Kapitel 40

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Louisa
3.55 Uhr

Eine plötzliche starke Windböe fährt Louisa durch die Haare und gibt ihrer Ungeduld eine ungefähre Definition.

Obwohl außer Mirjam und Alex nur noch drei Leute im Spiel sind, scheint sich die Zeit, bis sie endlich aus dem Wald kommen, ins Unendliche zu ziehen. Zumindest geht es Louisa so. Seit beinahe vierzig Minuten sitzt sie mit Rebekka da und wartet auf das alles erlösende Zeichen von Jolina. Wenn das so weitergeht, hält Louisa das nicht mehr lange aus, so viel ist sicher.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hat die Warterei jedoch – endlich! – ein Ende. Schemenhaft sieht Louisa drei Gestalten aus dem Wald humpeln – besser gesagt: zwei Gestalten, die eine Dritte stützen. Verwirrt steht Louisa auf und gesellt sich mit Rebekka zu Jolina und den drei Schatten, die um sie herum stehen.

„Was ist denn mit euch passiert?", hört Louisa Jolina grade fragen. Bei näherem Hinsehen erkennt Louisa, dass es sich um zwei Jungs und ein Mädchen handelt. Das Mädchen und einer der Jungs sind Dorfbewohner; der Junge, der von ihnen gestützt wird, trägt ein blaues Armband.

„Mika und ich sind in ein Dornengestrüpp gefallen, als wir gekämpft haben", erklärt der Junge mit dem Dorfbewohner-Armband. Das Mädchen nickt.

„Zuerst hat er mich getötet und später hat er Nils erwischt. Hätte ich zwar nicht gedacht, dass man sich in dem dichten Gestrüpp noch bewegen kann, aber Mika scheint's geschafft zu haben."

Wie aufs Stichwort stöhnt Mika leise. „Ich mach's nie wieder. Scheiße, tut das weh!"

Jolina zieht eine Augenbraue hoch. „Das heißt also, du gibst auf, obwohl du den Kampf gewonnen hast?"

Schwerfällig hebt Mika den Kopf. Sein Gesichtsausdruck ist genervt und ihm ist sichtlich unwohl unter all den Blicken, als könne er immer noch nicht fassen, dass ihm sowas passiert ist.

„Ich fühl' mich, als hätt' ich mit 'nem Scheißlöwen gekämpft.", knurrt er. „Ob ich jetzt gewonnen habe, oder nicht, ist mir sowas von egal."

Jolina nickt und die drei geben ihre Armbänder ab und ziehen davon. Anschließend sieht sie Louisa mit mattem Blick an.

„Jetzt sind nur noch Mirjam und Alex im Spiel. Das heißt, es ist anzunehmen, dass einer der beiden der letzte Wolf ist, denn ihr könnt mir sagen, was ihr wollt, aber ich glaube nicht, dass von den dreien da hinten", sie weist mit dem Kopf in Richtung Nils, Mika und dem Mädchen. „einer der Letzte war."

Louisa starrt sie schweigend an und, obwohl sie es selbst bereits geahnt hat, haben Jolinas Worte eine gewisse Endgültigkeit. Tief in ihrem Innern hatte sie nämlich gehofft, es möge nicht so sein.

Rebekka, die neben Louisa steht, seufzt. „Zeig' nochmal den Zettel", verlangt sie und streckt die Hand aus. Jolina überreicht ihn ihr und gemeinsam beugen sie sich darüber.

Der letzte Hinweis hatte auch Louisa nicht viel gesagt. Selbst dann nicht, als Mirjam ihr am Abend zuvor die Wahrheit erzählt hatte. Von daher bezweifelt sie, dass sich das jetzt ändert. Nach einer Weile scheint Rebekka jedoch eine Ahnung zu haben.

„„Jeder der Sechs hat etwas, das ihn schwach macht", murmelt sie. „Das bedeutet, jeder hat eine Person, die ihm besonders nahe steht. Und wenn er nicht gefunden wird, tötet er diese Person. Und dann heißt es da: „Denn das, was ihm lieb ist, kann kein anderer ersetzen."" Rebekkas Stimme klingt, als spreche sie mehr zu sich selbst, als zu den anderen beiden. „Bei den vorigen Wölfen waren es die besten Freunde. Michelle hatte Vivian, Ida hatte Maja, bei Nick wäre es Elias gewesen, Paul hatte Nathan, ich hätte Alex getötet und..."

Mit einem Mal stockt sie und hebt ruckartig den Kopf – ihre grünen Augen leuchten.

„Es ist Alex", sagt sie und klingt dabei so entschlossen und sicher, dass es Louisa fröstelt.

WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt