Kapitel 33.

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Nico

Ich werde von Leons lautem Gebrüll ziemlich unbequem aus dem Schlaf gerissen.

„Du solltest dich verdammt nochmal von ihr fernhalten!"

Verwirrt richte ich mich auf und mustere meinen Halbbruder, der mich mit hochrotem Kopf anschreit.

„Du solltest dich von Nora fernhalten, verdammt!"

„Hab ich doch", nuschle ich noch halb im Schlaf und kassiere dafür einen mordlustigen Blick von Leon.

„Ach ja? Und warum ruft die Gute dann heute morgen um drei einfach bei mir an um mir zu sagen, dass sie sich Sorgen um dich macht?"

Leon platzt gleich vor Wut und ich kann von Glück reden, hab ich das noch nicht zu spüren bekommen. Körperlich meine ich. Aber lange wird das bestimmt nicht mehr dauern.

„Sie hat was?!", erstaunt rapple ich mich nun ganz hoch und starre meinen Bruder mit offenem Mund an. Nora hat ihn angerufen, um mit ihm über mich zu reden? Wo war der Sinn?

„Ja verflucht! Jetzt tu nicht so scheinheilig! Aber da du ihr scheinbar von deiner Tablettensucht erzählt hast, hast du bestimmt nichts dagegen, wenn Mom und Dad es nun auch erfahren!", Leon spuckt mir die Worte förmlich entgegen.

„Ich... Ich hab ihr nichts davon erzählt", stammle ich keuchend und versuche einen klaren Kopf zu fassen. Leons Worte kommen erst richtig bei mir an, als er schon halb zur Tür raus ist.

„Warte! Leon! Verdammt, du kannst nich-!"

„Tja, Bruderherz. Pech gehabt. Du hast dich nicht an unseren Deal gehalten!", mit diesen Worten verlässt er das Zimmer.

Verdammt. Woher weiss Nora davon?
Aber das ist im Moment mein geringstes Problem, den Leon ist gerade dabei zu meinen Eltern zu gehen und mein Leben zu zerstören.

In Windeseile stolpere ich aus dem Bett und fische mir ein T-Shirt vom Boden, welches ich mir im Laufen über den Kopf ziehe. Doch schon als ich bei der Treppe ankomme, weiss ich, dass ich bereits zu spät bin.

Laute Stimmen dringen aus der Küche zu mir und einige Sekunden später kreischt Emily meinen Namen durch das ganze Haus.

Ich bin so gut wie tot.

Mit hängendem Kopf trotte ich also in die Küche, wo mich der Rest meiner Familie bereits erwartet. Leon grinst schadenfreudig und sein Blick haftet die ganze Zeit auf mir, als mein Vater enttäuscht seufzend den Kopf schüttelt.

„Setzen! Alle beide!", befiehlt er. Seine Stimme klingt gefährlich ruhig und ich weiss, dass sich das sehr bald ändern wird. Die Ruhe vor dem Sturm.

Ich folge schweigend seinem Befehl und lasse mich auf den erst besten Stuhl fallen. Leon schwingt sich direkt neben mich, damit ihm auch ja nichts von dem Spektakel entgeht.

„Was fällt dir ein, dich einfach an meinen Sachen zu bedienen, du verfluch-!", schreit Emily auch schon los und ich senke den Blick, um nicht ständig in ihre verzerrte Fratze sehen zu müssen. Doch mein Vater unterbricht sie.

„Schatz. Lass mich das bitte übernehmen", sagte er und Emily verstummt.
Vermutlich ist ihr nur recht, wenn mein Vater mich auch mal auseinandernimmt. Das ist doch genau das, was sie will.

„Leon hat uns erzählt, dass du Emily's Schlaftabletten stiehlst, ist das wahr?", fragt Dad jetzt und ich hebe flüchtig den Blick nur um zu nicken. Lügen würde eh nichts mehr bringen. Sie müssten nur mein Zimmer durchsuchen und würden die leeren Schachteln unter meinem Bett sofort entdecken. Und dann wäre ich geliefert. Noch mehr, als ich es jetzt war.

Mein Vater seufzt. „Wie lange schon?", fragt er schliesslich und ich senke meinen Blick erneut. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen.

„Einige Wochen", versuche ich es, doch Leon dieser Mistkerl, fällt mir sofort ins Wort.

„Fast ein halbes Jahr. Er schmeisst sich das Zeugs schon viel länger runter!"

Der zornige Blick meines Vaters trifft mich wie ein Messerstich und ich kann nicht anders, als den Blick wieder zu senken. Ich habe meinen Vater selten zornig gesehen. Immer war es Emily, die wütend oder unzufrieden war. Mein Vater war die Ruhe in Person.
Ihn jetzt so wütend zu sehen, schmerzte mehr, als alle von Emily's Ausbrüchen zusammen.

„Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?! Ich kann nicht glauben, dass du nichts gesagt hast! Weisst du denn nicht wie gefährlich das ist, was alles hätte passieren können!", die Stimme meines Vaters wird immer lauter.

„Du findest es heraus und verschweigst es einfach. Er hätte sterben können! Schäm dich, Leon!"

Mein Blick fährt hoch. Dads wütender Blick ruht nicht auf mir, sondern einzig und allein auf meinem Bruder, der sich neben mir gerade perplex aufrichtet.
Emily schien mindestens genauso verwundert zu sein wie ich. Empört schnappt sie nach Luft, wird aber von Leon unterbrochen.

„Dad... ich... es ist doch nicht mein Fehler, wenn er Probleme hat!" demonstrativ deutet Leon auf mich und sieht dabei genau so fassungslos aus, wie Emily.

„Richard, wie kannst du es wagen unseren Sohn so anzuschreien?", meldet sich jetzt auch meine Stiefmutter zu Wort.

„Hälst du es etwa für richtig, dass er das Ganze verschwiegen hat, nur weil er es unwichtig fand?", fragt mein Vater jetzt empört. An seinem Hals sind rote Flecken erschienen.

„Dein Sohn hat mich beklaut, Richard! Unser Leon hat nichts getan!", Emily's Gekreische schmerzt in meinen Ohren und ich hätte sie mir am liebsten zugehalten.

„Genau, er hat nichts getan!", brüllt mein Vater zurück. Emily erhebt sich, ganz ausser sich. Der Stuhl kratz mit einem schmerzvollen Geräusch über den Marmorboden.

„Zieh ihn jetzt nicht in die Angelegenheiten deines Sohnes!"

Im Gesicht meines Vaters ändert sich augenblicklich etwas.

„Wir müssen reden, Emily. Jetzt sofort. Jungs, geht in eure Zimmer!"

Leon und ich zögern nicht lange, rappeln uns hastig hoch und eilen aus dem Raum. Leon scheint so verwirrt zu sein, dass er sich nicht einmal äussert, als wir bei der Treppe gegeneinander stossen.

Gerade als ich die Zimmertür schliesse, ertönen von unten ziemlich laute Stimmen. Ich habe Emily und meinen Vater noch nie so laut streiten gehört. Ehrlich gesagt, habe ich sie noch nie wirklich streiten gehört.

Doch das hier war enorm. Ich hörte sogar ein verdammtes Glas zerbrechen.
Und dann polternde Schritte und eine Tür, die übertrieben laut zugeschmettert wird.

Ich kann nur hoffen, dass sich Emily verpisst hat und nicht mein Dad.

Doch das Klappern von Stöckelschuhe auf der Treppe, schlägt meine Hoffnungen gleich zu nichte.

Und dann ertönt auch schon Emily's Stimme auf der anderen Seite meiner Zimmertür.

„Pack deine Sachen, Nicolas! Gleich morgen bist du weg hier!"

Yup, sieht gerade ziemlich mies aus für Nico!
Was meint ihr, wie wird sich die Situation weiter entwickeln?:)

Zwei Sterne am NachthimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt