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𝐹𝑟𝑎𝑛𝑐𝑒𝑠

Nachdem wir weiter durch die endlosen Gänge dieses Gebäudes gerannt waren, hatten wir endlich unser Zimmer gefunden. Mir war schwindelig und ich fühlte mich noch immer wie in Trance.

"Was zum Teufel war das?", fragte Carrie und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ich zuckte mit den Schultern und inspizierte den Raum etwas genauer: Zu meiner freudigen Überraschung sah er mehr oder weniger sauber und sicher aus. "Gehen wir dem nach?", wollte Carrie weiter wissen und sah aus dem Fenster.

"Ich weiß es nicht, aber wir müssen definitiv den Jungs davon erzählen." Ich legte mich in mein Bett und wollte schon meine Augen schließen, als plötzlich die Tür unseres Zimmers aufgerissen wurde. Carrie und ich fuhren herum, doch es war nur Jake, der uns undefinierbar ansah:

"Genug ausgeruht, Ladys. Wir haben ein paar Leute gefunden! Kommt ihr mit?" Seufzend erhoben wir uns wieder und gingen mit Jake nach draußen.

-

„Ist das euer Ernst?" fragte ich leise an Ryan gewandt, als ich unsere kraftprotzende Crew sah. Es waren insgesamt drei Mädchen und vier Jungen. Sie sahen zwar einigermaßen nett aus, aber niemand von ihnen, außer einer jungen Frau mit Augenklappe und Holzbein, schien ausreichend Kampferfahrung zu haben.

"Ihr habt nicht mehr auftreiben können?" fragte nun auch Carrie und ließ ihren Blick über die Crew schweifen.

"Hey, das sind gute Leute!" mischte sich nun auch Finn ein. Ich hob eine Augenbraue: Gute Leute hin oder her, wir brauchten eine Piratencrew. Und das wusste er genau so gut wie ich. Also warf ich ein:

"Aber wir haben doch eh so viel Geld von meinem Vater, da müsste sich doch eigentlich... mehr ausgehen."

Die Jungs schwiegen, bis schließlich Finn widerwillig zugab:

"Dein Vater hat uns verarscht, in der Truhe war viel weniger Geld als wir gebraucht hätten."

Synchron drehten Carrie und ich uns zu den Jungs. War ihnen bewusst, wie verdammt wütend mein Vater jetzt sein musste, weil ich sein beschissenes Leben für dieses Geld bedroht hatte? Und jetzt hat sich das alles nicht einmal gelohnt?

"Das...IST NICHT EUER ERNST!" brüllten wir, woraufhin sich ein junger, südländisch wirkender Mann mit Akzent beleidigt an uns wandte:

"He, wir können euch hören!"

"ES GEHT DOCH GAR NICHT UM EUCH!" antwortete Carrie und drehte sich genervt wieder zu uns.

"Jetzt bereut ihr es sicher mitgekommen zu sein, oder?" fragte uns Finn und vermied Blickkontakt, indem er auf den Boden schaute. Okay, wir sollten nicht zu hart zu ihnen sein. Also schüttelte ich leicht den Kopf:

"Ihr habt noch nicht versucht uns zu verheiraten, das spricht definitiv für euch!" beschwichtigte ich ihm und wandte mich den möglichen neuen Mitgliedern unserer Mannschaft zu: "Stellt euch mal alle vor!"

Der erste, der sich meldete, war Nino, ein sehr fürsorglich wirkender Schwede. Es stellte sich heraus, dass er noch nie ein Schwert in der Hand gehabt hatte, dafür aber sehr gut kochen konnte. Er hatte dunkelbraune Haare und braune Augen, außerdem war er kleiner als der Rest. Ich mochte ihn. Er gehörte zu den wenigen Menschen in dieser Stadt, vor denen ich keine Angst hatte.

Sam war ein Italiener und machte eindeutig Ninos fehlende Kampfeskraft wett. Obwohl man es ihm nicht sofort ansah, schien er ein erfahrener Kämpfer zu sein. Außerdem war sein Vater Arzt gewesen, weshalb er sich auch ein wenig mit Krankheiten und Verletzungen auskannte. Definitiv jemand, den wir in unserer Crew brauchten.

Jonah war das Mädchen mit der Augenklappe und dem Holzbein. Ihre braunen Haare hingen ihr ins Gesicht und sie konnte mit dem Schwert umgehen. Außerdem schien sie sehr ausgeglichen und nicht am anderen Geschlecht interessiert zu sein.

Allen hatte keine Ahnung worum es überhaupt gegangen war, doch er wollte halt dazugehören. Er war braunhaarig und hatte grüne Augen. Zwar war er mir sympathisch, trotzdem erinnerte er mich an ein verschrecktes Meerschweinchen.

Elias war ein fahrender Künstler, er wollte mit uns kommen um Erfahrungen zu sammeln sowie Inspiration und die wahre Liebe zu finden. Sein ledernes Notizbuch, genau wie sein Bleistift, den er sich hinter das Ohr zu den braunen Locken steckte, waren seine ständigen Begleiter.

Die beiden Mädchen Johanna und Louise sahen zwar einigermaßen hübsch aus, aber konnten anscheinend noch weniger als Allen. Sie waren Zwillingsschwestern uns schauten sich deshalb verdammt ähnlich, nur war Johanna blond und Louise braunhaarig. Sie hätten sich wahrscheinlich auch für den Galgen gemeldet wenn Ryan, Jake und Finn sie gefragt hätten.

"Na gut, dann willkommen bei uns!" verkündete ich unsicher und lächelte die Meute an. Sie waren wahrscheinlich mit Abstand die schlechteste Crew die es gab, aber immerhin waren sie uns sympathisch. Außerdem konnten Carrie und ich auch nicht von uns behaupten, besonders kampferfahren zu sein. Die Einzigen, die mir etwas suspekt vorkamen, waren Louise und Johanna - Wir hatten zwar kein Problem mit ihnen, aber immer, wenn ich ihnen den Rücken zudrehte, spürte ich ihre giftigen Blicke auf mir ruhen.

Wir beschlossen, noch diese Nacht loszusegeln, also holten wir unsere Sachen und Einkäufe aus dem Gasthaus und stiegen an Bord.

"Ihr kommt wirklich mit?", fragte Louise und hob eine Augenbraue. Irritiert drehten wir uns zu ihr um. Sie lehnte an einem Fass und musterte uns. Wir sahen sie verständnislos an und Carrie erwiderte:

"Wieso sollten wir nicht?" Sie sah uns nur abschätzig an, dann ging sie zurück zu Johanna.

Nachdem wir den Lagerraum zu einem weiteren Hängemattenlager umstrukturiert hatten und die Crew sich dort niedergelassen hatte, gingen Ryan, Finn, Jake, Carrie und ich in unseren alten Schlafraum. Ziemlich zufrieden setzte ich mich in meine Hängematte und war froh, dass die Jungs uns nicht als normale Crew ansahen sondern wir immer noch gemeinsam bei ihnen in einem Raum schlafen durften.

"Und, wie findet ihr sie?" fragte Ryan interessiert.

"Nicht die kraftprotzende Crew, die wir erwartet haben, aber für den Anfang ganz okay." antwortete Jake nachdenklich, worauf wir alle miteinstimmten. "Aber wohin fahren wir denn jetzt?" fragte er weiter. Finn überlegte:

"Naja, wir haben unser Geld jetzt für die Crew, Waffen und Kleidung ausgegeben, oder? Wir sind also wieder stinkarm."

Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. Wir waren noch keine Woche bei den Piraten und schon waren wir pleite. Was konnten wir da dagegen tun? In diesem Moment fiel Carrie und mir ein, was wir vorhin in dem Gasthaus erlebt hatten und erzählten ihnen von den Worten der alten Frau.

"Wow, und ihr habt euch das ganze Gedicht einfach so gemerkt?" fragte Finn stirnrunzelnd. Carrie und ich wechselten verwunderte Blicke, irgendwie war das wirklich komisch.

"Wollen wir dem nachgehen? Immerhin haben wir sowieso nichts Besseres zu tun und das im Gedicht hört sich nach einem Schatz an." sagte ich und Carrie nickte eifrig:

"Außerdem sind wir pleite und mit dieser Crew können wir es wohl vorerst vergessen, irgendetwas zu plündern." Unsere Piraten sahen sich zuerst nachdenklich an, nickten dann aber. Wir hatten dabei also definitiv mehr zu gewinnen als zu verlieren.

"Aber dann müssen wir das Gedicht zuerst richtig deuten." stellte Finn fest, was uns alle ins Grübeln versetzte.

Wir sollten uns zuerst auf die ersten Zeilen der Prophezeiung konzentrieren. Dabei ging es um ein feuerrotes Segel in der Flut, das Carrie und ich schon kannten...

"Die ersten Zeilen sind eine Metapher, oder?" dachte Finn nach. Wir nickten zustimmend. Da plötzlich ging Ryan ein Licht auf:

"Ein Segel in der Flut ist etwas Gutes, das uns vor etwas gerettet hat! Und wer hat uns gerettet? Lily!"

Die Dragonfly-ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt