𝐶𝑎𝑟𝑟𝑖𝑒
"Und du bist wirklich krank?" fragte der Gouveneur Fran misstrauisch, während ich mir größte Mühe gab möglichst betroffen dreinzuschauen.
Immerhin hatten wir uns unter dem Vorwand, das Frances auf einmal schwindelig und übel war, in die Kajüte ihres Vaters bringen lassen.
Dort wollten wir die Schlüssel zu unserer Zelle klauen, um endlich wieder frei zu sein.Doch dass es nicht einfach werden würde, war uns spätestens jetzt klar geworden.
"Wie ich schon sagte, Vater, mein Kopf tut weh, mir ist schwindelig und ich glaube ich muss..." Zitternd hielt sich Frances die Hand vor den Mund.
"Du bist doch nicht schwanger, oder?" fragte der Gouveneur nun, neben dem Misstrauen in seiner Stimme war nun auch Wut herauszuhören.
"Nein, natürlich nicht!" verteidigte sich Frances stürmisch, hielt sich jedoch sofort darauf den Kopf und schloss kurz die Augen.
Anerkennend musterte ich sie, bis mir wieder einfiel was ja mein Teil der Mission war. Unauffällig ließ ich meinen Blick über den Schreibtisch vor uns schweifen, während sich Frans Vater resigniert abwandte und zu einem kleinen Eckschrank auf der gegenüberliegenden Seite des Büros lief.
Der Gouveneur stand mit dem Rücken zu uns, also zögerte ich nicht lange und streckte meine Hand nach dem Schlüsselbund auf dem Tisch aus. Doch gerade als ich das Briefpapier, das auf den Schlüsseln lag, weggeschoben hatte, drehte sich der Mann wieder um. Sofort zog ich meine Finger zurück und sah wieder besorgt zu Frances. Ich konnte leichte Panik in ihren Augen aufsteigen sehen, doch noch war nicht alles verloren.
"Fall in Ohnmacht!" flüsterte ich, noch bevor der Gouveneur wieder vor uns saß. Ich wusste nicht ob sie verstanden hatte, denn im Moment darauf stellte er Frances ein kleines Glas hin. Die Flasche, die er seiner Tochter geholt hatte, war eindeutig mit Hochprozentigem gefüllt, er goss ihr etwas davon ein. Ohne zu zögern kippte Fran die bernsteinfarbene Flüssigkeit runter und verzog das Gesicht.
"Wenn es brennt, dann ist das ein gutes Zeichen! Und jetzt zurück in eure Kajüte!" kommandierte er unfreundlich, woraufhin wir uns wieder umdrehten und auf die Tür zugehen wollten. Daraus wurde jedoch nichts, denn Frances kippte elegant um und räumte den gesamten Schreibtisch ab.
Ich verkniff mir ein Grinsen und begann hilfsbereit die ganzen Habseligkeiten wieder auf den Tisch zu stellen. Naja, nicht alle.
Der Schlüsselbund steckte nun sicher in meiner Tasche. Zum Glück hatte der Gouveneur nichts davon bemerkt, er war damit beschäftigt gewesen seiner Tochter wieder aufzuhelfen."Wir gehen jetzt besser!" meinte ich entschuldigend und ging mit Frances hinaus in den Gang, wo schon der Matrose wartete, um uns zurück in unsere Zelle zu führen.
Noch im Gehen tauschte ich einen unauffälligen Blick mit Fran aus, woraufhin wir beide wussten, dass wir es geschafft hatten.Draußen war es schon längst dunkel als wir wieder unsere Kajüte betreten hatten. Die ganze Aktion hatte absichtlich so spät stattgefunden, immerhin wussten wir nicht wie schnell der Gouveneur bemerken würde, dass der Schlüsselbund fehlte. Doch nun würde er schlafen, das hatte Frances zumindest gesagt.
"Wir können uns jetzt befreien, doch was machen wir dann?" begann ich ohne Umschweife, als wir wieder alleine waren. Frans Augen leuchteten aufgeregt als sie mir antwortete:
"Ich habe oben einen kurzen Blick auf die Seekarte werfen können! Wir sind nur eine Tagesreise von Plunder Bay entfernt! Hier ist sonst kein einziger Hafen, erst wieder nach hunderten von Seemeilen!"
"Du meinst, wir sollen sie zwingen anzulegen?" fragte ich nun ebenfalls aufgeregt. Sie nickte und ging ans Fenster, von wo aus wir das Schiffsdeck überblicken konnten.
"Wir zünden einfach ihre Vorräte an!" verkündete sie so leise wie es ihre Begeisterung zuließ.
"Dann müssen wir nur noch unsere Crew bewaffnen und wir haben leichtes Spiel in Plunder Bay! Die Piraten dort hassen die Navy so sehr, sie werden auf deinen Vater losgehen, sobald er am Hafen angelegt hat!" steuerte ich bei und wir grinsten uns an.
So leise wie möglich schob Frances den Schlüssel ins Schloss, während ich nervös mein Messer umklammerte. Es war eines der ersten Dinge gewesen, die uns die Piraten erklärt hatten.
"Versteckt so viele Waffen an euch wie ihr könnt, und werdet ruhig kreativ!" rief Ryan. Es war der erste Tag auf der Dragonfly seitdem Frances und ich vollständig zu den Piraten gehörten. Weder Fran noch ich waren mit dem Gefühl aufgewacht irgendetwas zu bereuen, was laut uns ein ausgesprochen gutes Zeichen war.
"Ich trage schon seit Jahren ein Messer in der Sohle von meinem Stiefel mit mir herum und noch nie hat es jemand gefunden!" verkündete Jake stolz, während Finn in seiner Tasche herumkramte.
"Wenn ihr kleinere Mengen Geld verstecken wollt, müsst ihr sie in Brot einbacken und warten bis es unbrauchbar wird. Niemand klaut euch ein altes Stück Brot!" meinte er daraufhin und zeigte einen alten, krümelnden Laib Zwieback vor. Den hätte wirklich niemand mitgehen lassen, nicht wenn es eine deutlich appetitlichere Möglichkeit gab.
"Hier, für den Anfang!" Ryan schob jeder von uns ein Messer hin. "Legt es in euren Stiefel, das ist immer ein guter Start für eine Waffensammlung!"
Ich schüttelte den Kopf und somit die Erinnerung ab, jetzt war wirklich ein falscher Moment für Ablenkung. Es würde schon alles gut gehen! Jetzt war es eher der Matrose vor unserer Tür um den ich mir Sorgen machen sollte.
"Er schläft!" murmelte Fran leise, nachdem sie die Tür aufgeschwungen hatte.
"Wir sollten ihn einfach liegen lassen und uns nachher wieder vorbeischleichen." meinte ich, Frances nickte. Mit angehaltenem Atem drückten wir uns an dem jungen Mann vorbei, der mit dem Kinn auf seiner Brust schlief und sabberte. Das Schiff war totenstill als wir über das Deck in Richtung Zellen schlichen.
Die Klappe im Boden, die zu unserer Crew und unseren Freunden führte, knarrte unangenehm laut, doch wir gelangten in den Bauch des Schiffes ohne dass uns jemand bemerkte.
Und dann sahen wir sie. Aufgeteilt auf 2 Zellen konnten wir die gesamte Crew entdecken, entmutigt und frustriert.Doch ein Problem gab es noch. Direkt vor uns saßen 2 weitere Matrosen, die uns nun überrascht anstarrten. Sie sprangen auf und wollten nach ihren Waffen greifen, aber wir waren schneller.
Die Messer blitzen auf und wurden vom Blut befleckt, das nun in den Planken unter unseren Füßen versickerte.
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Die Dragonfly-Chroniken
Humor„Ladys, willkommen an Bord der Dragonfly. Fühlt euch wie zuhause!", verkündete der Braunäugige und klatschte triumphierend in die Hände. Dann sagte er an die anderen beiden gewandt: "Finn, Jake, bindet sie an den Mast." - Carrie und Frances kennen...