Kapitel 36.

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Nora

„Wir machen uns Sorgen, Nora", meint mein Vater, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Er und meine Mutter stehen um mein Krankenbett und mustern mich mit besorgter Miene.

„Warum?", frage ich ziemlich bekloppt. Ich meine, ich sitze gerade im Krankenhaus, mit einer Gehirnerschütterung und einem verstauchten Fussgelenk. Was soll also die beschissene Frage?

„Nora, wer sind die Leute im Warteraum? Was soll das alles?"
Meine Mutter hat die Stirn in Falten gezogen. Ihre braunen Haare, sind eigentlich eher grau als braun und fallen ihr in dünnen Strähnen über die Schulter. Man merkt, dass sie für ihre Arbeit lebt. Die Arbeit lässt sie viel älter erscheinen, als sie eigentlich ist.

„Das sind...", beginne ich, doch unterbreche mich selbst. Was soll ich denn bitteschön sagen?
Mein Exfreund, sein Vater, der nebenbei bemerkt stinkreich ist und Nico, für den ich Gefühle entwickle, vielleicht aber alles versäumt habe, weil ich einfach zu naiv bin und verdammt noch mal alles glaube was man mir sagt?

Eher nicht.

„Nico und Leon sind... Schulkameraden", entschiede ich mich schliesslich zu sagen.
Das entsprach zwar nicht mal der halben Wahrheit, aber im Moment sollte es genügen.

Meine Mutter seufzt und setzt sich schliesslich auf den Stuhl neben meinem Bett.

„Nora..."

Sie räuspert sich. Dad knetet besorgt die Hände. Ich habe meine Eltern noch nie so erlebt. Ich mustere den leeren Pappbecher, denn Nico vorhin hier vergessen hat. Er war zu meinem Bedauern nur ganz kurz hier. Danach sind meine Eltern hereingeschneit, mit wehenden Ärztekittlen und wollten dringend mit mir alleine sprechen.

„Nora", beginnt meine Mutter jetzt erneut.
„Uns ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit wenig mit uns redest. Du bist so selten zu Hause in-"beginnt meine Mutter, doch ich unterbreche sie.

„Achja? Ich bin selten zu Hause?", meine Stimme klingt gereizt, obwohl ich das gar nicht will. Ich schätze was Mom und Dad alles für mich tun. Das es uns finanziell so gut geht, weil sie so viel arbeiten. Aber das hier konnte doch nicht gerade wirklich ihr Ernst sein?

„Schatz, hör zu", meint jetzt mein Vater und setzt sich auf die Kante meiner Bettes.

„Deiner Mutter und mir ist bewusst, wie wenig Zeit wir mit dir haben. Wir wollen das ändern", erklärt er und meine Mutter nickt bestätigend.

„Wir hoffen, dass wir dann wieder offener und ehrlicher miteinander sprechen können. Ich werde mir gleich nach Weihnachten eine etwas längere Auszeit nehmen, um wieder mehr Zeit mit dir und zu Hause zu verbringen", meint meine Mutter jetzt und lächelt liebevoll.

„Was hältst du davon?"

~

Draussen ist es inzwischen dunkel geworden und ich zappe seufzend durch das öde Fernsehprogramm. Ich kann nicht schlafen und mein Fuss schmerzt.
Zum Glück teile ich mein Zimmer nur mit einem kleinen Mädchen mit Beinbruch, das bereits tief und fest schläft.

Schliesslich schalte ich den Fernseher doch aus und will mich gerade in die Decke einkuscheln, als leise die Tür aufschwingt.
Ich will die Krankenschwester schon nach einem Glas Wasser bitten, als ich bemerke, dass es sich gar nicht um die Krankenschwester handelt.
Nico schlüpft gerade ins Zimmer und kommt leise auf mich zu, um das kleine Mädchen nicht aufzuwecken.

„Nico? Was machst du denn hier?", flüstere ich völlig überrascht und richte mich etwas auf.
Mein Blick huscht auf die Wanduhr die bereits nach neun Uhr anzeigt.

Zwei Sterne am NachthimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt