Nico
Ich gehe eigentlich nur noch in die Schule, um ungestört Klavier zu spielen. Und um Beni und Kayla zu sehen.
Aber eigentlich ist es sinnlos dem Unterricht zu folgen, wenn ich tatsächlich in ein paar Wochen auf dieses Internat wechseln muss. Warum mich hier noch anstrengen? Die Entscheidung ist gefallen. Und meine Motivation gleich mit.„Hey Alter, nicht einpennen", raunt mir Beni jetzt zu und stösst mich mit seinem Ellbogen in die Seite.
Er hat gut reden. Er wurde gestern Abend auch nicht von einer verdammt angepissten Emily angeschrien und die halbe Nacht von unnötigen Gedanken wach gehalten. Ist ja nicht so, als ob mir Schlafen schon genug Probleme bereiten würde.
Meine Stiefmutter war wütend, weil ich sie vor meinem Vater bloss gestellt habe und dann einfach abgehauen bin. Da mein Vater gestern Abend nicht zu Hause war, bot sich ihr die perfekte Gelegenheit mich zu Kleinholz zu zerhacken und da ich sie keine Sekunde länger als nötig ertragen konnte, hatte ich schliesslich nachgegeben und dieses verfluchte Papier unterschrieben. Genau. Rest in Peace, Nico.
„Herr Brand, setzen Sie sich endlich ordentlich hin", ermahnt mich unser Geschichtslehrer jetzt zum dritten Mal in dieser Stunde. Ich habe meinen Kopf auf meinen verschränkten Armen platziert, um gelegentlich die Augen schliessen zu können. Auch wenn diese Position echt gefährlich ist, um sich wach zu halten, macht sie die Kopfschmerzen wenigstens etwas erträglich.
Es ist schlussendlich aber nicht unser Lehrer, sondern Benis ernster Blick, der mich aufrecht sitzen lässt.
Ich lehne mich möglichst tief in die Lehne und versuche trotz allem, dem Unterrichtsstoff zu folgen. Geschichte hatte ich sonst immer chillig gefunden, aber heute kann ich bei bestem Willen nicht herausfinden, von was unserer Lehrer da labbert. Mag sein, dass dieser fette König aus dem 16. Jahrhundert wichtig war um irgendeinen Krieg zu lösen, aber wenn er meinen nicht lösen kann, dann nützt er mir im Moment einen feuchten Dreck.Das Klingeln der Glocke ist wie eine Erlösung und ohne auf den Lehrer zu achten, der den Unterricht natürlich selbst beenden will, springe ich auf, schnappe mir meinen Rucksack und habe das Zimmer innerhalb von Sekunden verlassen. Beni ruft mir noch etwas nach, aber ich bin schon zu weit weg und wenn er mich sucht, weiss er ja wo er mich finden kann.
~
Keine Ahnung warum es mir so wichtig ist dieses Stück noch vor meinem Umzug ins Internat fehlerfrei spielen zu können.
Dort hat es möglicherweise nicht einmal ein Klavier. Nein, dort hat es sogar ziemlich sicher kein Klavier.Aber es ist etwas, dass ich selbst kontrollieren kann. Mit genügend Willenskraft werde ich das Stück spielen können. Niemand kann mir dabei im Weg stehen. Es ist das einzige, was ich im Moment selbst in der Hand habe. Klingt erbärmlich, ich weiss.
Ich bleibe den ganzen Mittag über im Musikraum und als ich das Stück einige Male ziemlich gut auf die Reihe gekriegt habe, klimpere ich noch eine Weile gedankenverloren herum. Ich höre nur mit halbem Ohr, wie jemand herein kommt und die Tür leise hinter sich schliesst.
Gerade als ich mich frage, seit wann sich Beni so leise verhält, lässt mich eine eindeutig weibliche Stimme herumfahren.
„Das klingt echt schön", meint Nora verlegen. Sie steht immer noch im Türrahmen, die Haare wie oft nach hinten gebunden, einen reisen Stapel Bücher und Hefte in den Armen.
„Sorry ich wollte nicht so hereinplatzen", fügt sie schnell hinzu.
„Schon ok. Ich hab nur jemand anders erwartet", erkläre ich und deute auf die Tür, als ob das irgendetwas erklären würde. Was genau, weiss ich auch nicht.
„Oh. Achso."
Nora wirkt beinahe etwas enttäuscht, scheint sich ihm nächsten Moment aber zu erinnern, warum sie in den Musikraum wollte.
Mit schnellen Schritten durchquert sie den kleinen Raum und lädt ihre Bücher im Regal ab.„Wollte nur die hier zurück bringen", erklärt sie und deutet auf die Bücher, die sich bei genauerem hinsehen als Notenhefte entpuppen.
„Spielst du ein Instrument?", frage ich interessiert und deute mit dem Kopf auf die Hefte.
„Nein. Also, eigentlich wollte ich Klavierspielen lernen aber...", sie unterbricht sich und blickt betrübt auf den Boden.
„Sagen wir es so, dein Bruder hat damit zu tun."
Ein kleines unsicheres Lächeln erscheint auf ihren Lippen.„Leon?", frage ich ziemlich intelligent. Nein sie meint Hanspeter, mein verschollener Bruder aus Marokko, ich Schlaumeier.
„Ähm ja oder hast du noch einen anderen Bruder?", meint sie und ihr Lächeln wird breiter.
„Nein so hab ich das nicht gemeint", sage ich und runzle die Stirn.
„Hat er gesagt, er bringt dir Klavierspielen bei?"
Nora wirkt etwas verwirrt über meine Frage, nickt aber und sagt dann: „Ja, er hat mich deswegen damals zu ihm... zu euch eingeladen. Er wollte mir einige Stücke beibringen und dann hat sich alles etwas anders entpuppt. Witzig, oder?"„Sehr witzig", meine ich mit etwas angepisstem Tonfall , „vor allem weil Leon gar nicht Klavier spielen kann."
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Zwei Sterne am Nachthimmel
RomanceEs gibt Menschen, die glänzen und funkeln wie Sterne. Sie leuchten heller als alle anderen an diesem dunkeln Nachthimmel und übertrumpfen den Rest. Man kann nicht anders, als fasziniert hinzustarren, nicht fähig seinen Blick abzuwenden. Doch manchm...