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𝐶𝑎𝑟𝑟𝑖𝑒

"Und wie genau stellt ihr euch das jetzt vor?" fragte Fran, während die drei auf dem Schiff herumturnten.

"Wir warten ein paar Tage, dann schicken wir einen Erpresserbrief und sacken die Beute ein!" verkündete Ryan, der scheinbar ziemlich stolz auf seinen Plan war. Obwohl ich dagegen ankämpfte, musste ich leicht die Augen verdrehen. So toll war seine Idee nun auch wieder nicht.

"Was würde, rein theoretisch natürlich, passieren, wenn der Gouverneur nicht zahlt?" rief ich ihnen nun zu.

"Ähhhhh" kam es gemeinschaftlich zurück, eindeutig hatten sie noch nicht so weit gedacht. Offenbar hatten wir von allen Piraten, die uns hätten entführen können, die größten Idioten erwischt.

"Klingt ja nicht so, als wären sie bereit uns umzulegen." wisperte mir Frances im Schutz des Meeresrauschen zu. Uns beiden ging es damit schon ein bisschen besser. Idioten hin oder her- Sie waren drei kampferfahrene Männer und wir nur zwei Mädchen, die sie an ihren Mast gefesselt hatten.

Die Stunden vergingen, und trotz unserer schmerzenden Schultern und dem leichten Sonnenbrand war es irgendwie schön, während eines Sonnenuntergangs mitten auf dem Meer zu sein. Ich hatte zuvor noch nie ein Schiff betreten und ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass mir das jemals passieren würde.

Doch so langsam drückte unsere Blase, Hunger und Durst hatten wir auch. Da wir auch nicht vorhatten, die ganze Nacht am Mast gefesselt zu bleiben, beschlossen wir, mit den Männern zu reden.

"Entschuldigt Leute, wir tolerieren eure Maßnahmen wirklich, aber wir haben Hunger und Durst!" begann ich.

"Außerdem müssen wir auf die Toilette! Und wenn wir schon dabei sind, hier draußen schlafen wollen wir auch nicht!" fuhr Fran zögerlich fort. Jake tauschte einen Blick mit Finn, der wieder einen Blick mit Ryan tauschte, der anschließend wieder zu Jake sah.

"Sie haben schon irgendwie Recht." kam es achselzuckend von Finn.

"Meinetwegen können sie ruhig aufstehen, wo sollen sie auch hin?" Jake nickte langsam und sah fragend zu Ryan. Der musste offenbar auch einsehen, dass wir gute Argumente hatten und antwortete:

"Na gut, wir binden euch los, aber über Nacht bleibt ihr draußen!" Mit einem Augenverdrehen wandte ich mich ab. Er musste wohl ein bisschen Macht demonstrieren.

"Trotzdem danke!" kam es diplomatisch von Fran, die mich hinter ihrem Rücken mit ihrem Ellenbogen anstupste.

"Jaaa, danke." fügte ich hinzu und warf ihr einen bösen Blick zu. Nur, weil wir ihre Gefangenen waren, mussten wir noch lange nicht so nett zu ihnen sein.

-

Eine halbe Stunde später hatten sie uns losgebunden und wir konnten endlich wieder umherlaufen. Als Ryan das Essen ankündigte, rechnete ich eigentlich schon mit dem Schlimmsten. So inkompetent, wie sie sich beim Entführen angestellt hatten, hatten sie wahrscheinlich auch den Proviant ausgesucht. Mit einem normalem Schiffszwieback, Käse und ein paar Äpfeln hatte ich jedenfalls nicht gerechnet. Hungrig machten Fran und ich uns über die Mahlzeit her, die anderen hatten offenbar schon gegessen.

"Das ist komisch, wenn ihr zuschaut, das wisst ihr, oder?" fragte Fran, während ich den Mund zu voll zum Reden hatte und nur zustimmend nicken konnte.

"Tut uns ja auch leid..." murmelte daraufhin Finn und sah peinlich berührt in die Luft, worauf Fran anfing zu lachen. Moment, war das etwa ihr der-ist-irgendwie-süß-Lachen?! Mit hochgezogenen Augenbrauen widmete ich mich wieder meinem Apfel.

Nachdem wir auch auf dem Klo waren (Loch über dem Meer mit Klobrille trifft es wohl eher) mussten wir wieder an den Mast. Die drei Typen verschwanden letztendlich nach einem etwas merkwürdigen "Gute Nacht!" im Bauch des Schiffes und ließen uns an Bord allein. Trotz der unbequemen Pose nickten wir relativ schnell ein. Immerhin war der Tag mehr als einfach anstrengend gewesen.

-

Es war dunkel und kalt als wir plötzlich aufwachten, geweckt von einem nächtlichen Wolkenbruch. Nass und schwer klatschten uns die Regentropfen ins Gesicht, weswegen aus dem Schlaf aufschreckten.

"Verdammte Scheiße!" brüllte ich in den Sturm und Fran stimmte mit ein:

"Die können uns doch nicht hier draußen im Regen lassen wie vergessene Wäsche!" Offenbar konnten sie das sehr wohl, denn wir waren sicher eine Viertelstunde lang in der stürmenden See an den Mast gefesselt. Fran und ich zitterten und brachten vor schlechter Laune kein Wort mehr heraus, doch wir beide wussten, dass wir die Piraten gerade verfluchten. Plötzlich klappte jedoch die Tür zum Inneren des Schiffs auf und ein fluchender Finn kam herausgeklettert.

"Mist, wir haben euch vergessen!" rief er durch den Regen und half Jake auf das Deck. Sie hatten offenbar beschlossen, uns doch mit hinunter zu nehmen, denn sie schnitten das Seil los und zogen uns hinein. Wir waren zu beleidigt um sie anzuschreien und folgten ihnen bloß mürrisch.

Als wir endlich unten waren, musterte uns Jake bloß kritisch:

"Ganz schön nass!" meinte er trocken, Fran nieste bloß. Da reichte uns Ryan mit einem müden Grinsen einen Arm voll Klamotten.

"Da sollte ein Kleid dabei sein, entscheidet selber wer es bekommt. Sonst haben wir leider bloß Hosen und Hemden." klärte uns Finn entschuldigend auf und ließ sich in eine Hängematte fallen.

"Wieso habt ihr bitte ein Kleid auf eurem Schiff?" entfuhr es Fran. Jake winkte ab:

"Das ist lange her, es hat Finns Schwester gehört."

Ich wollte eigentlich mehr über diese ominöse Schwester wissen, doch eine andere Frage erschien mir im Moment wichtiger:

"Und wo sollen wir uns umziehen?" wollte ich misstrauisch, woraufhin sie sich bestürzt ansahen. Scheinbar hatten sie das nicht bedacht.

"Ich finde es bloß fair, wenn ihr euch solange draußen in den Regen stellt!" kam es von Fran, weshalb ich lachen musste.

Wir hatten offenbar nicht die schlimmsten Piraten erwischt, denn da sonst niemandem etwas Besseres eingefallen war, verließen Jake, Finn und Ryan das Schiffsinnere und kamen erst wieder als wir uns umgezogen hatten. Meine Mundwinkel zuckten schadenfroh nach oben, als ich sah, wie nass sie waren.  Fran hatte das dunkelrote Kleid bekommen, das ihr super zu ihren braunen Rehaugen passte.

Ich war, einfach nur wegen der unfassbar tollen Bewegungsfreiheit, in Hemd und Hose geschlüpft. In Green Harbour wurde man als junge Frau schief angesehen, wenn man Männerkleidung trug. Hier auf See war das wohl mein kleinstes Problem. Vorallem weil mir Fran strahlend versicherte, dass es mir gut stand.

Als die Jungs wieder da waren, trieben sie noch irgendwo zwei weitere Hängematten auf, in denen wir schlafen konnten. Erst als ich kurz vorm Einschlafen war, fiel mir auf, dass sie keinerlei Sicherheitsmaßnahmen getroffen hatten.

Doch aus irgendeinem Grund hatte ich nicht mal wirklich das Gefühl, flüchten zu wollen...

Die Dragonfly-ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt