Kapitel 17.

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Nico

Zögernd klopfe ich dreimal gegen die Tür und hoffe, dass niemand antwortet. Aber meine stummen Gebete werden natürlich nicht erhört.

„Herein", ertönt auch schon die tiefe Stimme des Direktors und ich betätige seufzend die Klinge.
Wie immer sitzt Rektor Falkenau hinter seinem überladenen Schreibtisch und beäugt mich kritisch, als ob er mich nicht erwartet hätte und sich nun fragt, wer zum Henker ich bin und was ich von ihm will.
Dabei hat er mich höchstpersönlich hier hin bestellt. Und kennen tut er mich leider all zu gut.

Mit seiner halbmondförmigen Brille und dem grauen Stoppelbart hat er tatsächlich gewisse Ähnlichkeit mit Professor Dumbledore. Nur bin ich in diesem Fall nicht Harry Potter, denn der Rektor kann mich offensichtlich nicht leiden.

„Herr Brand, setzen sie sich doch bitte", befiehlt er mit ruhiger Stimme und deutet auf den Stuhl ihm gegenüber.
Erneut seufzend lasse ich mich auf den besagten Stuhl fallen und schaue den Professor erwartungsvoll an.
Ausnahmsweise weiss ich dieses Mal echt nicht, warum er mit mir sprechen will. Ich überlege, ob ich in letzter Zeit irgendwelche Scheisse gebaut habe, aber tatsächlich fällt mir auf die Schnelle nichts ein.

„Ihre Mutter hat mich angerufen", beginnt Rektor Falkenau und holt mich somit aus meinem Unwissen.
Natürlich. Jetzt kommen wir der Sache schon näher.

„Sie hat mir mitgeteilt, dass Sie sich entschieden haben, auf ein Internat zu wechseln."

Dass Sie sich entschieden haben. Ha.Ha. guter Witz.
Ich beschliesse aber nichts zu sagen und abzuwarten, was der Professor sonst noch so zu berichten hatte.

„Ich muss sagen, dass ich diesen Wechsel nicht ganz nachvollziehen kann."

Same Brother.

„Natürlich sieht man ihren Noten deutlich an, dass sie im letzten halben Jahr gesunken sind", fährt der Rektor fort und hält mir ein Blatt vor die Nase, auf welchem offensichtlich meine letzten Zeugnisnoten abgebildet sind.
„Nichts desto trotz sind Sie immer noch ein Durchschnittsschüler und könnten mit etwas Fleiss den Abschluss ohne Weiteres schaffen", erklärt der Rektor und ich nicke leicht.
Das weiss ich auch, Alter, aber erklär das mal Emily.
Ich schweige jedoch immer noch und warte darauf, das Falkenau weiter redet.
„Ihre Mutter hat mir aber berichtet, dass es sich bei Ihrem Wechsel viel mehr um soziale Gründe handelt. Wie wir letzte Woche schon besprochen haben, sind sie in letzter Zeit häufiger negativ im Unterricht aufgefallen."

Ich war eingepennt. Zweimal im Unterricht und einmal während einer Prüfung. Deswegen war ich letzte Woche auch schon häufiger hier und der Rektor hat sich bei meinen Eltern gemeldet.

„Ihre Mutter hat mir aber berichtet, dass Sie sich in dieser Schule nicht mehr wohlfühlen und dies dazu beiträgt, dass sie diese Schule möglichst bald verlassen möchten."

Möchten.
Meine Stiefmutter hat entschieden, dass ich die Schule verlasse. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht die Definition von möchten ist.

Zudem kann ich nicht glauben, dass Emily dem Rektor aufgetischt hat, dass ich hier gemobbt werde oder so. Die einzige Person, die das wirklich tut, ist meine Stiefmutter selbst.

„Ich akzeptiere ihre Entscheidung also und ich bedaure, dass es soweit kommen musste. Wenn sie Probleme haben, wenden sie sich bitte an unsere Schulpsychologin Frau Grossen. Ihre Unterlagen können Sie Ende nächster Woche hier abholen. Alles weitere besprechen wir dann. Haben Sie noch Fragen, Herr Brand?", will Herr Falkenau jetzt wissen und blickt mich erwartungsvoll an.

Warum ich geboren wurde oder in welche Ecke ich mich übergeben kann, sind wahrscheinlich nicht die Fragen, die er hören will. Deswegen schüttle ich den Kopf.
„Nein, ist alles klar. Kann ich jetzt wieder gehen?" , will ich wissen und der Direktor nickt.

„Wir sehen uns nächste Woche nochmals, Herr Brand", erinnert mich Falkenau, bevor ich zur Tür hinaus husche. In seinem Tonfall klingt etwas Drohendes mit. Beinahe so, als ob er sagen will „Wehe du stellst noch etwas an, noch bist du an dieser Schule".

„Verstanden, Herr Falkenau. Auf Wiedersehen", murmle ich, ehe ich augenverdrehend die Tür hinter mir schliesse.

„Uuund?", fragt Beni direkt, der zusammen mit Kayla vor der Tür auf mich gewartet hat.
Angesichts meiner grimmigen Miene verändert sich seine Stimmung aber schlagartig.

Natürlich hätte ich dem Rektor sagen können, dass ich diese Schule eigentlich gar nicht verlassen will. Natürlich hätte ich mich mehr wehren können. Aber was hat das schon für einen Sinn. Emily hätte trotzdem einen Weg gefunden, mich auf das Internat abzuschieben. Zudem hat sie genügend Geld, um Falkenau Angst zu machen oder ihn zu bestechen.

„Wie es aussieht, zieh ich bald in den Knast", meine ich sarkastisch und Benis Grinsen fällt schlagartig in sich zusammen. Auch Kayla, die sich an der Wand angelehnt hatte, macht bei meinen Worten einen traurigen Eindruck. Sie wollen nicht, dass ich gehe. Bisher wollte ich das auch nicht. Und auch jetzt will ich es noch nicht.

Aber ich würde dem Thema in nächster Zeit einfach möglichst aus dem Weg gehen. Vielleicht kann ich Dad ja noch überreden.

Etwas Zeit wird Emily mir ja hoffentlich noch lassen.

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