nie mehr schaffen würde - doch dann war alles so schnell gegangen, dass die Ereignisse, die darauf folgten, vor meinen Augen verschwommen waren. Ich kann mich nur noch erinnern, wie ein paar Jungs Alex mit letzter Kraft zur Lichtung geschleppt haben, nachdem er bei seinem Sturz mit dem Kopf auf ein morsches Holzstück geknallt war. Schaudernd streiche ich ihm weiter durch die Haare. Dass es so enden musste, wollte ich zwar nicht, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit.
Als wir wieder hier waren, hat man sich sofort um ihn gekümmert, so gut es ging und auch die anderen sind noch dabei, sich von dem zu erholen, was passiert ist. Mit einem kurzen Blick über die Lichtung registriere ich, dass Louisa nicht weit von mir entfernt sitzt und mit leerem Blick auf den Boden starrt. Etwas weiter links sitzt Rebekka und wird von ihren Freundinnen offenbar bis auf die Knochen mit Fragen gelöchert, obwohl sie scheinbar kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Seufzend mustere ich sie. Dass sie bei dem Suchtrupp war, der mich gefunden hat, hatte mich zuerst stutzig gemacht, doch letzten Endes war sie sozusagen meine Rettung gewesen. Bei dem Gedanken durchläuft mich ein Zittern.
Meine Aufmerksamkeit wird jedoch restlos von ihr weggelenkt, als ich eine Bewegung unter meinen Händen fühle. Als ich nach unten schaue, sehe ich tatsächlich, wie Alex sich regt. Seine Fingerspitzen zucken und seine Augenlieder flackern leicht, bis er sie nach ein paar Mal Blinzeln öffnet. Seine Stimme ist kaum mehr, als ein heiseres Krächzen.
„M-Mirjam? Wa..."
„Pscht", mache ich prompt und lege einen Finger auf seine Lippen. „Nicht reden. Du warst ohnmächtig."
Verständnislos runzelt er die Stirn. „Ohnmächtig? Aber wo...?"
Er dreht den Kopf in alle Richtung und ich lege vorsichtshalber eine Hand auf seine Brust, damit er liegen bleibt, doch er macht keine Anstalten sich aufzurichten. Stattdessen sieht er mich wieder an.
„Wo bin ich?"
„Im Wald", antworte ich. „Wir haben das Abschlussspiel hier gespielt. Du warst als letztes unten bei der Holzbrücke am Waldrand, zusammen mit mir. Das war vor ungefähr einer halben Stunde."
„Im Wald?", fragt er leise und in seinem Kopf scheint es zu rotieren. Ich mustere ihn dabei. Komischerweise denke ich gar nicht so sehr daran, dass er mich vor einigen Minuten noch hatte töten wollen, sondern vielmehr an die Gefühle, die in mir aufgeflammt sind, kurz bevor er zuschlagen wollte. Beinahe hätte ich es geschafft, denke ich. Letzten Endes ist mir der rettende Einfall doch zu spät gekommen, ganz, wie ich befürchtet hatte. Aber das ist jetzt nicht mehr von Bedeutung. Wir haben es geschafft. Alex ist bei mir, mehr brauche ich grade nicht.
Alex scheint sich derweil zu erinnern. Ich spüre, wie sich sein Körper versteift.
„Die Holzbrücke, sagtest du?"
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WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1
HorreurBAND 1 der "WOLVES"-Trilogie _________________________________________ Vier Schulklassen. Eine Abschlussfahrt. Ein prunkvolles Schloss im Schwarzwald. Und ein Spiel, das schon bald tödlicher Ernst wird... Ein bekanntes Partyspiel im Großformat - mi...