"When we were younger, we didn't know how it would be" - Little League, Conan Gray
Gehetzt sehe ich mich um und drehe mich einmal um die eigene Achse.
Neben mir herrscht das blanke Chaos und ich trete mit voller Wucht auf eine Playmobilfigur, weshalb ich mir ein Fluchen verkneifen muss und mich darauf beschränke einen Schmerzenslaut auszustoßen."Harry! Harry!", lacht Tara und wirft sich an mein Bein, umklammert es mit ihren dünnen Ärmchen wie ein Affe und grinst breit zu mir hoch, wobei ihre Prinzessinnenkrone etwas verrutscht.
"Harry, Oliver hat noch Durst, es gibt keinen Saft mehr!", höre ich Daniel hinter mir rufen und werfe einen Blick auf den Jausentisch, auf dem ein Krug mit Verdünnungssaft umgekippt ist. Die Flüssigkeit bahnt sich ihren Weg über die Tischfläche und tropft langsam aber stetig auf den Holzboden, während der dreijährige Oliver sein Käsebrot in die Pfütze legt und begeistert darin einweicht. Manchmal frage ich mich, ob eine gleitende Jause statt einer gemeinsamen wirklich so eine tolle Idee gewesen ist.
"Oliver, nimm dein Essen aus dem Saft", weise ich das rothaarige Kind an, das enttäuscht eine Schnute zieht, sein labbriges Brot hochhebt und mit einem Klatschen auf seinen Teller fallen lässt.
"Harry, Lina will mich nicht mitspielen lassen", beschwert sich nun Mary, die den Kopf aus der Bauecke heraustreckt, während ich schwer damit beschäftigt bin, Tara von meinem linken Bein zu lösen.
"Was macht sie überhaupt dort drin? Ich habe ihr doch eben gesagt, dass da schon genug Kinder drinnen sind, schick sie mir bitte raus, Mary."
Das Mädchen nickt so wild, dass ihre strubbeligen, schwarzen Haare hin und her wippen und ich seufze leise, schiebe die blonde Tara endlich von mir und eile zum Jausentisch hinüber.
"Es tut mir leid, ich hab nicht aufgepasst und dann ist das schon passiert", wimmert Freddie, der mit roten Augen auf seinem Platz sitzt und verheult auf den umgeworfenen Saftkrug sieht.
"Aber das ist doch kein Problem, du weißt doch, wie das hier läuft", entgegne ich lächelnd und streiche ihm beruhigend über den Rücken. "Das kann jedem mal passieren. Mit einem Lappen ist das Unglück ganz schnell wieder weggemacht."
Schniefend nickt er leicht und erhebt sich von seinem Stuhl, um sich den blauen Wetex zu holen, der über der Spüle hängt.
Die gesamte kleine Küche in der Gruppe ist so niedrig, dass die Kinder alles leicht erreichen können und ich habe schon an so manchem Tag, nachdem ich den Abwasch erledigt habe, ordentliche Rückenschmerzen davongetragen.
"So, was ist jetzt mit Lina?", sage ich zu mir selbst und mache mich auf den Weg in die Bauecke, wo Mary schimpfend wie ein Rohrspatz vor der kleinen Lina steht und versucht sie an den langen Haaren von ihrem Bauklotzturm wegzuziehen.
"Mary, lass sie aus, siehst du nicht, dass du ihr weh tust? So würdest du doch auch nicht gerne behandelt werden." Bemüht ruhig gehe ich neben den beiden in die Knie und lege einen Arm um das schwarzhaarige Mädchen, das mich bockig ansieht. "Du bist schon ein Blütenkind, Mary. Lina ist noch ein Knospenkind und erst seit wenigen Tagen bei uns, sie weiß vielleicht einfach noch nicht genau, wie wir das hier im Kindergarten machen. Wie wäre es, wenn du es ihr einfach einmal erklärst?"
"Es dürfen immer nur vier Kinder gleichzeitig in die Bauecke. Da vorne ist ein Platz wo man seine Patschen hinstellen kann. Wenn alles besetzt ist heißt das, dass gerade keiner mehr hereindarf", sagt sie und zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Stelle am Boden, wo kleine Fußabdrücke abgebildet sind, auf denen vier Paar bunte Schuhe stehen.
"Genau", pflichte ich ihr bei und schenke Lina, die etwas verschreckt zu uns aufsieht, ein freundliches Lächeln. "Als du mich vorhin gefragt hast, habe ich dir gesagt, dass Mary, Alexander, Paul und Emma hier schon spielen und du deswegen gerade nicht hineindarfst. Fürs nächste Mal weißt du es, ja? Komm mit mir mit, ich gebe dir in der Malecke ein tolles Mandala."
Erwartungsvoll strecke ich die Hand aus, die das junge Mädchen nach kurzem Zögern schüchtern ergreift, und gemeinsam gehen wir aus der Ecke und lassen die anderen vier Kinder ihr Spiel weiterführen.
"Harry, kannst du mir ein Buch vorlesen?", fragt Ronald, Olivers älterer Bruder, aufgeregt und hält mir das Bilderbuch 'Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte' unter die Nase.
Es ist das Buch, über das mein Kollege und Freund Liam gestern eine Erzählung gemacht hat und zu dem morgen noch ein Rollenspiel ansteht, für das ich heute Nachmittag noch eine Menge Kostüme anfertigen muss. Alleine beim Gedanken daran, dass mein Arbeitstag sich heute vermutlich bis in die späten Abendstunden ziehen wird, muss ich leise seufzen, was von Lina nicht überhört wird.
Erschrocken schaut sie zu mir hoch und ich drücke schnell ihre Hand. "Ist nicht deinetwegen", versichere ich und sehe zu Ronald hinunter, auf dessen kleiner Nase sich die Sommersprossen nur so tummeln.
"Warte einen Moment, ja? Ich gebe Lina nur eben etwas zum Malen", sage ich zu ihm und er nickt eifrig, ehe er im Pferdegalopp zur Leseecke hüpft und sich in die Kissen fallen lässt.
Nachdem ich das Mädchen bei Celina und Anita am Maltisch abgeliefert habe und erfreut dabei zusehe, wie sie voller Tatendrang nach den Buntstiften greift und sogleich mit den beiden anderen ins Gespräch kommt und von diesen ohne Umschweife aufgenommen wird, wird mir warm ums Herz. Das sind die Momente, in denen ich deutlich vor Augen geführt bekomme, wie toll Kinder manchmal sein können und wieso ich den Beruf als Kindergartenpädagoge gewählt habe.
"Ihr räumt bitte hier noch ein bisschen auf, wir gehen später in den Turnsaal", befehle ich Tara, Jade, Ivy und Hasan, die im Bereich für Wohn- und Familienspiel ordentlich gewütet haben.
Letzterer zieht gerade einer Puppe ein Kleid an, schaut herausfordernd zu mir hoch und schüttelt den Kopf."Wir wollen aber noch spielen", widerspricht er mir und ich nicke verstehend.
"Ihr könnt später weiterspielen, ich möchte nur nicht, dass es so aussieht, als wäre Taz hier durchgefegt."
Der Gedanke an den Charakter aus 'Looney Tunes' bringt den Jungen mit türkischen Wurzeln zum Kichern und er macht sich schließlich mit den drei Mädchen daran, etwas Ordnung in die Puppenstube zu bringen.
Kurz checke ich noch, ob bei Freddie und dem Aufwischen alles geklappt hat, lobe ihn, weil er es ganz alleine geschafft hat, und begebe mich dann zu Ronald, der schon unruhig auf mich wartet.
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Als Einstieg erst einmal ein kleiner Einblick in Harrys Job als Kindergartenpädagoge. Ich hoffe es hat euch gefallen.
Das ist übrigens auch die Ausbildung, die ich mache.
Eine gleitende Jause bedeutet, dass die Kinder quasi die ganze Zeit essen gehen können, wenn sie das wollen. Bei einer gemeinsamen Jause essen alle einmal zusammen.
Unter den Kindern gibt es eine Einteilung in ältere und jüngere. Da hat jeder Kindergarten seine eigenen Bezeichnungen denke ich. Bei Harry eben Blüten/Knospenkinder. Ein anderes Beispiel wäre Rot/Gelbpunkte.
Bis bald
Maybe[1148 Wörter]
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Treat People With Kindness || larry stylinson fanfiction
Fanfiction"Darf ich dich nicht attraktiv finden, nur weil ich nicht homosexuell bin, Harry?" Harrys Job ist nicht vorhersehbar, jeden Tag ein wenig anders und kunterbunt. Als leitender Kindergartenpädagoge hat er sich einen langjährigen Berufswunsch erfüllt...