Jolina
Als der übliche Tumult nach der Versammlung sich legt und der Gemeinschaftsraum sich leert, verfliegt die Anspannung allmählich. All die Stimmen und das Gemurmel verschwinden, all die Fragen, die nach einer Antwort verlangen, rücken fürs Erste in weite Ferne und es wird still. Lediglich ein erleichtertes Aufatmen ist zu hören. Endlich. Endlich hat sie für einen kurzen Moment Ruhe.
Wie jeden Abend bleibt Jolina noch ein Weilchen, um einige Sachen zu sortieren. Sie ordnet ihre Unterlagen, sucht den Boden nach Müll ab und bringt den Raum ein wenig auf Vordermann. Dann setzt sie sich auf den Stuhl in der Mitte, der ihr mittlerweile so vertraut geworden ist und nimmt ihren Block auf den Schoß, um sich Notizen zum heutigen Tag zu machen.
Doch heute kann sie sich noch nicht direkt damit befassen, zu erdrückend sind ihre Gedanken. Sie seufzt tief und jetzt, wo sie zum ersten Mal an diesem Tag wieder Zeit hat, in sich hinein zu horchen, spürt sie mit einem Mal eine Müdigkeit in ihren Gliedern, die, wie sie sich denken kann, von den Ereignissen der letzten Wochen herrührt. Irgendwie kommt plötzlich alles auf einmal. Das Spiel, die Toten, all das wirkt auf sie mehr und mehr, wie eine zentnerschwere Last, die sie kaum mehr tragen kann. Und dann noch das.
Tief atmet sie durch und zwingt sich, an die Auseinandersetzung zu denken, die sie grade miterlebt hat.
Es war abzusehen, dass das passieren würde, das ist ihr in dem Moment klar geworden, als sie Rebekkas Namen aus Mirjams Mund gehört hat. Aber was hätte sie machen sollen? Sie hätte es nicht verhindern können. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst ist, war dieser Streit nur eine weitere Folge dessen gewesen, was sie selbst angerichtet hatte. Etwas, was deshalb passieren musste.
Jolina zieht ihre dünne Jacke enger um die Schultern und überlegt, wann genau eigentlich alles angefangen hat. Sie ist sich sicher, dass es der Tag war, an dem sich Mirjam und Alex in der Schule begegnet sind. Dieser Tag nach den Osterferien. Mirjam, Louisa und sie selbst hatten sich, wie üblich, vor der Schule getroffen und es war eine regelrechte Wohltat gewesen, die beiden zu sehen, nach allem, was in ihren Ferien schief gelaufen war. Dass ihre Eltern ihr regelmäßig alles versauten, worauf Jolina sich freute, war nichts Neues gewesen, schon damals nicht. Aber trotzdem. Zwei solche Freundinnen zu haben, die auch dann geduldig waren, wenn man am liebsten alles in sich hineinfraß, war wertvoller als alles andere, was Jolina sich vorstellen konnte. Schon da hatte sie es gewusst, aber dennoch hatte sie das nicht von dem abgehalten, was zweifelsohne noch folgen sollte.
Denn dann war er plötzlich da gewesen. Alex. Aus dem Nichts war er aufgetaucht und auch, wenn ihre Freundin natürlich das Gegenteil behauptete, war Jolina von Anfang an klar gewesen, was Mirjam für ihn gefühlt hatte. Sie hatte ihr nichts vormachen können. Auch bei Alex war sich Jolina sicher gewesen, dass er Mirjam mochte. Und sie freute sich für Mirjam, ohne jeden Zweifel.
Dennoch fühlte Jolina damals zum ersten Mal diesen Stich in der Brust. Zu diesem Zeitpunkt war er zwar noch schwach und leicht zu ignorieren, doch er war da.
Von da an hatte er sie begleitet und als Mirjam nach einiger Zeit mit Alex zusammenkam, wurde dieses Stechen noch präsenter. Und das, obwohl sie es am liebsten ausgeschaltet hätte. Doch das war ihr nicht möglich, so sehr sie es auch versuchte. Wann immer sie die beiden zusammen sah, fühlte sie diesen Stich und schon bald tat es richtig weh. Anfangs konnte sie sich das absolut nicht erklären, da sie eigentlich wirklich froh war für ihre Freundin. Alex war nett und Jolina mochte ihn – aber irgendetwas hinderte sie daran, wirklich glücklich mit diesem Umstand zu sein. Und nach einiger Zeit glaubte sie, zumindest eine Ahnung zu haben, warum das so war: Die zwei wirkten so glücklich, so unbeschwert. Und ihre Beziehung hatte eine Ernsthaftigkeit, die Jolina schier sprachlos machte. Es war etwas, was sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es wirkte so...echt.
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WOLVES - the lies we use to tell || BAND 1
HorrorBAND 1 der "WOLVES"-Trilogie _________________________________________ Vier Schulklassen. Eine Abschlussfahrt. Ein prunkvolles Schloss im Schwarzwald. Und ein Spiel, das schon bald tödlicher Ernst wird... Ein bekanntes Partyspiel im Großformat - mi...