𝐶𝑎𝑟𝑟𝑖𝑒
Kaum waren wir aus dem Beiboot gestiegen, überrollte uns die Hitze wie ein Sturm auf hoher See. Die Moskitos stürzten sich sofort blutdurstig auf uns, doch die Insekten waren so zahlreich, dass ich mit dem Erschlagen gar nicht nachkam.
Schicksalsergeben half ich also den anderen unsere Ausrüstung an Land zu bringen, während Jolene die Dragonfly an dem Strand auflaufen lies. Wir hatten nämlich ziemlich schnell bemerkt gehabt, dass die Sirenen tiefe Löcher in das Schiff gerissen hatten. Also hatten es sich Jonah und Jolene zur Aufgabe gemacht, die Dragonfly mit ein paar weiteren Mitgliedern der Crew zu reparieren.
Wir hatten nur dank Jim und Jolene sicher das Land erreicht, weil die beiden trotz der Halluzinationen der Sirenen den Anker eingezogen und das Schiff weiter treiben gelassen hatten. Ohne sie wären wir jetzt wahrscheinlich immer noch zwischen den schwarzen Felsen und müssten uns die Schreie unserer Freunde anhören.
Wir sollten in der Zwischenzeit die Insel erkunden, die eher einem schwimmenden Dschungel glich. Der Strand war nur ein sehr dünner Streifen am Wasser, schon wenige Meter später begann das tropische Unterholz.
Natürlich hatte Ryan, als Captain, einen Suchtrupp leiten wollen, deshalb war Lily selbstredend auch mit dabei. Jim hatte nur ungern seine Schwester zurückgelassen, doch sein Forschungsdrang war einfach zu groß gewesen.
Sein Team, bestehend aus ihm, Sam, Frances und Finn, machte sich in den Norden der Insel auf.
"Wir treffen uns hier spätestens beim Einbruch der Nacht wieder!" rief Jim uns zu, während er mit seiner Machete nach den Moskitos schlug.
"Falls wir Süßwasser finden, sagen wir euch schon früher Bescheid!" fügte Finn hinzu und knöpfte sein Hemd ein wenig weiter auf. Es war einfach viel zu heiß auf dieser Insel.
Einer nach dem anderen verschwand in dem Unterholz, doch auch als ihre Schritte schon verklungen waren, wandte ich meinen Blick nicht ab.
"Sie werden schon auf sich aufpassen und nicht in Schwierigkeiten geraten." meinte Jake, der wie aus dem Nichts hinter mir aufgetaucht war. Er wusste, dass ich an die Sirenen gedacht hatte.
"Auf sich selbst aufpassen und nicht in Schwierigkeiten geraten...
Das können wir ja alle besonders gut, oder? Deshalb seid ihr ja auch gottesfürchtige Buchhalter, denen langsam die grauen Haare ausgehen und die niemals bei den Steuern schwindeln würden. Genauso wie Frances und ich, die immer ihre Hände brav im Schoß gefaltet haben und es gar nicht erwarten können ihre zukünftigen Kinder mit liebevoller Strenge erziehen, wenn wir nicht gerade Brot backen." schnaubte ich belustigt und kickte einen Stein ins Wasser. Jake lachte und begann in einer der Kisten mit der Ausrüstung zu wühlen:"Wäre gar nicht auszudenken, wenn wir etwas so Furchtbares wie Piraten wären!"
Nur wenig später machten wir uns, das heißt Lily, Ryan, Jake und ich, auf den Weg, um die südliche Seite der Insel abzusuchen. Die Hitze wurde, kaum hatten wir den Wald betreten, immer drückender und ich wünschte mir die kühle Seeluft zurück.
Doch Ryan, der vorausging, schlug uns mit seiner Machete so enthusiastisch den Weg frei, dass ich ihm mit schnellem Schritt folgte. Hinter mir gingen Lily und Jake, ich hörte sie manchmal wegen der Moskitos fluchen.
Doch obwohl der Dschungel so friedlich wirkte, irgendetwas daran beunruhigte mich. Erst nach ein paar hundert Metern ging mir endlich auf was fehlte:
"Hier sind keine Tiere, oder? Keine Vögel, keine Schlangen, nichts. Nur eine Menge Insekten."
Mein Blick ruhte dabei auf einem rießigen Käfer, der auf einem Blatt direkt vor meiner Nase saß.
Ryan war stehen geblieben und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er nun ebenfalls misstrauisch ins Unterholz spähte."Auf jeder Insel, die wir bisher besucht haben, gab es zumindest irgendwelche kleinen Nager. Die Population von so vielen Lebewesen kann nicht einfach verschwinden." meinte Jake und sah hinauf zum Blätterdach über uns.
"Naja..." begann nun Lily und Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit, "Außer irgendetwas hat diese ganzen Tiere getötet."
"Die Insel ist verflucht, ich spüre das." murmelte Ryan und erhob wieder die Machete.
Je weiter wir gingen, umso mehr Fliegenschwärme gesellten sich zu den Stechmücken und summten über unseren Köpfen. Es waren dicke, schwarze Fliegen und sie schienen uns entgegenzukommen. Intuitiv war auch den anderen aufgefallen, dass dort, wo die Schwärme immer dichter wurden, unser Ziel liegen musste.
Gerade als ich einem Vorhang aus grünen, fleischigen Ranken beiseite schob, kreischte Lily leise auf. Alarmiert drehte ich mich um und sah, dass sie entgeistert irgendetwas auf dem Boden musterte. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass dort die zerfetzten Überreste eines Fisches lagen, fast schwarz von den Fliegen die auf ihm saßen.
"Was auch immer die anderen Tiere gefressen hat, wir wissen jetzt auf was es umgestiegen ist, als nichts mehr übrig war." meinte Jake leise und mit gesenkter Stimme.
Währenddessen war Ryan schon ein paar Schritte weitergegangen, nur um plötzlich wieder mit weit aufgerissenen Augen vor uns zu stehen. Panisch wies er uns stumm an leise zu sein und schlich, mit uns im Schlepptau, wieder voran.Sekunden später standen wir auf einer kleinen Lichtung, die den Vorplatz zu einer niedrigen Höhle bildete. Meine Augen tränten und ich musste den Blick abwenden, um mich nicht zu übergeben. Auch Jake sah leichenblass aus, während Ryan einen Arm um Lily gelegt hatte, die etwas grün um die Nase geworden war. Auf der gesamten ausgetretenen Lichtung lagen Kadaver von Fischen und längst gestorbenen Vierbeinern.
Der Gestank war unerträglich, doch was mich am meisten aus dem Konzept brachte, war die Menge an Fliegen in der Luft. Es war schon fast pervers, wie sie sich auf das tote Fleisch stürzten und glänzend bis in die Baumwipfel hinaufsummten.
Mein Blick fiel auf einen Fisch, der noch ziemlich frisch aussah. Er war etwa so lang wie mein Unterarm und sein schuppiger Körper war blutüberströmt. Der Fisch konnte höchstens heute morgen getötet worden sein.Ich starrte so hypnotisiert auf die toten Körper, dass ich wie verrückt zusammenzuckte, als mich Jake plötzlich wieder zwischen die Bäume zog. Ryan hatte wieder die Führung übernommen, scheinbar war es an der Zeit den anderen so schnell wie möglich von unserem Fund zu berichten. Erst als wir uns ungefähr ein paar hundert Meter von der Höhle entfernt hatten, blieben wir stehen um darüber zu reden, was wir gerade gesehen hatten.
"Was auch immer das gerade war, ich will damit nichts zu tun ha...-"
"AHHHHH!"
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Die Dragonfly-Chroniken
فكاهة„Ladys, willkommen an Bord der Dragonfly. Fühlt euch wie zuhause!", verkündete der Braunäugige und klatschte triumphierend in die Hände. Dann sagte er an die anderen beiden gewandt: "Finn, Jake, bindet sie an den Mast." - Carrie und Frances kennen...