Von Magie und Liebe

Kapitel 32

Ich saß ganz hinten im Klassenzimmer. Der Unterricht begann zwar erst in zehn Minuten, ich hatte aber keine Lust, mich zu 'den Anderen' zu stellen. Sie lästern sowieso nur über mich. Mein Blick schweifte aus dem Fenster zu meiner Linken. Ich war so in Gedanken, dass ich die Mädchentruppe erst bemerkte, als sie schon so gut wie vor mir standen. Ich machte mich ganz klein, in der Hoffnug das sie mich nicht sehen. Das hatten sie aber schon längst. Gezielt kam die Anführerin auf mich zu. "Wen haben wir den da? Die hässliche, kleine Kirchenmaus." lachte sie gehässig und die anderen stimmten ein. Ich sagte nichts und machte mich noch kleiner. "Was versteckst du dich den so?" fragte sie und gab zwei Mädchen ihres Gefolges ein Zeichen. Diese kamen um meinen Einzeltisch herum und zogen mich vom Stuhl und hielten mich fest, damit ich nicht weg kann. Ich schloss die Augen. Ich weiß, was jetzt kam. Da spürte ich den ersten Tritt in den Magen und keuchte auf. Dann schlugen sie mir gegen die Brust, dann gegen meinen Wangenknochen. Doch ich konnte nichts tun, als es schweigend über mich ergehen zu lassen und zu hoffen, das der Lehrer heute früher kommt.

Schreiend erwachte ich aus diesem Alptraum. Mein Puls war beschleunigt und meine Augen suchten hektisch den kleinen, karg eingerichteten Hüttenraum an, in dem ich seit fast einer Woche schlief. Mit Tränen in den Augen ließ ich mich wieder erschöpft auf meine Matratze fallen. 'Wenn doch nur Sirius jetzt hier wäre...' schoss es mir durch den Kopf. Moment! Wer ist Sirius? Ingendwie sagt mir der Name was... aber wer ist das? Und warum wünsche ich mir, er wäre hier? Ich fuhr mir mit der gleichen Geste wie mein Bruder durch die Haare. So viele Fragen. Auch zu meinem Traum... ich habe das Gefühl das er mehr ist als das. Vielleicht eine Erinnerung? Und dann war da ja auch noch die Sache mit Damian... wieso hat er mich geküsst? Wie ist mein Verhältnis zu ihm? Wie war unser Verhältnis vor dem Fluch? Aber gut, bald muss ich mir über Damian keine Gedanken mehr machen. Mein Bruder hat mir erklärt, das in vier Tagen die Ferien vorbei sein würden und ich wieder nach Hogwarts, zu meiner Zauberschule, zurückkehren werde. Ich frage mich nur, wie ich im Unterricht mithalten soll, wenn ich mich an nichts erinnere. Aber Max meint, er habe Dumbeldore, meinen Direktor, informiert. Dieser weiß anscheinend immer Rat. Seufzend erhob ich mich. Die Antworten auf all diese Fragen konnten warten. Ich beschloss, erstmal duschen zu gehen.

Die nächsten paar Tage ging ich einfach allen so gut wie möglich aus dem Weg und verbrachte so viel Zeit wie möglich bei den Drachen. So überstand ich auch diese Zeit, ohne mit Damian nochmal reden zu müssen. Ich hatte Angst davor, mit ihm zu reden. Nachher erzählt er mir noch was, was ich nicht wissen will. Schließlich saß ich zum letzten mal mit am Frühstückstisch. Von unseren Eltern hatten wir noch nichts gehört. Ich hatte ihre Briefe wiedergefunden und mich erinnert. Jetzt stocherte ich Lustlos in meinem Müsli rum. Ich war aufgeregt. Wer würde mich in Hogwarts erwarten? Also ich dann endlich vom Frühstück aufstehen durfte, stellte sich plötzlich Damian vor mich "Ich wollte mich nur verabschieden... ich wünsche dir wieder einen guten Schulanfang und viel Glück und so... vielleicht sehen wir uns ja mal wieder." Ich nickte "Vielleicht. Dir auch einen guten Anfang." Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, doch er umarmte mich kurz, drückte mich an sich, und ließ mich wieder los. Dann drehte er sich um und verließ fluchtartig den Speiseraum. Ich schaute ihm verwundert hinterher, bis ich meinen Bruder rufen hörte "Allie, wo bleibt du?" Also ging ich zu unserer Hütte und holte mein Gepäck aus meinem Zimmer. Dort schaute ich mich noch einmal um, bevor ich den Raum verließ, der für anderthalb Wochen mein Zuhause war. An die anderen Räume erinnerte ich mich nicht. Als ich mir alles eingeprägt hatte, schloss ich die Tür hinter mir und ging zu dem Kamin, mit dem wir nach Hogwarts kommen würden. Mein Bruder erklärte mir noch kurz den Umgang mit Flohpulver, bevor er mich umarmte. "Pass auf dich auf Allie, versprich's mir. Und schreib mir bitte mal, okay?" Ich drückte mein Gesicht an seine Brust "Klar, aber du auch" "Immer." Er gab mir noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er mich in den Kamin schob und ich in den Grünen Flammen verschwand.

Hustend trat ich aus dem Kamin in einem altmodischen Büro. Ein großer, alter Mann mit weißem Rauschebart kam auf mich zu und nahm mir mein Gepäck ab. "Hallo Mrs. Andrews" sagte er freundlich "Ihr Bruder hat uns informiert. Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht an mich. Mein Name ist Albus Dumbeldore und ich bin der Schulleiter von Hagwarts" ich nickte. Irgendwie sagte mir mein Name etwas. "Wir können uns ja später unterhalten - Ihr Freund wartet, daher lass ich sie zwei jetzt allein und werde mich um Ihr Gepäck kümmern." Meine Sachen vor sich her schwebend verließ er das Büro. Erst jetzt bemerkte ich die zweite Person im Raum - ein Junge mit grauen Augen, mit denen er mich musterte. Ich reichte ihm wohl gerade bis zur Schulter und er hatte verstubbelte Haare. Die stille zwischen uns war energiegeladen, er schaute mich immer noch an und wartete auf meine Reaktion. In meinem Kopf arbeitete es. Ich kenne ihn! Stück für Stück erschien vor meinem inneren Auge ein Name, mit dem ich viele Emotionen verbinde. Als die Stille unerträglich wurde, fiel es mir ein. "Sirius" hauchte ich nur, doch es kam mir so vor, als hätte ich geschrien. Er weitete überrascht die Augen. Ich konnte es nicht mehr ertragen so weit von ihm weg zu stehen, deswegen rannte ich auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Er drückte mich an sich und flüsterte "Allie" mehr nicht. Nur meinen Namen. Trotzdem schlugen die Schmetterlinge in meinem Bauch Saltos. Und dann küsste er mich. Und küsste mich. Und küsste mich. Und wieder war da das schwerelose Gefühl. Sein Duft. Seine Finger. Einfach er. Bei ihm bin ich zu Hause. Hier bin ich sicher. Und ich werde ihn nicht loslassen. Niemals.