Nico
Ich bin so auf meine Flucht vor Emily und meinen eigenen, in meinem Kopf umherschwirrenden Gedanken fokussiert, dass ich die zierliche Gestalt, die sich buchstäblich auf den Beifahrersitz meines Wagens stürzt, erst gar nicht bemerke.
Wie selbstverständlich ist sie in den Wagen gesprungen und hat mir befohlen los zu fahren. Ich bin viel zu verwirrt, um etwas zu erwidern, drücke das Gaspedal durch und fahre einfach los.
Erst nach den ersten 100 Meter habe ich mich von Emily's Ausbruch und Noras plötzlicher Gesellschaft innerlich etwas beruhigt. Frustriert reibe ich mir über die Wange, die von Emily's Schelle bestimmt noch gerötet ist. Sie hat Leon noch nie geschlagen, aber er ist ja auch ihr Fleisch und Blut.
„Sorry. Ich wusste nicht, was ich tun sollte", meldet sich plötzlich Nora neben mir.
Ich zucke leicht zusammen, als sie so plötzlich die Stille im Auto zerbricht.Erst jetzt bemerke ich die Tränen, die ihr still, aber wie Wasserfälle über die Wangen laufen.
Fuck.
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Warum habe ich es nicht früher gerafft?Jessica und Leon im Wohnzimmer.
Nora mit dieser überdimensionalen Torte vor unserer Haustür.Sie wollte Leon überraschen und das hatte sie anscheinend auch geschafft.
Nora wusste also noch gar nichts davon. Wie lange hat mein Bruder es ihr wohl verheimlicht?
Die beiden sassen bestimmt eng umschlungen auf der Couch und Nora war mitten hineingeplatzt.
Als sie dann von Leon abhaute, folgte er ihr und da sie zu Fuss unterwegs war, fiel ihr nichts besseres ein, als sich in mein Auto zu setzen. Weil ich nämlich auch gerade von diesen Leuten fliehen wollte.
Das alles reime ich mir in Windeseile zusammen und weiss dann nichts intelligenteres zu sagen als: „Er ist ein Arschloch."Es soll tröstend klingen, aber mein Tonfall muss zu harsch gewesen sein, denn Nora zuckt zusammen. Ich merke, dass ihr die Situation mindestens genauso unangenehm ist wie mir. Sie wendet verlegen das Gesicht von mir ab und blickt aus dem Fenster. Vermutlich will sie die Tränen vor mir verbergen.
„Ehm... wo wohnst du?", frage ich, weil mir nichts besseres in den Sinn kommt und ich nicht weiss, wo ich sie absetzen soll.
Ein Schniefen ertönt und hastig fährt sich Nora mit der Handfläche übers Gesicht. Ihre haselnussbraunen Haare wirken zerzaust und ihre grossen Augen sind vom Weinen gerötet.
In dem Moment hasse ich meinen Bruder.„Ich... will nicht nach Hause. Noch nicht", schnieft sie leise und ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
„Soll ich dich dann zu einer... Freundin bringen? Diese Blonde, ihr versteht euch gut, oder?", frage ich weiter. Ich weiss nicht, worauf Nora hinaus will.
„Katie", bestätigt sie, „sie ist nich' zu Hause."
Ich bin inzwischen auf der Autobahn, aber dass scheint Nora nicht zu stören.
„Okay, wo willst du dann hin?"
„Ganz ...weit weg", seufzt sie jetzt und kann ein weiteres Schniefen nicht unterdrücken.
Fragend blicke ich in ihre Richtung, doch sie hat ihr Gesicht wieder zum Fenster gewandt.
Ganz weit weg?
Same Bro.
Ich habe keine Ahnung, was sie nun von mir erwartet. Will sie, dass ich sie irgendwo im nirgendwo absetze? Soll ich einfach eine Weile herum fahren und sie dann trotzdem nach Hause bringen?Äusserst unsicher biege ich in die nächste Nebenstrasse ein und passiere eine mir gut bekannte Landstrasse.
„Ähm... kannst du das etwas genauer definieren, ich glaube nicht, dass das Navi für „weit weg" einen Zielort findet", meine ich schliesslich. Nora lässt, zu meinem Erstaunen, ein leises Kichern hören.
„Beachte mich einfach nicht", sagt sie schliesslich, immer noch leise.
„Fahr einfach dort hin, wo du sonst auch hingefahren wärst. Ich kann dann auch einen Bus oder ein Taxi für nach Hause nehmen, wenn ich dir auf die Nerven gehe."„Du willst mitkommen?", frage ich perplex nach und sie nickt.
„Okay, aber dann mach es dir bequem, das hier könnte eine etwas längere Fahrt werden."
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Zwei Sterne am Nachthimmel
RomanceEs gibt Menschen, die glänzen und funkeln wie Sterne. Sie leuchten heller als alle anderen an diesem dunkeln Nachthimmel und übertrumpfen den Rest. Man kann nicht anders, als fasziniert hinzustarren, nicht fähig seinen Blick abzuwenden. Doch manchm...