Kapitel 34.

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Nora

„Du siehst heute echt nicht gut aus, Süsse. Vielleicht solltest du nach Hause gehen?"

Katie hat sich auf ihrem Stuhl nach vorne gebeugt und mustert mich mit besorgtem Blick.

„Nein, geht schon", murmle ich, aber meine dunklen Augenringe müssen Bände sprechen.
Ich war gestern nicht mehr wirklich zu Schlaf gekommen. Meine hässliche Entdeckung und das kurze Telefonat mit meinem Ex hatten mich leider wieder hellwach gemacht. Das Gegenteil von dem, was ich jetzt war.

Zudem war es wirklich komisch gewesen, wie schnell mich Leon wieder abgewürgt hatte. Es schien ganz so, als ob Nicos Tablettensucht für ihn kein grosses Geheimnis wäre.
Ich hatte deswegen umso mehr gehofft Nico heute in der Schule darauf ansprechen zu können, aber er war nicht da. Schon den ganzen Vormittag habe ich Ausschau nach ihm gehalten, aber er war zu meinem Bedauern nicht in Mathe erschienen.

„Du kannst mir nichts vormachen, Nora. Du siehst aus wie 'ne überfahrene Katze", kommentiert Katie jetzt, beugt sich vor und schiebt eine verlorene Strähne zurück in meinen Dutt.

„Geh nach Hause, leg dich ins Bett und ruh dich aus. Ich kann dich so nicht mehr ansehen. Da werd ich ja selbst müde", murrt Katie und zaubert mir damit ein klitzekleines Lächeln auf die Lippen.

Wie zur Bestätigung ihrer Worte entweicht mir ein herzhaftes Gähnen und Katie verdreht erneut die Augen.

„Jetzt geh!", befiehlt sie beinahe schon harsch und scheucht mich somit aus dem Klassenraum.

Ich mache mich auf den Weg ins Schulsekretariat, um mich für den Nachmittagsunterricht abzumelden, als ich Beni entdecke, der gerade Bücher in seinem Spind verstaut.

„Hey Beni!", begrüsse ich den Jungen und schrecke ihn damit aus seiner Tagträumerei. Ein dickes Buch rutscht aus seinem Stapel und fällt ihm auf die Füsse.

„Autsch", grummelt er und ich bücke mich schnell, um das das Buch für ihn aufzuheben.

„Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Weisst du vielleicht, wo Nico heute ist?", frage ich und
ein seltsamer Ausdruck erscheint auf Benis Gesicht. Heute schien er ja übel gelaunt zu sein. Das passte gar nicht zu ihm. Sonst schien er immer zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd.

„Oh Mann, hat er dir nichts davon erzählt?", bringt er schliesslich heraus.

„Was hat er mir nicht erzählt?", frage ich ahnungslos nach und Beni seufzt frustriert.

„Nico kommt nicht mehr. Seine beschissene Stiefmutter schickt ihn auf ein ländliches Internat", erklärt er nun und zieht die Augenbrauen zusammen. Mir fällt der Kinnladen runter.

„Was?!", ein entsetztes Keuchen entfährt mir. „Warum? Was für ein Internat?", frage ich fassungslos, meine Stimme klingt heiser und ich bin mir ziemlich sicher, dass dies nicht nur meiner Schlaflosigkeit zu verdanken ist. Beni sieht nun immer bedrückter aus.

„Weiss nicht genau, Nico meinte etwas von lernschwach und schwererziehbar oder so..."

„Aber warum tut sie das? Nicos Noten sind doch nicht so schlecht oder? Und es ist sein letztes Jahr, danach hätte er seinen Gymnasiumabschluss? Das macht doch überhaupt keinen Sinn?"

„Natürlich macht es keinen Sinn!", ruft Beni jetzt aus, als ob dies das Logischste auf der Welt sei.

„Aber Emily will ihn aus der Familie ekeln", erläutert er mit wütend umherwuchtelnden Händen. Ich muss einen Schritt zurück treten, um seinem Herumgefuchtel auszuweichen und nicht eine seiner Hände ins Gesicht zu kriegen.

Zwei Sterne am NachthimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt