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𝐶𝑎𝑟𝑟𝑖𝑒

Die Mittagssonne brannte gnadenlos auf uns herab, als sich unsere erste Panik ein wenig gelegt hatte. Für einen Moment waren Jake und ich uns sicher gewesen, dass wir sterben würden. Man konnte es uns nicht verübeln. Allein auf See, ohne etwas zu Essen oder zu Trinken, gibt es einfach viel zu viele Arten zu sterben. Tiger hatte sofort gerochen, dass wir Angst hatten, und begann einen unsichtbaren Gegner anzubellen. Nervös war er immer wieder vom einen Ende des Bootes zum anderen getrippelt.

Die aufkommende Hitze hatte es ihm nicht einfacher gemacht. Wenn die Sonne normalerweise im Zenit stand, verkroch er sich immer unter Deck. Der Hund lag hechelnd neben uns, die Pfoten weit von sich gestreckt. Währendessen versuchten Jake und ich Ruhe zu bewahren und einen Plan zu entwickeln.

"Selbst wenn sie uns suchen, die Wahrscheinlichkeit, dass die Dragonfly uns findet, ist einfach zu gering um sich darauf zu verlassen." meinte ich und spritzte etwas von dem kühlen Meerwasser auf Tigers Schnauze.

"Aber auf eigene Faust kommen wir nicht weit, zumindest nicht so weit, dass wir eine Insel erreichen. Als ich das letzte Mal auf die Karte gesehen habe, waren die wenigen Inseln in dieser Gegend sehr weit weg. Das schaffen wir in den paar Tagen die uns bleiben, bevor wir verdursten, nicht. Vor allem weil wir keine drei Tage und Nächte durchrudern können." überlegte Jake und runzelte die Stirn. Ihm schien die Hitze nicht ganz so viel auszumachen wie mir und dem Hund.

Er seufzte und strich über Tigers Fell, der daraufhin schwach mit dem Schwanz wedelte, als ich zusammenzuckte.

"Das gibt's doch nicht..." murmelte ich und starrte zum Horizont, wo langsam ein Schiff auftauchte, das unverkennbar der British Navy angehörte.

"Spinn ich, oder ist das Lilys Handelsschiff?" fragte Jake tonlos und sah so ungläubig drein wie ich mich fühlte.

"Sie suchen wahrscheinlich immer noch die Dragonfly! Scheiße, was sollen wir denn jetzt tun?" rief ich an den Piraten gewandt, der die immer näher kommenden weißen Segel anstarrte.

"Sie haben uns gesehen, zu flüchten ist also keine Option. Kannst du noch die Geißel-Karte spielen? Dann bin vielleicht nur ich am Arsch." antwortete er mir, woraufhin ich humorlos lachte:

"Ich habe geholfen Lily zu entführen. Ich bezweifle, dass sie mir noch irgendetwas glauben."

"Dann sag doch bitte einfach, dass wir dich gezwungen haben! Wenn du weinst, glauben dir sowieso alle!" Seine Stimme nahm einen leicht verzweifelten Tonfall an, doch ich hatte nicht vor einen Rückzieher zu machen. Weder Fran noch ich waren auf die Dragonfly zurückgekehrt, um die Piraten bei der erstbesten Gelegenheit zu verleumdnen.

Außerdem wäre die Entführung nur ein weiterer Punkt auf der Liste der Verbrechen wegen denen Jake angeklagt war und noch mehr als ohnehin konnte er sich nicht leisten. Das Schiff war inzwischen fast bei uns, so schnell waren sie auf uns zugefahren. So biss ich mir auf die Lippen und beschloss:

"Ich lass dich nicht allein!"

Noch bevor er etwas einwenden konnte, wurde eine Strickleiter an dem großen Schiff heruntergelassen und man wies uns an, mit dem Beiboot so nah wie möglich heranzupaddeln um dann heraufzuklettern. Offenbar hatten sie uns noch nicht erkannt, denn sonst wären sie vielleicht nicht so hilfsbereit gewesen.

Als wir alle an Bord standen, brauchte es nur einen winzigen Moment, um uns zu identifizieren. Kaum hatte uns der erste Matrose erkannt, warfen sie uns auch schon in die Brig, sogar Tiger wurde mit einem Fußtritt zu uns in die Zelle befördert. Die ganze Mannschaft war sehr unfreundlich, aber sie wussten zumindest dass wir wegen des Sturmes keine Ahnung hatten, wo sich die Dragonfly mit dem Rest der Mannschaft aufhielt.
Aus dem hämischem und selbstgefälligem Gerede der Matrosen konnten wir heraushören, dass sie uns nun in den nächsten Hafen bringen würden, um uns dort verurteilen zu lassen.

Die Dragonfly-ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt