Kapitel 26.

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Nora

Kaum war der Satz über meine Lippen, scheint sich augenblicklich etwas zu verändern. Ich kann nicht genau beschrieben was es ist.
Nico wirkt auf einmal nicht mehr angespannt. Seine  Haltung ist lockerer und ein leicht zerknirschter Ausdruck hat sich auf sein Gesicht geschlichen. Er sieht in dem Moment so süss aus, dass ich ihn am liebsten gedrückt hätte. Was vermutlich komisch rübergekommen wäre, weswegen ich es liess.

„Was hast du jetzt? Welches Fach?", fragt er plötzlich voller Tatendrang und ich brauche einen Moment, um die richtige Antwort zu finden. Der urplötzliche Themenwechsel verunsichert mich.

„Hmm... Biologie", meine ich schliesslich und Nico hebt skeptisch eine Augenbraue. Eine seiner honigfarbenen Locken ist ihm in die Stirn gefallen und er pustet sie sich genervt aus dem Gesicht.

„Magst du Biologie?"

Was? Was hatte das den jetzt zur Sache?

„Was? Nein, geht so...", stottere ich verdutzt, aber Nico scheint mir der Antwort zufrieden.

„Gut, Wirtschaft ist auch nicht mein bestes Fach. Lust auf Pizza?"

„Was? Jetzt?", japse ich erneut und versuche nicht all zu verwirrt zu wirken.

„Ja, oder bist du vom Kantinenessen etwa satt geworden?"
Seine Stimme klingt entschlossen, neutral, beinahe cool, als ob Schulschwänzen um Pizzaessen zu gehen das absolut Normalste der Welt sei. Naja, für ihn vielleicht ja schon. Ich hatte, um ehrlich zu sein, noch nie Schule geschwänzt. Ich hatte mich krank gestellt, um zu Hause zu bleiben. Aber ich hatte mich noch nie einfach davon geschlichen und etwas unternommen. Noch niemals, in meinem ganzen kleinen streberhaften Leben.

Vielleicht hätte ich auch jetzt nicht zugestimmt. Bei jeder anderen Person hätte ich vermutlich abgelehnt, gelacht und wäre brav in die Biologiestunde getrottet. Vermutlich sogar pünktlich.

Aber es war nicht einfach niemand. Es war Nico, der die Idee vorschlug, als wäre sie selbstverständlich. Und schlussendlich war es das Funkeln in seinen grünen Augen und das verschmitzte Lächeln in seinem, zugegebenermassen sehr hübschen Gesicht, das mich einfach zustimmen liess.

~

Zehn Minuten später sass ich in Nicos Wagen und wir fuhren die Hauptstrasse entlang Richtung Prater.

„Wo willst du hin?", frage ich schliesslich.

„Du wirst sehen. Ich kann dir nur eines sagen, dieses Mal gehen wir nicht ganz so weit weg."

Geschickt lenkt Nico seinen Wagen in eine Seitenstrasse und parkiert vor einem kleinen Gebäude, welches ich zugegebenermassen noch nie zu vor gesehen habe.

„Restaurant Sternen" prangt in kursiven Leuchtbuchstaben über dem Eingangstor.

Hier gibt es die absolut besten Pizzas der Welt", verkündet Nico überschwänglich, als wir den Wagen verlassen haben und auf den Eingang zulaufen.

Ich mustere neugierig das rostige Eisentor, welches zu einem kleinen Vorhof führt. Im Sommer standen hier bestimmt Tische unter den Bäumen, damit man draussen essen kann.
Wir passieren den Kiesweg und Nico hält mir die Tür auf, damit ich vor ihm hineingehen kann.

Da heute ein normaler Wochentag ist und zudem schon nach 13:00 Uhr ist nicht viel los hier. Aber das schadet der gemütlichen Stimmung, die hier herrscht keineswegs.

Der Sternen ist bestimmt nicht das nobelste oder modernste Restaurant der Welt, aber auf jedenfalls eines der idyllischsten, in dem ich je war. Die Einrichtung ist alt und abgenutzt, aber genau das verleiht dem Raum eine gewisse Charme. Korinthische Säulen, welche oben in verschnörkelten Voluten enden, stützen die Decken und geben dem Innenraum einen antiken Touch. Die Wandtapeten sind sandfarben und das Muster ist nicht mehr so gut zu erkennen.
Auf den weissgestrichenen Holztischen stehen brennende Kerzen und die Menükarten. Die Bänke und Stühle sind mit weichen Kissen  ausgelegt. In einer Ecke entdecke ich sogar ein verstaubtes Klavier.
Die italienische Pizzeria macht ihrem Namen alle Ehre, denn plötzlich fühle ich mich wirklich wie in einem italienischen Bistro in einer kleinen Seitengasse von Cinque Terre, wo ich vor einigen Jahren mal mit meinen Eltern im Urlaub war.

Das Allerschönste aber sind die Decken. Mit feinen Linien und etwas verblasster hellblauer Farbe ist ein ganzes Himmelszelt mit kleinen Sternen abgebildet. Ich kann gar nicht anders als den Kopf in den Nacken zu legen und fasziniert nach oben zu starren.

„Nicht schlecht, oder?", raunt Nico direkt hinter mir.

„Auf jedenfall besser als Biologie", gebe ich zu und ziehe meinen Schal vom Hals, als ein grinsender Kellner mit Schnauzer auf uns zu kommt.

„Buongiorno, endlich lässt du dich mal wieder blicken Nicolas! Wollt ihr hier essen?", fragt der ältere Mann mit italienischem Akzent und klopft Nico freundschaftlich auf die Schulter.

„Hatte viel zu tun. Aber heute brauche ich dringend mal wieder eine Margarita, Pablito", erklärt Nico jetzt und wir folgen dem Kellner namens Pablito zu einem runden Tisch in der Ecke.

Ich lasse mich sofort  auf einen der Stühle fallen und beobachte lächelnd, wie Nico und Pablito noch einige Worte austauschen. Vermutlich ist oder war Nico schon öfters hier.

„Was kann ich Ihnen bringen, Signorina?"

Pablito wendet sich nun an mich und ich werfe schnell einen kurzen Blick in die Speisekarte.

„Hmm... für mich bitte eine Pizza Quattro Formaggi", bestelle ich dann und der freundliche Kellner verschwindet in der Küche.
Mein Blick wandert zu Nico, der angeekelt die Nase hoch zeiht.

„Quattro Formaggi? Von all den übelst leckeren Pizzas nimmst du die absolut ekligste, ernsthaft?"

Ich muss über seinen verstörten Gesichtsausdruck lachen. „Was ist den falsch an Quattro Formaggi?"

„Da ist zu viel Käse drauf. Eigentlich ist da nur Käse drauf", beschwert er sich, während er seine Jacke auszieht und über die Stuhllehne hängt. Heute trägt er ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt.
Ich frage mich echt, wie er bei diesen Temperaturen nicht friert. Ich selbst trage einen senfgelben Strickpullover und fühle mich irgendwie fehl am Platz.

„Das ist ja auch der Sinn der Sache. Vier Käsesorte auf einer Pizza", lache ich und beobachte wie Nico sich leicht nach vorne beugt, die Ellbogen auf den Tisch gestützt.

„Den Sinn versteh ich nicht. Das ist einfach Pizza mit Mozzarella und einer Überdosis an anderem unnötigem Käse", meint er.

„Das ist keine Überdosis, das ist ein perfektes Mass an Käse. Ich liebe Gorgonzola!", verteidige ich meine Lieblingspizza und als Nico nur verständnislos seufzend den Kopf schüttelt, werfe ich zum Spass meine Serviette nach ihm.
Nico lacht über meine beleidigte Miene und hebt dann die Serviette vom Boden auf. Äusserst Treffsicher war ich noch nie.

Eine gute Viertelstunde später kommt der Kellner Pablito mit zwei wunderbar riechenden Pizzas an unseren Tisch.

„Buon Appetito, lasst es euch schmecken!", verkündet er und schenkt uns auch gleich noch Wasser mit Kohlensäure ein. Hungrig schiebe ich mir ein riesiges Stück Pizza in den Mund.

Ich seufze zufrieden.
Nico hatte recht, das ist mit Abstand die beste Pizza, die ich je gegessen habe.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das hier tue", sage ich, nachdem ich runtergeschluckt habe.

„Quatrro Formaggi zu essen? Ich auch nicht", meint Nico sarkastisch und greift nach dem Pfefferstreuer. Ich verdrehe die Augen. „Biologie zu schwänzen."

„Bereust du es?", fragt Nico jetzt und langt nach einem seiner Pizzaecken.

„Hmm", meine ich nur und beisse in das nächste Stück. Nicos Blick schiesst hoch und er zieht die Augenbrauen zusammen. Besorgnis zeigt sich in seinem Gesicht. Ich kaue absichtlich langsam, um ihn auf die Folter zu spannen. Nico rutscht etwas auf seinem Stuhl zurecht, die Augenbrauen immer noch unruhig zusammengezogen.
Ich schaff es nicht länger ernst zu bleiben und lache los, nachdem ich die Pizza runtergeschluckt habe.

„Keine Sorge! Diese Pizza ist das Beste was mir seit längerem passiert ist."

Und vielleicht liegt es auch nicht nur an der Pizza.

Hey hey Freunde, hoffe euch gefällt das Kapitel:) Irgendwelche Fragen, Rückmeldungen, Kommentare oder Shipnamen?

Ps: habe die Kapitel so eingeplant, dass das letzte Samstag vor Weihnachten kommen wird :)

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